Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann – was leisten Arzneipflanzen?
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Integrative Medizin Komplementärmedizin Naturheilkunde
In etwa der Hälfte der Fälle eines unerfüllten Kinderwunsches spielt männliche Unfruchtbarkeit eine Rolle und für 20-30% der Fälle ist sie sogar die ausschlaggebende Ursache. [1,2] Die Fruchtbarkeit des Mannes hängt dabei vor allem von der Spermienanzahl und der Spermienqualität, d.h. ihrer Beweglichkeit und Morphologie, ab. Ist einer dieser Faktoren beeinträchtigt, kann dies zu einer verminderten Fruchtbarkeit bis hin zur Unfruchtbarkeit führen [3,4], sodass in der Therapie genau hier angesetzt werden sollte.
Die Europäische Gesellschaft für Urologie (EAU) hält hierfür Verfahren der traditionellen, komplementären und integrativen Medizin für einen geeigneten Ansatz [5] und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürwortet den Einsatz von Arzneipflanzen, spricht sich aber gleichzeitig für verstärkte Forschung aus, um eine sinnvolle Nutzung zu gewährleisten [6]. Welche Heilpflanzen sich zur Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit eignen könnten und wie die Forschungslage aussieht, das untersuchte eine Übersichtsarbeit aus dem Iran. [7]
20 Studien mit 11 pflanzlichen Präparaten
Hierfür wurden zwischen 2000-2017 in englischer Sprache publizierte wissenschaftliche Arbeiten betrachtet. Gesichtet wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), welche die Wirkung von Arzneipflanzen auf Spermaeigenschaften, Hodenfunktion und Probleme des männlichen Reproduktionssystems zum Gegenstand hatten. Ein weiteres Kriterium war, dass diese Wirkung jeweils mit Placebo, einer nicht-pflanzlichen Behandlung oder keiner Behandlung verglichen worden sein musste.
Eingeschlossen wurden letztlich 20 RCTs mit einer jeweiligen Probandenzahl zwischen 20-260, resultierend in insgesamt 1519 Individuen. Die ausgewählten Studien waren Placebo-, Ginseng- und Vortest-kontrolliert und prüften folgende Arzneipflanzen: Ashwagandha (5 Studien), Safran (3), Ginseng (2), Nigella sativa (2), Palm-Pollen (2), Alpinia officinarum (1), Andrographis paniculata (1), Mucuna pruriens (1), Sesam (1) sowie die traditionellen pflanzlichen Mischungen ADOFON (1) und TOPALAF (1). Die Dauer der Interventionen schwankte zwischen 10 Tagen und 26 Wochen, wobei sie bei dem Großteil von 14 Studien drei Monate betrug.
Raum für Eigensinn
Beiträge u.a. aus der Medizin, der qualitativen Sozialforschung, der Frauengesundheit und der Patientenberatung
Beiträge u.a. aus der Medizin, der qualitativen Sozialforschung, der Frauengesundheit und der Patientenberatung
Bettina Berger
ISBN: 978-3-86864-006-9
Erscheinungsjahr: 2011
19,80 EUR
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In allen RCTs, bis auf einer, zeigten sich positive Wirkungen der verabreichten Pflanzen auf die männliche Fruchtbarkeit, Spermaeigenschaften und Sexualfunktion. Hinsichtlich der Spermaeigenschaften wurde in den meisten Arbeiten (15 Studien) eine höhere Spermienanzahl und -beweglichkeit nach dem Einsatz der Arzneipflanzen hervorgehoben. In der Regel wurden keine unerwünschten Neben- oder Nachwirkungen berichtet – im Gegenteil wurden die Pflanzen sogar in acht Studien explizit als sicher bezeichnet. Wenig überraschend, hing der Effekt auf die männliche Fruchtbarkeit dabei jeweils von der Art der Pflanze bzw. der Zusammensetzung des pflanzlichen Mittels, der Dosierung und der Dauer der Intervention ab.
Unterschiede in der Wirkweise
Besonders interessant ist, dass unterschiedliche Wirkweisen der jeweiligen Pflanzen diskutiert werden. Manche Studien verweisen darauf, dass Oligosaccharide als aktive Bestandteile von fruchtbarkeitssteigernden Arzneipflanzen generell die Fähigkeit haben, die DNA menschlicher Spermazellen vor Schaden zu schützen [8]. Spezifisch für Mucuna pruriens wurde berichtet, dass die Pflanze u.a. die Bildung von Testosteron und dem luteinisierenden Hormon (LH) förderte, während es die Bildung des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und Prolaktins verringerte [9]. Mikroelemente des Palm-Pollens verbesserten u.a. die Akrosomreaktion und Lipidperoxidation [10]. Safran reduzierte nicht nur oxidativen Stress und stärkte damit das Immunsystem, sondern erhöhte so auch die Lebensspanne von Samenzellen [11]. Außerdem förderte Safran durch Stimulation von FSH, LH und Testosteron die Spermatogenese [12]. Die in den meisten Studien untersuchte Ashwagandha wirkte sich nicht nur auf Hormone aus, die im direkten Zusammenhang mit der Samenqualität stehen, sondern die Wurzeln beinhalten u.a. Alkaloide, Tryptophan und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) – damit eignet sich diese Pflanze vor allem zur Behandlung von Stress-verursachter Unfruchtbarkeit [13]. Nigella sativa werden hingegen antioxidative Eigenschaften zugeschrieben und es wird vermutet, dass Antioxidantien die Spermatogenese verbessern [14].
