Komplementäre und
Integrative Medizin
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Ökologische Landwirtschaft benötigt einen breiten Konsens
40 Jahre Karl und Veronica Carstens-Stiftung

Ökologische Landwirtschaft benötigt einen breiten Konsens

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Veröffentlicht am
Integrative Medizin Naturheilkunde

Josef Bunge war viele Jahre Referent der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Im Interview anlässlich unseres 40sten Geburtstages spricht er über wegweisende Projekte der 80er Jahre und über Erfordernisse an eine Bio-Landwirtschaft, die unserem Versorgungsanspruch gerecht wird.

Welches war Ihr eindrücklichstes Erlebnis im Rahmen Ihres Förderprojektes?

Da kommt mir sofort in den Sinn, wie der Erstkontakt mit der Carstens-Stiftung zustande kam. 1996 gründete sich ein Arbeitskreis von Landfrauen an der Kreisstelle Warendorf der Landwirtschaftskammer, der sich im Rahmen von Ferkelerzeugungsseminaren auch mit dem Thema „Homöopathie in der Schweinehaltung“ beschäftigte und den ich fachlich betreute. Die Nachfrage wurde so groß, dass Anfang 1998 eine zweite Arbeitsgruppe von Landfrauen folgte.

Davon hatte die Journalistin Angelika Gördes-Giesen gehört und fand das Thema so spannend, dass sie darüber einen Radiobeitrag für den Sendeplatz „Landfunk“ des WDR in Köln produzierte. Für den Landfunk typisch und bis heute unvergessen waren das Tuckern eines Traktors und das Krähen eines Hahns, die frühmorgens um 06:55 Uhr die Hörer begrüßt haben. Den Radiobeitrag hörte auch Dr. Hennig Albrecht, damaliger Geschäftsführer der Karl und Veronica Carstens-Stiftung. Er fand die Tätigkeit der Landfrauen so spannend, dass er sich kurz darauf am Telefon meldete. So entstand fast wie durch eine Fügung der Kontakt zur Karl und Veronica Carstens-Stiftung und die Stiftung entschloss sich, die wissenschaftliche Beurteilung der homöopathischen Arbeitskreise zu fördern. Leider wurde der Sendeplatz „Landfunk“ vor einigen Jahren ersatzlos aufgelöst.

Ergebnisse aus Warendorf

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von über 3.400 Behandlungen erkrankter Sauen, Ferkel, Mastschweine und Eber, von über 1.700 vorbeugenden Behandlungen, vor allem an Sauen und Ferkeln:

  • wurden in den Betrieben 63 % der Erkrankungen mit Homöopathie behandelt; bei 51 % der Erkrankungen war nur eine und bei 30 % zwei Behandlungen notwendig, um den gewünschten Behandlungserfolg zu erzielen. Der Behandlungserfolg wurde in 67 % aller Fälle als sehr gut bis gut eingestuft.
  • waren mit dem Einsatz der Homöopathie 33 % der Landfrauen sehr zufrieden, 41 % zufrieden.
  • gingen die häufig auftretenden Geburtenprobleme durch den Einsatz von Homöopathika deutlich zurück, die Zahl der überlebenden Ferkel stieg leicht an.

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Antibiotikaresistenzen sind in aller Munde. Die EU-Bioverordnung sieht bei Erkrankungen von Tieren vor, zuerst Naturheilverfahren und pflanzliche oder homöopathische Mittel einzusetzen. Sehen Sie dies auch als (Teil-)Erfolg Ihres Projektes an?

Unser Projekt mit dem positiven Ergebnis eines verringerten Antibiotika-Einsatzes in der Sauenhaltung hat meiner Meinung nach eine besondere Beachtung mit sehr nachhaltiger Resonanz bewirkt.

Es war weltweit einmalig, dass der verstärkte Einsatz homöopathischer Arzneimittel in knapp 50 Betrieben mit Sauenhaltung für die Behandlung und Vorbeugung von Erkrankungen durch den Tierhalter selbst eingesetzt und über mindestens 3 Jahre dokumentiert wurde. Bedeutsam war dabei, dass der Verlauf der Erkrankung und damit der Erfolg oder Misserfolg der Behandlung ohne Druck von außen mit erfasst wurde. Da von Anfang an die bestandsbetreuenden Tierärzte in das Projekt einbezogen wurden, hatte die Tierärzteschaft bei den Fortbildungen häufig auch „Homöopathie“ auf der Themenliste stehen.

Entscheidend für den Erfolg war aber die fachliche und wissenschaftliche Unterstützung von Dr. med. vet. Achim Schütte aus der Carstens-Stiftung, sowohl in tiermedizinischer als auch in homöopathischer Hinsicht. Seine Vorträge und Publikationen über das erfolgreiche Projekt haben meines Erachtens besonders dazu beigetragen, dass zunehmend in der Tier- und Bio-Tierhaltung homöopathische und andere komplementäre Naturheilverfahren eingesetzt werden, um den Antibiotikaverbrauch reduzieren zu können.

Lassen Sie uns auf die nächsten 40 Jahre schauen. Kann es eine ökonomisch umsetzbare Bio-Landwirtschaft und speziell Nutztierhaltung geben, die dem Versorgungsanspruch gerecht wird? Wie könnte ein solches Szenario aussehen?

Wo wir im Jahre 2060 in der Praxis zu diesem Thema stehen, ist aufgrund von vielen Einflussfaktoren schwer einschätzbar.

Die Nutztierhaltung in der konventionellen Landwirtschaft ist derzeit sehr stark im Wandel und die Unterschiede zwischen konventioneller und Bio-Nutztierhaltung werden wahrscheinlich in den nächsten 40 Jahren geringer werden. Seit der Corona-Pandemie sind das Bewusstsein und das Verständnis für die heimische Landwirtschaft und der Wunsch nach artgerechter Tierhaltung sehr stark gestiegen und in dem Zusammenhang stehen regionale Produkte, Direktvermarktung und heimische Lebensmittel im Fokus der Verbraucher. Solche Lebensmittel enthalten gesunde Nährstoffe und müssen aufgrund der kurzen Wege weniger behandelt werden. Regional, bio, fair könnten die drei Schlagworte für die nächsten Jahre sein.

Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 auf 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologischen Landbau zu betreiben. Aktuell liegt der Anteil bei ca. 6,5 %, aber die Entwicklung des Ökolandbaus nimmt stetig an Fahrt auf. Nach Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen soll bis 2030 das Ziel erreicht werden, dass 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet wird. Ein wichtiger Baustein dabei ist, dass deutlich weniger Tiere insgesamt, dafür aber immer besser gehalten werden.

Will eine ökonomisch umsetzbare Bio-Landwirtschaft einen maßgeblichen Versorgungsanspruch übernehmen, ist in der Tierhaltung im ökologischen Bereich eine Vielzahl an kleineren und mittelständischen Betrieben, die in ihrer Region verankert sind, erforderlich.
Außerdem müssen nachhaltig die Nachfrage gesteigert und auch die Verarbeitung und Vermarktung ausgebaut und unterstützt werden. Von Seiten der Politik sind massive Förderprogramme mit konkreten Maßnahmen für die Betriebe bei der Umstellung erforderlich. Wenn sich gleichzeitig in der Gesellschaft ein breiter und nachhaltiger Konsens für diese Art Landwirtschaft entwickelt, kann das gelingen.

Josef Bunge

war bis 2019 Referent und Fütterungsberater der Landwirtschaftskammer NRW.

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