Komplementäre und
Integrative Medizin
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Eigenverantwortung der Patienten: Zwischen Nibelungentreue und Doktorhopping
Zehn Fragen an

Eigenverantwortung der Patienten: Zwischen Nibelungentreue und Doktorhopping

Von Ingo Munz

Komplementärmedizin

»Zehn Fragen an …« Prof. Dr. Ulrich Elbing. Ulrich Elbing ist Leiter des Instituts für Forschung und Entwicklung in den Künstlerischen Therapien, Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen.

Das klassische Setting: Die berühmte Fee und der berühmte Wunsch; in unserem Fall bezieht sich der Wunsch auf das Gesundheitssystem. Was wünschen Sie sich?

Elbing: Die Überwindung des sektoriell und fachärztlich zergliederten Gesundheitssystems und des Primats der Apparate- und Labordiagnostik, damit zuallererst der leidende Mensch als ganzer Mensch in der Wahrnehmung der professionellen Akteure steht.

 

Omas bestes Hausmittel war …?

Elbing: Quarkwickel und Zwiebelbeutel.

 

Während weite Teile der Bevölkerung Homöopathie sehr gerne in Anspruch nehmen, steht die Wissenschaft der Homöopathie tendenziell skeptisch gegenüber. Halten Sie Homöopathie-Forschung für sinnvoll?

Elbing: Unbedingt. Die aktuelle Placebo- und Noceboforschung eröffnet ganz neue Horizonte für eine Neubestimmung der Rolle und des Stellenwerts aller substanzgebundenen Behandlung (wie unverdünnt oder verdünnt auch immer) gerade unter ganzheitlicher Perspektive. Da sollte die Homöopathie-Forschung mit dabei sein.

 

Schon seit mehreren Tagen fühlen Sie sich schlapp. Sie spüren, ein bisschen fehlt die Energie. Was tun Sie?

Elbing: Bei übervoller Agenda: Tempo rausnehmen und entflechten, wo es geht. Ansonsten nachspüren, ob und wo ich den Kontakt mit mir selbst verloren habe und je nach Ergebnis aktiv werden.

 

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Die deutsche Forschungslandschaft Medizin: Was ist verbesserungswürdig?

Elbing: Innerhalb der eingeschlagenen Richtung wird die Forschung deutlich immer besser, die Standards sind inzwischen sehr hoch. Sinnvolle Ergänzungen zur Dominanz des geltenden Paradigmas sollten sich zu echten Komplementären entwickeln und aus dem Status von Exoten oder Außenseitern herauskommen können; das steht im Grunde im wohlverstandenen Interesse der gesamten Medizin. Dazu müssen sie auf ihre Art und mit ihrer Methodik vergleichbar anspruchsvoll und mit vergleichbar hohen Standards forschen. Das kostet nicht wenig, deshalb bedarf es der Chancengerechtigkeit im Zugang zu den Fördermitteln.

 

Welche drei Attribute beschreiben das optimale Arzt-Patienten-Verhältnis? 

Elbing: Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.

Gleichheit in der Bedeutung Gleichwertigkeit der jeweiligen Expertise: Der Patient ist der beste Einzelfall-Experte seines eigenen Lebens, der Arzt der im besten Falle beste Experte für die hoffentlich auf ihn passende verallgemeinerte medizinische Erfahrung.

Freiheit: Beide entscheiden, ggf. auch immer wieder neu, ob und wie sie zusammenwirken zum Wohle des Patienten. Zwischen Nibelungentreue und Doktorhopping gibt es die eigenverantwortliche Entscheidung des Patienten für einen Arzt und eine Art ihn zu behandeln, und zwischen Durchreichen zum Facharzt und dem Versuch der Allbehandlung aus einer Hand gibt es für den Arzt das ernste, ergebnisoffene Gespräch mit dem Patienten über Sinn und Perspektive einer (weiteren) Zusammenarbeit.

Brüderlichkeit: Es wäre viel gewonnen, wenn Patienten sich nicht abgefertigt und Ärzte sich nicht benutzt fühlen müssten/würden. Respekt vor dem Mitmenschen im Gegenüber, gleichgültig in welcher Rolle (-nkombination), wäre optimaler Weise eine selbstverständliche Basis.

 

Evidenzbasierte Medizin mit ihrer Forderung nach randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studien und viele Verfahren der Komplementärmedizin stehen ja sozusagen auf dem Kriegsfuß. Haben Sie einen Lösungsvorschlag?