Fazit
Eine Schwäche der vorliegenden Arbeit liegt in der Auswahl der einbezogenen Studien, denn einige können nur eine sehr geringe Probandenzahl (20) vorweisen. Laut der Autor*innen wäre zudem ab und an eine höhere methodische Qualität wünschenswert gewesen. Natürlich könnte man in kommenden Übersichtsarbeiten auch die Beschränkung auf die englische Sprache aufgeben.
Eine Stärke ist jedoch das Aufzeigen der unterschiedlichen Wirkmechanismen der eingesetzten Arzneipflanzen, denn je nach Ursache und Ausprägung der männlichen Unfruchtbarkeit könnten bestimmte Pflanzen besser für eine Therapie geeignet sein als andere. Sicher lohnt es sich, diesen Aspekt in weiteren Studien zu berücksichtigen.
Literatur zu "Fruchtbarkeitsstörungen beim Mann – was leisten Arzneipflanzen?"
(1) Agarwal A, Roychoudhury S, Bjugstad KB, Cho C-L. Oxidation-reduction potential of semen: what is its role in the treatment of male infertility? Ther Adv Urol. 2016;8:302–18. Link
(2) Hosseini H, Abdi F. Experiences of vasectomy: A phenomenological study. N Am J Med Sci. 2012;4:619–23. Link
(3) Oyeyemi M. O, Olukole S. G, Esan O. Sperm morphological studies of West African Dwarf Bucks treated with pumpkin plant (Cucurbita pepo). Int J Morphol. 2008;26:121–6. Link
(4) Roozbeh N, Rostami S, Abdi F. A Review on herbal medicine with Fertility and Infertility characteristics in Males. IJOGI. 2016;19:18–32. (Persian) Link
(5) Nejatbakhsh F, Shirbeigi L, Rahimi R, Abolhassani H. Review of local herbal compounds found in the Iranian traditional medicine known to optimise male fertility. Andrologia. 2016;48:850–9. Link
(6) Nantia E, Moundipa PF, Monsees TK, Carreau S. Medicinal plants as potential male anti-infertility agents: a review. Androl . 2009;19:148–58. Link
(7) Roozbeh N, Amirian A, Abdi F, Haghdoost S. A Systematic Review on Use of Medicinal Plants for Male Infertility Treatment. J Family Reprod Health. 2021 Jun;15(2):74-81. doi: 10.18502/jfrh.v15i2.6447. PMID: 34721595; PMCID: PMC8520662. Link
(8) Chen DL, Li N, Lin L, Long HM, Lin H, Chen J, et al. Confocal mirco-Raman spectroscopic analysis of the antioxidant protection mechanism of the oligosaccharides extracted from Morinda officinalis on human sperm DNA. J Ethnopharmacol. 2014;153:119–24.Link
(9) Shukla KK, Mahdi AA, Ahmad MK, Shankhwar SN, Rajender S, Jaiswar SP. Mucuna pruriens improves male fertility by its action on the hypothalamus-pituitary-gonadal axis. Fertil Steril. 2009;92:1934–40. Link
(10) Bahmanpour S, Talaei T, Vojdani Z, Panjehshahin MR, Poostpasand A, Zareei S, et al. Effect of Phoenix dactylifera pollen on sperm parameters and reproductive system of adult male rats. Iran J Med Sci. 2006;31:208–212. Link
(11) Cao L, Leers-Sucheta S, Azhar S. Aging alters the functional expression of enzymatic and non-enzymatic anti-oxidant defense systems in testicular rat Leydig cells. J Steroid Biochem Mol Biol. 2004;88:61–7. Link
(12) Nazem H, Modaresi M, Messripour M, Marghmaleki MA, Ebadi AG. Effect of Saffron Extract on Pituitary-Testis Axis in Mice. Asian Journal of Chemistry. 2009;21:1616–18. Link
(13) Mahdi AA, Shukla KK, Ahmad MK, Rajender S, Shankhwar SN, Singh V, et al. Withania somnifera improves semen quality in stress-related male fertility. Evid Based Complement Alternat Med. 2009;2011:576962. Link
(14) Walczak–Jedrzejowska R, Wolski JK, Slowikowska–Hilczer J. The role of oxidative stress and antioxidants in male fertility. Cent European J Urol. 2013;66:60–7. Link