Über die Medizin der Zukunft
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Integrative Medizin Komplementärmedizin
Am 21. Dezember 2021 feiern wir unseren vierzigsten Geburtstag. Es ist ein runder Geburtstag. Runde Geburtstage einigt die Ziffer Null am Ende der Zahl. Durch diese Null kann man blicken, zurückblicken oder nach vorne blicken, vorausschauen. Dies haben wir in den letzten Monaten ausgiebig getan. Wir ließen Weggefährten Anekdoten erzählen. Wir wollten unsere Rolle als gemeinnützige Stiftung bei der Etablierung der Komplementären und Integrativen Medizin von ehemaligen und aktuellen Projektleitern eingeschätzt wissen. Vor allem aber interessierte uns: Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?
Die Integrative Medizin – das ist die Medizin der Zukunft!
»Der Arzt und die Ärztin der Zukunft muss beide Sprachen sprechen, die der Schulmedizin und die der Naturheilkunde und Homöopathie.« So lautet das Diktum der Stiftungsgründerin Dr. Veronica Carstens. Und vorab: Keiner unserer befragten Weggefährten verliert dieses Ziel aus den Augen. Denn die konventionelle Medizin, um das Reizwort »Schulmedizin« zu vermeiden, zeitige »lebensrettende Wirkungen« (Dr. Henning Albrecht).
Aber trotz aller Erfolge, so der Vorstandsvorsitzende der Karl und Veronica Carstens-Stiftung, Prof. Andreas Michalsen, »stößt sie bei chronischen Erkrankungen und in der Gesundheitsprävention an ihre Grenzen«. Die Naturheilkunde ist auf die Gesundwerdung und Gesunderhaltung ausgerichtet, so Dr. Michael Jeitler. »Wir sollten uns also das Beste aus beiden Welten nehmen«, resümiert Dr. Markus Wiesenauer, »wir nennen dies heute Integrative Medizin – das ist die Medizin der Zukunft!«
Überzeugungsarbeit in der Politik und bei den Krankenkassen
Dass integrativ-medizinische Verfahren von der Bevölkerung gefordert und genutzt werden, steht außer Frage. Trotzdem werden für deren Erforschung und Etablierung in das Gesundheitssystem kaum Gelder bereitgestellt. »Solide Forschung, die Entwicklung von Leitlinien und echte Überzeugungsarbeit in der Politik und bei den Krankenkassen« – hält Dr. Petra Voiß demzufolge in Zukunft für zwingend erforderlich. In eine ähnliche Kerbe schlägt Dr. Holger Bringmann: »Für einen effektiven Einsatz der Integrativen Medizin in Forschung, Lehre und klinischer Praxis benötigen wir eine Gleichstellung evidenzbasierter Verfahren unterschiedlicher Medizinsysteme vor den Krankenkassen, aber auch bei der Verteilung der Forschungsressourcen.«
Ein Voranbringen der Forschung ist wesentlich
Über die Notwendigkeit, komplementäre wie integrativ-medizinische Verfahren wissenschaftlich zu durchdringen, herrscht breiter Konsens. »Ein Voranbringen der Forschung ist wesentlich«, so die Doktorandin Caroline Klatte. Dass diese Forschung im besten Falle unabhängig finanziert werden müsse, ist das Credo der Promotionsstipendiatin Felicia Kleimaier. In der Carstens-Stiftung stand Rainer Lüdtke lange Jahre für seriöse Beforschung medikamentöser wie nicht-medikamentöser Verfahren. Er erinnert sich: »Projekte kritisch zu begleiten, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu strukturieren, so dass Erfahrungsmedizin und moderne Erkenntnistheorie zusammenwachsen können, war immer mein Anliegen.«
Neugier auf "das Andere"
Dr. Michael Teut ist sicher, »dass sich der Ansatz der Integrativen Medizin in der Zukunft zunehmend durchsetzen wird, wo wissenschaftlich belegte Methoden in die Schulmedizin integriert werden. Es wird aber immer genug Raum für Neugier und „das Andere“ geben.« Daran anschließend eine Aussage Prof. Georg Seiferts, getroffen auf dem Symposium zur Entfristung der Professuren von Andreas Michalsen und Benno Brinkhaus: »Wir müssen uns auch den Projekten zuwenden, die wir nicht so leicht verstehen können.«
Die Grafik Naturheilkunde und Komplementärmedizin, universitäre Präsenz in Deutschland, stammt von Prof. Andreas Michalsen und Prof. Benno Brinkhaus. Sie wurde verwendet im Rahmen des Vortrags »Perspektiven von Naturheilkunde und Integrativer Medizin im Kontext von Prävention in der Universitären Medizin« am 22.09.2021.
Eine Medizin der Zukunft bedeutet aber auch: Digitalisierung und Methodenpluralismus
Auch Dr. Rainer Scheer sieht in der Integrativen Medizin die Medizin der Zukunft. Deren Basis sei der Methodenpluralismus. Dazu gehöre nicht allein die Therapiefreiheit mit Therapien, die sich jeder leisten kann, sondern auch das Schaffen von Strukturen, die es Patient*innen ermögliche, nachhaltig ihre Lebensführung ändern zu können.
Beim Stichwort Lebensführung sind wir bei der Ernährung und damit auch bei der Landwirtschaft. Josef Bunge war viele Jahre Referent der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalens. Ökologische Landwirtschaft, so Bunge, benötige einen breiten Konsens, nicht nur in der Politik, beispielsweise durch größere Förderprogramme, sondern auch in jedem einzelnen Menschen. Josef Bunge spielt an auf die Selbstverantwortung. Diesen Faden greift Prof. Harald Matthes auf: »Die Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit ist ein Trend, der bereits durch eine Ökologie für die Erde im Bewusstsein der Bürger angelangt ist.« Professor Matthes spricht in diesem Zusammenhang von Planetary Health.