Komplementäre und
Integrative Medizin
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Zehn Fragen an Julian Böhm
Zehn Fragen an

Forschungslandschaft Medizin? Mehr Verantwortung!

Von Redaktion Carstens-Stiftung

Komplementärmedizin

»Zehn Fragen an …« den Sportwissenschaftler Julian Böhm.

Das klassische Setting: Die berühmte Fee und der berühmte Wunsch; in unserem Fall bezieht sich der Wunsch auf das Gesundheitssystem. Was wünschen Sie sich?

Böhm: Generell wünsche ich mir, dass man sich im Falle eines Bedarfs an Gesundheitsleistungen besser aufgehoben fühlt und diese nicht einzig auf Grundlage von objektiven Parametern (z.B. bildgebende Verfahren) basieren. Sehr schön wäre, wenn die Patienten/innen beim Thema Gesundheit wieder mehr einbezogen würden, die jeweiligen Experten/innen diese also an die Hand nehmen und mit ihnen gemeinsam verschiedene Wege diskutieren. Entscheidungen sollten selbstbestimmt getroffen werden können. Ich denke, dass für die Gesunderhaltung/Gesundheitsförderung bzw. den Genesungsprozess viel Potenzial in psychischen Komponenten steckt. An dieser Stelle sehe ich den großen Vorteil von naturheilkundlichen Verfahren, die die Auseinandersetzung mit der/m Patienten/In mehr in den Fokus rücken.

 

Während weite Teile der Bevölkerung Homöopathie sehr gerne in Anspruch nehmen, steht die Wissenschaft der Homöopathie tendenziell skeptisch gegenüber. Halten Sie Homöopathie-Forschung für sinnvoll?

Ich muss gestehen, dass meine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bereich der Homöopathie ausbaufähig ist. Generell bin ich in Bezug auf die Einnahme eher neutral eingestellt. Jedoch denke ich, dass im Forschungsfeld Homöopathie viel Potenzial steckt. Meine persönliche Zurückhaltung – und so geht es wahrscheinlich vielen kritischen Laien – kommt vom fehlenden Verständnis über die Wirkungsweise der Homöopathie. Aber genau deshalb braucht es Forschung in diesem Feld – auch weil bereits aussagekräftige Studien existieren, die Wirksamkeiten nachweisen konnten.

 

Starke Stimmen für die Integrative Medizin
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Für ein gesundes Miteinander!
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Schon seit mehreren Tagen fühlen Sie sich schlapp. Sie spüren, ein bisschen fehlt die Energie. Was tun Sie?

Böhm: Erst einmal frage ich mich, woher die Erschöpfung kommt. Manchmal hilft Ruhe, in anderen Fällen eher Gesellschaft und Aktivität. Auf jeden Fall hilft mir Bewegung und Zeit an der frischen Luft!

 

Die deutsche Forschungslandschaft Medizin: Was ist verbesserungswürdig?

Was mir zu dieser Frage als erstes einfällt, betrifft eher die gesamte Forschungswelt, ist aber meines Erachtens ebenso bzw. insbesondere in der Medizin wichtig.

Eine transparentere Offenlegung der Institutionen bzw. Firmen, welche eine Studie in Auftrag gegeben und finanziert haben. Dazu müssten aber auch Regelungen für sogenannte „Institute“ geschaffen werden, die von Firmen nur gegründet wurden, um den direkten Zusammenhang zu verschleiern. Außerdem sollten nicht nur positive Studienergebnisse Zuspruch finden, sondern auch der Stellenwert negativer Resultate mehr in den Fokus gerückt werden. Darüber hinaus muss gegen Skandale mit gefälschten Studien, aber auch gegen fragwürdige Zeitschriften, die keine Qualitätsüberprüfung vornehmen, vorgegangen werden. Dazu gehört aber auch, dass u.a. die Arbeitsbedingungen von vielen Wissenschaftlern (Befristung, Arbeitsstunden) und der stetige Publikationsdruck (immer mehr in weniger Zeit) überdacht werden sollten, um die genannten Probleme nicht noch weiter zu befeuern.

