Forschungsprojekt erfolgreich: KIM bei Zivilisationskrankheiten
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Integrative Medizin Komplementärmedizin Forschung
Mit ihrem Habilitationsprogramm möchte die Carstens-Stiftung Erkenntnisse zur Prävention und Behandlung von Zivilisationskrankheiten gewinnen und gleichzeitig die Nachwuchslücke in der universitären Komplementär- und Integrativmedizin (KIM) schließen. Privatdozent Dr. Michael Jeitler, Studienarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hat nun als zweiter von sechs Geförderten seine Habilitation erfolgreich abgeschlossen. Sein Forschungsprojekt umfasst drei Studien.
Was sind Zivilisationskrankheiten?
Zivilisationskrankheiten sind insbesondere chronische Erkrankungen, deren Auftreten wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Lebensgewohnheiten in Industrieländern steht. Hierzu zählen etwa Herzkreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2 und stress-assoziierte Beschwerden wie Schlafstörungen und anhaltende Erschöpfung. Betroffene sind sowohl in ihrer Lebensqualität, als auch -erwartung eingeschränkt. Weltweit gelten Zivilisationskrankheiten als Todesursache Nr. 1 und sorgen damit nicht nur für viel menschliches Leid, sondern stellen auch eine Belastung für unser gesamtes Sozialsystem dar. Im Rahmen des Habilitationsprogramms der Carstens-Stiftung trug und trägt Dr. Jeitler dazu bei, Lösungen für diese Herausforderung zu finden – mit drei naturheilkundlichen Ansätzen. (1,2)
1. Studie: Pflanzenbasierte Ernährung für ProbandInnen mit kardiovaskulären Risikofaktoren
Hauptfragestellung dieser Studie war, ob eine pflanzenbasierte Ernährung der omnivoren Ernährung (Mischkost) bei der Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren, des psychoaffektiven Befindens und der Lebensqualität überlegen ist.
Zur Überprüfung wurde eine randomisiert kontrollierte klinische Studie mit zwei Armen durchgeführt: Die Interventionsgruppe erhielt über acht Wochen eine Ernährungsberatung zur Etablierung einer pflanzenbasierten Ernährung; in der Wartelisten-Kontrollgruppe sollten die Teilnehmer ihre bisherige Ernährung weiterführen. Insgesamt 70 ProbandInnen konnten in die Studie eingeschlossen werden.
Es zeigten sich günstige kardiometabolische Effekte auf ausgewählte Zielparameter (insbesondere Langzeitblutzucker HbA1c, Körpergewicht, Taillenumfang u.a.) und eine günstigere Nährstoffzusammensetzung der TeilnehmerInnen in der pflanzenbasierten Gruppe. (3)
Im Zuge der Datenauswertung sind teilweise bereits entstanden bzw. werden zeitnah entstehen zwei Doktorarbeiten, eine Bachelor- und eine Masterarbeit. Bisherige Veröffentlichungen umfassen die ernährungswissenschaftliche Analyse der Ernährungsprotokolle (3) sowie ausgewählte Gesundheitsdaten (4). Weitere wissenschaftliche Publikationen werden folgen.
2. Studie: Effekte von Yoga und Entspannungstechniken auf Stressempfinden und Lebensqualität
Hauptziel dieser Studie war die Messung der Effekte dreier Verfahren zur Stressreduktion bei ProbandInnen mit Disstress: 1.) als „Integratives Yoga“-Programm, das meditative und psychoedukative Bestandteile entsprechend der traditionellen Yoga-Praxis aufweist im Vergleich zu 2.) einem etablierten, vorwiegend körperbetonten Yogaprogramm ohne diese Anteile (Iyengar-Yoga) und 3.) einem auf Achtsamkeit (mindfulness) ausgerichteten Training zum gesunden Umgang mit Stress über insgesamt 12 Wochen (einmal wöchentlich 90 Minuten). Insgesamt konnten 104 ProbandInnen in die Studie eingeschlossen werden.
Eine ausgeprägte Stressreduktion wurde in allen Gruppen beobachtet. Auch in den sekundären Endpunkten (Achtsamkeit, Lebensqualität, körperliche Beschwerden u.a.) konnten günstige, teilweise große Effekte dargestellt werden, jedoch mit nur wenigen Unterschieden zwischen den Gruppen. Zusammenfassend erwiesen sich die drei Mind Body-Interventionen als gleichermaßen wirksame Methoden zur Stressreduktion.
