Demenz-Prävention: Grüner Tee oder Kaffee für das Gehirn?
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Demenz Phytotherapie
Möglichkeiten, einer Demenz vorzubeugen – insbesondere nicht-pharmakologische, nebenwirkungsarme Maßnahmen – werden händeringend gesucht. Gehört der regelmäßige Konsum von Grünem Tee und/oder Kaffee dazu?
Grüner Tee und Kaffee enthalten Koffein, Polyphenole und Vitamine, denen neuroprotektive Eigenschaften nachgesagt werden. (2-7) Erhöhter Tee-Konsum wurde bereits mit einer reduzierten jährlichen Hippocampus-Atrophie (Rückbildung) in Verbindung gebracht (8), regelmäßiger Kaffee-Konsum mit höherer kortikaler Dicke (9). Der umgekehrte Fall, sogenannte Läsionen (Schädigungen) der weißen Hirnsubstanz, stellt ein Risiko für Alzheimer sowie Demenz im Allgemeinen dar. (10-13) Verringert der regelmäßige Konsum von Grünem Tee und/oder Kaffee also dieses Risiko?
Umfangreiche Datenbasis
Dieser Frage gingen nun WissenschaftlerInnen aus dem Land der aufgehenden Sonne nach. (1) Dazu werteten sie Daten der Japan Prospective Studies Collaboration for Aging and Dementia (14-16) aus, wobei sie die Datenbasis auf 8.766 Menschen im Alter von 65 Jahren oder höher eingrenzten, die im eigenen Haushalt lebten (im Gegensatz z.B. zu Pflegeeinrichtungen) und keine Demenz-Diagnose hatten. Die Ernährungsgewohnheiten wurden durch Fragebögen erfasst, mittels Magnetresonanztomographie (MRI) wurden die Gehirne untersucht.
Grüner Tee: geringere Läsionen
Rund 92% der ProbandInnen tranken regelmäßig Grünen Tee, 82% regelmäßig Kaffee. Im Detail bedeutet das: Der Median (Interquartilsabstand) für Grünen Tee lag bei 450 (150-750) ml am Tag und für Kaffee bei 150 (rund 43-300) ml. Setzte man den Getränke-Konsum nun ins Verhältnis zur Gehirnbeschaffenheit, zeigte sich: Das Läsionsvolumen, sozusagen die „Verlustmasse“, weißer Hirnsubstanz im Verhältnis zur Gesamtgehirnmasse nahm mit steigendem Konsum von Grünem Tee graduell ab. Effekte waren bereits ab 200 ml (etwa 1 Glas) täglich sichtbar – bei 600 ml (3 Gläsern) war der Verlust im Vergleich dazu nochmal um 3% geringer und bei 1.500 ml (7-8 Gläsern) um 6%.
Mit dem Kaffee-Konsum konnten hingegen keine signifikanten Effekte in Zusammenhang gebracht werden.
Demenz – Prävention und Therapie
Ein Querschnitt durch Wissenschaft und Praxis der komplementären Demenzbehandlung in 25 Essays
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ISBN: 978-3-945150-99-3
Erscheinungsjahr: 2019
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Im Falle des Grünen Tee-Konsums blieben die Unterschiede im Läsionsvolumen selbst dann signifikant, wenn man ProbandInnen mit MCI, die vielleicht stärker profitieren könnten, aus der Analyse ausschloss (als MCI wird eine leichte kognitive Beeinträchtigung bezeichnet, die eine Vorstufe zur Demenz darstellt). Anders sah es für die beiden Alzheimer-Risikofaktoren Depressivität und das Gen ApoE-e4 aus: Bei Menschen, die an einer Depression litten oder das ApoE-e4-Gen trugen, wirkte sich der Konsum von Grünem Tee ebenso wie der von Kaffee nicht signifikant auf die Läsionen weißer Hirnmasse aus.
Einschätzung
Der regelmäßige Genuss von Grünem Tee könnte durchaus eine Maßnahme sein, den Erhalt der eigenen geistigen Gesundheit zu unterstützen. Vor dem Hintergrund dieser Studie wäre er dabei dem täglichen Kaffee vorzuziehen.
Eine Antwort auf das „warum?“ liefert die Arbeit allerdings nicht abschließend. Die AutorInnen verweisen lediglich auf einen möglichen Erklärungsansatz: Bluthochdruck gilt als einer der stärksten Risikofaktoren für Läsionen von weißer Hirnsubstanz – und Grünem Tee wurde bereits eine blutdrucksenkende Wirkung nachgewiesen. (17,18) Im Vergleich zu Kaffee enthält er weniger Koffein, welchem wiederum eine eher blutdrucksteigernde Wirkung attestiert wird. (19)
Zu den Stärken der Studie gehört die große Datenbasis von fast 9.000 Individuen, eine Schwäche ist die Begrenzung auf Japan. Lassen sich die Ergebnisse eins zu eins auf z.B. EuropäerInnen übertragen? Ebenso ist die Zubereitung beider Getränke nicht genormt gewesen, sodass keine klare Aussage über den Gehalt bioaktiver Substanzen im Grünen Tee oder im Kaffee getroffen werden kann. Interessant wären auch Untersuchungen der Wirkung unterschiedlicher Tee- und Kaffee-Sorten.