In Zeiten der „alternativen Fakten“ tragen meiner Meinung nach Skandale und Verschleierungen weiter dazu bei, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wem oder was sie glauben sollen und stellen die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Untersuchungen in Frage. Meiner Ansicht nach besitzt diese Thematik auch insbesondere in der Alternativmedizin einen großen Stellenwert. Dort können zweifelhafte Studien mit zweifelhaften Ergebnissen nicht nur dem Ansehen der gesamten Sparte schaden, sondern stellen auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Menschen, die sich auf die Richtigkeit dieser Ergebnisse verlassen, dar. An dieser Stelle muss man sich sowohl der gesellschaftlichen und politischen Tragweite als auch Verantwortung bewusst sein und neue Beschlüsse/Regularien/Strafen sollten daran ausgerichtet werden.

 

Welche drei Attribute beschreiben das optimale Arzt-Patienten-Verhältnis?

Böhm: Empathie, Vertrauen, beidseitige Teilhabe (Patienten mit ins Boot holen, auf Augenhöhe agieren, aber auch Mitarbeit der/s Patienten/in selbst)

 

Omas bestes Hausmittel war …?

Böhm: Kalte Wadenwickel bei Fieber oder kalte Wickel auf die Stirn bei Kopfschmerzen/Migräne.

 

Evidenzbasierte Medizin mit ihrer Forderung nach randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studien und viele Verfahren der Komplementärmedizin stehen ja sozusagen auf dem Kriegsfuß. Haben Sie einen Lösungsvorschlag?

Böhm: Ich denke, dass es sicherlich Verfahren der Komplementärmedizin gibt, die nicht im Widerspruch zu dieser Forderung aus der Medizin stehen. In den Bereichen, in denen eine Randomisierung, eine Kontrollgruppe oder Verblindung nicht möglich sind, müssen und können andere, ebenfalls aussagekräftige Methoden gefunden werden. Dies stellt gerade auch bei Untersuchungen innerhalb der Patientenversorgung ein Problem dar, bei denen man z.B. nicht verhindern kann, dass Patienten/innen mitbekommen, welche therapeutische Maßnahme sie erhalten (z.B. Wandergruppe) oder einer Kontrollgruppe aus ethischen Gründen keine Therapien gestrichen werden kann. Deshalb würde ich in Frage stellen, ob diese Forderung universell gesehen überhaupt realistisch ist.

 

Welche Maßnahme reißt Sie aus dem Stimmungstief?

Böhm: Bewegung (Fußball, Laufen/Joggen, Wandern, …), Natur, Menschen treffen, Zeichnen, Musik (Rock: Jethro Tull, Iron Maiden, Rammstein und auch andere Genres)

 

Kennen Sie eine humorige Anekdote aus dem Ärztestand oder der Medizinwelt?

Böhm: Da mir leider spontan nichts eingefallen ist, muss ich gestehen, dass Folgendes aus dem Internet stammt:
Einmal im Quartal geht die alte Dame zum Arzt – der will schließlich auch leben. Der schreibt ihr dann ein Rezept auf. Damit erhält sie beim Apotheker die Medikamente – der will schließlich auch leben. Zuhause wirft sie alles in den Müll – sie will schließlich auch leben.

 

Sind Sie Mitglied von Natur und Medizin und wenn ja, warum?

Böhm: Ehrlich gesagt: nein … noch nicht – die Mitgliedschaft wird aber noch kommen.

 

Lieber Herr Böhm, vielen Dank für das Interview.

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Julian Böhm

Seit 01.01.2019 Promotion
Universität Tübingen
Thema: „Wandern als Therapie für depressive Patienten?“ – WaThe Studie
Förderung: Stipendium über 3 Jahre von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung
Kooperation: Klinikum Christophsbad Göppingen (zur Studienbeschreibung)

2015-2018 M.A. Sportwissenschaft mit dem Profil Gesundheitsförderung
Universität Tübingen

2011-2015 B.A. Sportwissenschaft mit dem Profil Gesundheitsförderung
Universität Tübingen

2010 Zivildienst
Lebenshilfe e.V. Schwäbisch Gmünd

2009 Abitur in Schwäbisch Gmünd

Kontakt: julian.boehm@uni-tuebingen.LÖSCHEN.de