Elbing: Siehe Fragen 1 und 4. Um die höchstmögliche Qualität in der jeweiligen Methodik kommt auf die Dauer keiner herum, und das ist im Interesse der Patienten auch gut so. Das fördert auch die Achtung vor der Leistung der Forschenden in den jeweils anderen Methoden. Das Ringen um Definition und Kriterien der erforderlichen Qualität in der jeweiligen Methodik gehört auch dazu.

 

Welche Maßnahme reißt Sie aus dem Stimmungstief?

Elbing: Kontakt mit einem lieben Menschen, nötigenfalls auch (nur) per Telefon. Weitere Zutaten sind willkommen: Etwas gemeinsam tun, das beiden gut tut, gerne abgerundet durch gutes Essen und guten Wein.

 

Kennen Sie eine humorige Anekdote aus dem Ärztestand oder der Medizinwelt?

Elbing: Ich habe durchaus Sinn für schwarzen Humor. Patientenaufklärung: „Wenn Sie die vier Jahreszeiten nochmal sehen wollen, sollten Sie eine Pizza bestellen!“

 

Sind Sie Mitglied von Natur und Medizin und wenn ja, warum?

Elbing: Nein.

 

Lieber Herr Professor Elbing, vielen Dank für das Interview.

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Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Elbing
ist Professor für Kunsttherapie-Forschung und Leiter des Instituts für Forschung und Entwicklung in den Künstlerischen Therapien, Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, seit 1986 engagiert in der zunächst psychotherapeutischen und heilpädagogischen Verlaufsforschung und Dokumentationsentwicklung, seit 1996 engagiert in der Kunsttherapie-Forschung mit Forschungsberatung und eigenen Projekten, seit 2002 Professor für Kunsttherapie-Forschung. Aktueller Schwerpunkt: Erschließung, Sicherung und Anwendung praktisch kunsttherapeutischer Expertise in der Frühdiagnose von Demenz.

Psychologischer Psychotherapeut und lehrender Transaktionsanalytiker, Schwerpunkt: Schwere Verhaltensstörungen in Verbindung mit psychotischen und psychotraumatischen Erlebensweisen.

Professor Ulrich Elbing auf der Homepage der HfWU in Nürtingen-Geislingen.

Publikationen der letzten fünf Jahre – Kunsttherapie

Hamberger, Ch., Hamdorf, T.D., Junker, J., Elbing, U., u. Oster, J. (2013). Berufsgruppenanalyse künstlerische Therapeutinnen und Therapeuten (BgA-KT). Hintergründe, Zielstellung und Aufruf. Musiktherapeutische Umschau, 34(1), 48-60.

Hopf, A., Elbing, U., Heußner, P.,  Büssing, A. (2014). An Art Therapy Intervention in Oncology (KSKT®) using Collage for strengthening self-ascribed Autonomy (German: Kurze Strukturierte Kunst Therapie (KSKT®) short structured art therapy). Art Therapy Online (ATOL), 5 (1).

Hopf, A., Heußner, P., Elbing, U., Büssing, A. (2012): Stabilizing and Supporting Inpatients Autonomy as a Therapy Purpose of an Art Therapy Intervention in Psycho-Oncology, (German: kurze strukturierte Kunsttherapie (KSKT®)/short structured art therapy), Poster, erscheint im Supplementheft zur Zeitschrift ONKOLOGIE-International Journal for Cancer Research and Treatment DGHO 2012.

Junker, J., Bader, R. & Elbing, U. (2014). Zeitsprünge. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kunsttherapie (= Kontext Kunst Therapie, Bd. 4). Nürtingen: Verlag und Galerie für Kunst und Kunsttherapie.

Müller, S., Preische, O., Heymann, P., Elbing, U. und Laske, C. (2017). Diagnostic Value of a Tablet-Based Drawing Task for Discrimination of Patients in the Early Course of Alzheimer’s Disease from Healthy Individuals. Journal of Alzheimer’s Disease, 55(4), 1463-1469. Abstract

Müller, S., Preische, O., Heymann, P., Elbing, U. und Laske, C. (2017): Increased Diagnostic Accuracy of Digital vs. Conventional Clock Drawing Test for Discrimination of Patients in the Early Course of Alzheimer’s Disease from Cognitively Healthy Individuals Front. Aging Neurosci., 11 April 2017 Abstract 

Publikationen der letzten fünf Jahre – Heilpädagogik und Psychiatrie

Elbing, U. (2014). Nichts passiert aus heiterem Himmel. Transaktionsanalyse und herausforderndes Verhalten (4., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage). Dortmund: verlag modernes lernen.

Elbing, U., Jecht-Hennig, G., Seidenfus, Ch., Rottler, E. u. Wietersheim, J.v. (2014). Transaktionsanalyse. Pilotstudie zu spezifischen Elementen und Wirksamkeit. Psychotherapeut online, Abstract