Warum sollten Arnica oder Hypericum nicht in einer RCT geprüft werden?
»Zehn Fragen an …« Christa Raak.
Christa Raak arbeitet seit 2009 am Zentrum für Integrative Medizin, Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin in Herdecke. Sie ist dort Wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Bereichen Homöopathie und Phytotherapie und leitet die Fachbibliothek Komplementärmedizin.
Das klassische Setting: Die berühmte Fee und der berühmte Wunsch; in unserem Fall bezieht sich der Wunsch auf das Gesundheitssystem. Was wünschen Sie sich?
Raak: Ich wünsche mir, dass Krankheit kein Geschäftsmodell wird! Die fortgeschrittene Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen in Deutschland zum Beispiel hat meiner Ansicht nach viel Leid für den Patienten gebracht. Die Anzahl gut bezahlter Operationen und technischen Interventionen in den Kliniken nimmt stetig zu, während Abteilungen, die sich nicht rentieren geschlossen werden, ganz unabhängig vom Bedarf. Das Fallpauschalen-System muss vielleicht nicht abgeschafft, aber doch entscheidend modifiziert werden. Es kann nicht sein, dass halbgenesene Patienten aufgrund von Kostengründen nach Hause abgeschoben werden.
Omas bestes Hausmittel war …?
Raak: Der Kartoffelhalswickel bei Halsentzündung. Meine Mutter hatte von meiner Oma überliefert bekommen, einen Kniestrumpf aus Baumwolle mit gekochten Kartoffeln zu füllen, danach zu zerstampfen und bei gemäßigter Temperatur als Halswickel anzuwenden. Da ich als Kind häufiger unter Halsschmerzen litt, bin ich oft in diesen Genuss gekommen. Der Kartoffelwickel hält sehr lange schön warm und die Kartoffel ist reich an Vitaminen, (insbesondere Vitamin C) und Mineralstoffen.
Während weite Teile der Bevölkerung Homöopathie sehr gerne in Anspruch nehmen, steht die Wissenschaft der Homöopathie tendenziell skeptisch gegenüber. Halten Sie Homöopathie-Forschung für sinnvoll?
Raak: Da ich selbst in diesem Bereich forschend tätig bin, liegt die Antwort ja schon bereit: Ja, natürlich. Nur durch gute Forschungsstrategien im Bereich der Homöopathie kann dieser Skepsis ja entgegengetreten werden.
Schon seit mehreren Tagen fühlen Sie sich schlapp. Sie spüren, ein bisschen fehlt die Energie. Was tun Sie?
Raak: Ich besinne mich auf meine eigenen Ressourcen und ziehe mich zurück. Ruhe und Entspannung kann hier Abhilfe schaffen. Wenn noch keine grippale Infektion aufgetreten ist, bewirkt ein mit viel Schlaf verbundener Sauna-Tag wahre Wunder.
Die deutsche Forschungslandschaft Medizin: Was ist verbesserungswürdig?
Raak: Als Wissenschaftlerin im Bereich der Komplementärmedizin fühle ich mich in der deutschen Forschungslandschaft Medizin stiefmütterlich behandelt. Während viele Disziplinen Schwerpunkte haben (Demenz, Gen-Therapie, Antibiotikaresistenz) gibt es keinen Schwerpunkt Komplementärmedizin. Obwohl viele Skeptiker eine wissenschaftliche Durchdringung fordern, gibt es auf Seiten der Forschungsförderung nur wenig bis gar keine Töpfe für die Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Das wäre doch wirklich verbesserungswürdig!
Welche drei Attribute beschreiben das optimale Arzt-Patienten-Verhältnis?
Raak: Würde, Großzügigkeit und Gelassenheit. Ethische Richtlinien sind für unser Verhalten und unsere Kommunikation als Arzt oder Therapeut wesentlich. Ungetrübt von turbulenten Emotionen kann ich besser zuhören und den Patienten sehr gut wahrnehmen.
Evidenzbasierte Medizin mit ihrer Forderung nach randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studien und viele Verfahren der Komplementärmedizin stehen ja sozusagen auf dem Kriegsfuß. Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
Raak: Keine Angst vor diesen Studien! Wir selbst führen an unserem Institut ja seit einiger Zeit eine solche Studie im Bereich Homöopathie durch. Sicher, dies ist durch BfArM-Regularien sehr aufwändig und kostet wahnsinnig viel Engagement. Aber der Kriegsfuß der da lautet: „Wir müssen die Individualität des einzelnen Patienten in Studien stärker berücksichtigen“, ist nicht immer angebracht. Gerade in der Homöopathie arbeiten wir ja nicht ausschließlich individuell. Hier haben wir Arzneimittel, die im Akutfall unabhängig von der Individualität des Patienten eingesetzt werden. Warum sollten solche Arzneimittel wie Arnica montana oder Hypericum perforatum nicht in einer RCT geprüft werden?
Welche Maßnahme reißt Sie aus dem Stimmungstief?
Raak: Ab in den Tango – Salon! Tanzen, Musik und nette Leute – das ist für mich ein Lebenselexier.
Kennen Sie eine humorige Anekdote aus dem Ärztestand oder der Medizinwelt?
Raak: Kommt eine Frau zum Arzt und der Arzt ist auch eine Frau.
Sind Sie Mitglied von Natur und Medizin und wenn ja, warum?
Raak: Nein, leider noch nicht.
Liebe Frau Raak, vielen Dank für das Interview.
Christa Raak
kam 1984 als Medizinisch Technische Assistentin zum Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke. 2002 wechselte sie dort projektbezogen an den Lehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin der Universität Witten/Herdecke (Prof. Matthiessen). Parallel Ausbildung zur Heilpraktikerin und Homöopathin mit eigener Praxis.
Seit 2009 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Integrative Medizin, Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin. Sie leitet dort die Fachbibliothek Komplementärmedizin, ist mitverantwortlich für die von der DFG und der Carstens-Stiftung geförderten Literaturdatenbank CAMbase und arbeitet im Schwerpunktbereich Homöopathie und Phytotherapie. Studium der Komplementärmedizin an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin (BSc).
Letzte Publikationen:
Raak C, Molsberger F, Pittermann W, Bertram M, Robens S, Ostermann T. Use of the Bovine Udder Skin Model to Evaluate the Tolerability of Mesem Cosmetic Cream. ATLA 2017; 45:191–200, 2017
Raak C, Ostermann T, Baumgartner S: Individualized Health Care and Homeopathy – an Inseparable Entity? In: Person-centeredness in integrative health care and integrative medical education. Complement Med Res 2017;24 Suppl 1: doi: 10.1159/000460277.
Raak C, Bertram M, Ostermann T. The common ice-plant – A forgotten medical and crop plant. Journal of medicinal and spice plants 2015;20 (2): 73-78
Christa Raak / Peter Dieter. Problem based learning: Fallbeispiel aus Sicht der Biochemie und der Homöopathie. ICE 14. Köthen (Anhalt) 2014. www.wisshom.de. 2015.