Literatur zu "Demenz-Prävention: Grüner Tee oder Kaffee für das Gehirn?"
1) Shibata S, Noguchi-Shinohara M, Shima A, Ozaki T, Usui Y, Taki Y, Uchida K, Honda T, Hata J, Ohara T, Mikami T, Maeda T, Mimura M, Nakashima K, Iga JI, Takebayashi M, Ninomiya T, Ono K; Japan Prospective Studies Collaboration for Aging and Dementia (JPSC-AD) study group. Green tea consumption and cerebral white matter lesions in community-dwelling older adults without dementia. NPJ Sci Food. 2025 Jan 7;9(1):2. doi: 10.1038/s41538-024-00364-w. PMID: 39774601; PMCID: PMC11707279. Link
2) Noguchi-Shinohara, M. et al. Consumption of green tea, but not black tea or coffee, is associated with reduced risk of cognitive decline. PLoS One 9, e96013 (2014). Link
3) Shirai, Y. et al. Green tea and coffee intake and risk of cognitive decline in older adults: the National Institute for Longevity Sciences, Longitudinal Study of Aging. Public Health Nutr. 23, 1049–1057 (2020). Link
4) Matsushita, N. et al. Association of coffee, green tea, and caffeine with the risk of dementia in older Japanese people. J. Am. Geriatr. Soc. 69, 3529–3544 (2021). Link
5) Liu, Q. P. et al. Habitual coffee consumption and risk of cognitive decline/dementia: A systematic review and meta-analysis of prospective cohort studies. Nutrition 32, 628–636 (2016). Link
6) Feng, L. et al. Cognitive function and tea consumption in community dwelling older Chinese in Singapore. J. Nutr. Health Aging 14, 433–438 (2010). Link
7) Zhang, Y. et al. Consumption of coffee and tea and risk of developing stroke, dementia, and poststroke dementia: A cohort study in the UK Biobank. PLoS Med. 18, e1003830 (2021). Link
8) Zhang, S. et al. Green tea consumption is associated with annual changes in hippocampal volumes: A longitudinal study in community-dwelling middle-aged and older Japanese individuals. Arch. Gerontol. Geriatr. 96, 104454 (2021). Link
9) Mayer, C. et al. Association between Coffee Consumption and Brain MRI Parameters in the Hamburg City Health Study. Nutrients 15, 674 (2023). Link
10) Royse, S. K. et al. Unhealthy white matter connectivity, cognition, and racialization in older adults. Alzheimers Dement. 10, 1483–1496 (2024). Link
11) Habes, M. et al. The brain chart of aging: Machine‐learning analytics reveals links between brain aging, white matter disease, amyloid burden, and cognition in the iSTAGING consortium of 10,216 harmonized MR scans. Alzheimers Dement. 17, 89–102 (2021). Link
12) Habes, M. et al. White matter hyperintensities and imaging patterns of brain ageing in the general population. Brain 139, 1164–1179 (2016). Link
13) Puzo, C. et al. Independent effects of white matter hyperintensities on cognitive, neuropsychiatric, and functional decline: a longitudinal investigation using the National Alzheimer’s Coordinating Center Uniform Data Set. Alz. Res. Ther. 11, 64 (2019). Link
14) Ninomiya, T. et al. Study design and baseline characteristics of a population-based prospective cohort study of dementia in Japan: the Japan Prospective Studies Collaboration for Aging and Dementia (JPSC-AD). Environ. Health Prev. Med. 25, 64 (2020). Link
15) Noguchi-Shinohara, M. et al. Diabetes Mellitus, Elevated Hemoglobin A1c, and Glycated Albumin Are Associated with the Presence of All-Cause Dementia and Alzheimer’s Disease: The JPSC-AD Study. J. Alzheimers Dis. 85, 235–247 (2022). Link
16) Shima, A. et al. Glucose metabolism and smaller hippocampal volume. NPJ Aging 10, 39 (2024). Link
17) Mahdavi-Roshan, M., Salari, A., Ghorbani, Z. & Ashouri, A. The effects of regular consumption of green or black tea beverage on blood pressure in those with elevated blood pressure or hypertension: A systematic review and meta-analysis. Complement. Ther. Med. 51, 102430 (2020). Link
18) Peng, X. et al. Effect of green tea consumption on blood pressure: A meta-analysis of 13 randomized controlled trials. Sci. Rep. 4, 6251 (2014). Link
19) Stangl, V., Lorenz, M. & Stangl, K. The role of tea and tea flavonoids in cardiovascular health. Mol. Nutr. Food Res. 50, 218–228 (2006). Link