Aus diesem Teilprojekt entstand u.a. eine Masterarbeit; eine Doktorarbeit ist in Fertigstellung. Die letzterer zugrundeliegenden Daten wurden bereits in einem Fachjournal publiziert. (5)
3. Studie: Yoga bei Brustkrebserkrankungen
Krebserkrankungen verursachen neben den krankheitsbedingten Beschwerden und den Belastungen der Primärtherapie häufig starke psychosoziale und körperliche Beschwerden, die noch lange nach Abschluss der konventionellen Krebstherapie anhalten können. Die psychischen Belastungen bringen zusätzlichen Stress in eine Situation, in der die Betroffenen alle emotionalen Ressourcen benötigen, um mit der Erkrankung umzugehen. Daher prüft die dritte Studie, ob zwei Yogainterventionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Vergleich zur Standardbehandlung Vorteile für Patientinnen mit Brustkrebs bietet. Untersucht wird der Effekt auf die Parameter Lebensqualität und Fatigue, Angst und Depression, Schlaf u.a.
Interventionsgruppe 1 erhält hierzu eine vor allem körperlich fokussierte Iyengar Yoga-Intervention im Gruppensetting, Interventionsgruppe 2 erhält eine meditativ-spirituell ausgerichtete Yoga-Intervention basierend auf Entspannungsübungen in Kombination mit Mantrarezitationen und Meditationen im Gruppensetting. Gruppe 3 besteht aus einer Wartelisten-Kontrollgruppe, verbunden mit dem Angebot einer Yogaintervention nach Abschluss der Erhebungen. Die Beobachtungszeit aller Gruppen beträgt insgesamt vier Monate (zwei Monate Interventionsdauer, zwei Monate Nachbeobachtungszeit). Die Yogasitzungen finden in dem Interventionszeitraum acht Mal statt und dauern etwa 90 min.
Aufgrund der Corona-Pandemie musste der Studienstart mehrfach verschoben werden. Bislang wurden 23 Probandinnen in die Studie eingeschlossen, geplant ist eine Teilnehmerzahl von 100. Daher werden auch in 2024 noch Patientinnen mit Zustand nach Brustkrebs im Berliner/Brandenburger Raum rekrutiert (Details zur Teilnahme).
Krebs und therapiebedingte Nebenwirkungen
Die konventionelle Krebstherapie sinnvoll ergänzen und deren Nebenwirkungen mildern
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Annette Kerckhoff · Günther Spahn
ISBN: 978-3-945150-60-3
Erscheinungsjahr: 2016, 3. Aufl.
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Zum Shop »Habilitation
Das Habilitationsverfahren wurde im November 2023 erfolgreich abgeschlossen. PD Dr. Michael Jeitler erlangte damit die Lehrberechtigung und kann auf eine Professur berufen werden. Die Publikationsliste aller habilitationsrelevanten Arbeiten, die in Peer-Review Fachjournalen eingereicht wurden bzw. bereits veröffentlicht sind, ist auf Pubmed (6) einsehbar. Seine Habilitationsschrift ist ebenso online abrufbar. (7)
Literatur zu "Forschungsprojekt erfolgreich: KIM bei Zivilisationskrankheiten"
1) Vorangegangener Bericht von 2020: Drei Studien zur Integrativen Medizin bei Zivilisationskrankheiten. Link
2) Interview mit Dr. Jeitler von 2021: Zivilisationskrankheiten begegnen. Link
3) Dressler J, Storz MA, Müller C, Kandil FI, Kessler CS, Michalsen A, Jeitler M. Does a Plant-Based Diet Stand Out for Its Favorable Composition for Heart Health? Dietary Intake Data from a Randomized Controlled Trial. Nutrients. 2022 Nov 1;14(21):4597. doi: 10.3390/nu14214597. PMID: 36364858; PMCID: PMC9656677. Link
4) Morassi Sasso, A., Datta, S., Jeitler, M., Steckhan, N., Kessler, C. S., Michalsen, A., Bert, A., Boettinger, E.: HYPE: Predicting Blood Pressure from Photoplethysmograms in a Hypertensive Popula-tion. In: Michalowski M., Moskovitch R. (eds) Artificial Intelligence in Medicine. AIME 2020. Lecture Notes in Computer Science, vol 12299. Springer, Cham. Link
5) Fischer JM, Kandil FI, Kessler CS, Nayeri L, Zager LS, Rocabado Hennhöfer T, Steckhan N, Koppold-Liebscher DA, Bringmann HC, Schäfer T, Michalsen A, Jeitler M. Stress Reduction by Yoga versus Mindfulness Training in Adults Suffering from Distress: A Three-Armed Randomized Controlled Trial in-cluding Qualitative Interviews (RELAX Study). J Clin Med. 2022 Sep 26;11(19):5680. doi: 10.3390/jcm11195680. PMID: 36233548; PMCID: PMC9570550. Link
6) PubMed: Autorschaft PD Dr. Michael Jeitler. Link
7) Jeitler M. Naturheilkunde, Komplementäre und Integrative Medizin bei chronischen Erkrankungen. Habilitationsschrift, 2023. Link