Komplementäre und
Integrative Medizin
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Studien kurz und knapp

Wird leichter Bluthochdruck zu oft behandelt?

Von Michèl Gehrke

Herz-Kreislauf Bluthochdruck

Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkungen: Eine Cochrane-Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die medikamentöse Therapie von mildem Bluthochdruck keinen erwiesenen Nutzen für die Patienten hat – und stößt auf Kritik.

Viele Menschen in der westlichen Welt leiden an Bluthochdruck. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um eine milde Form des Bluthochdruckes: der systolische Wert liegt zwischen 140 und 159 und der diastolische Wert zwischen 90 und 99 mmHg. Häufig erhalten bereits Patienten mit solchen leicht gesteigerten Werten blutdrucksenkende Medikamente. Eine Untersuchung der Cochrane Collaboration (1) stellt diese Vorgehensweise nun infrage.

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In die Analyse einbezogen wurden vier Studien mit insgesamt 8912 Patienten. Diese litten an mildem Bluthochdruck, waren aber nicht herzkrank. Die Patienten waren für eine Zeitspanne zwischen vier und fünf Jahren mit unterschiedlichen blutdrucksenkenden Medikamenten oder Placebo behandelt worden. Ergebnis: kein signifikanter Unterschied in der Zahl der Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Todesfälle. Dagegen brachen 9% der Patienten aus den Medikamentengruppen die Behandlung auf Grund von Nebenwirkungen ab. Ob der Nutzen einer medikamentösen Behandlung von leichtem Bluthochdruck einen möglichen Schaden aufwiegt, bleibe somit ungeklärt.

"Ärzte, die Patienten mit leichtem Bluthochdruck behandeln, denken vermutlich, dies würde auf der Basis sehr guter wissenschaftlicher Beweise geschehen", so Mitautor David Cundiff gegenüber dem Online-Informationsdienst heartwire (2). "Jetzt wissen sie, dass das nicht der Fall ist." Cundiff verweist auf eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung, um gegen den leicht erhöhten Blutdruck vorzugehen.

Allerdings stößt die Cochrane-Untersuchung auch auf Widerspruch. Gegenüber dem Online-Magazin Slate (3) kritisierte der Präsident der American Society of Hypertension, William White die zu kleine Basis von nur vier Studien. Außerdem sei die Zahl der berücksichtigten Patienten zu gering und der Beobachtungszeitraum zwischen vier und fünf Jahren zu kurz gewesen, um praxisrelevante Schlussfolgerungen zu ziehen. Nicht zuletzt hänge die hohe Zahl an Therapieabbrüchen damit zusammen, dass in den berücksichtigten Studien vor allem ältere hoch dosierte Diuretika und hoch dosierte Betablocker zum Einsatz kamen, so Suzanne Oparil von der University of Alabama gegenüber heartwire. Die Studien stammten aus den späten 70er- und frühen 90er-Jahren.

White rät Patienten daher davon ab, blutdrucksenkende Medikamente nun auf eigene Faust abzusetzen, da sie verhindern könnten, dass sich aus einem anfangs milden Bluthochdruck ein starker Bluthochdruck mit allen negativen Begleiterscheinungen entwickle.

In einem Punkt stimmen die Kritiker mit dem Fazit der Cochrane-Untersuchung allerdings überein: Auf höchstem Niveau (randomisiert-kontrollierte Studien) liegt noch kein ausreichender wissenschaftliche Beweis für den Nutzen einer Behandlung von mildem Bluthochdruck mit blutdrucksenkenden Mitteln vor.

Literatur

Diao D, Wright J, Cundiff D, Gueyffier F. Pharmacotherapy for mild hypertension. Abstract

heartwire: Meta-analysis challenges drug use in mild hypertension Link

Slate: Most People Who Take Blood Pressure Medication Possibly Shouldn’t Link

Tagesspiegel: Nutzen fraglich Link

Michèl Gehrke

Michèl Gehrke

M.A. Pressesprecher der Karl und Veronica Carstens-Stiftung

Telefon: 0201 56 305 61

E-Mail: m.gehrke@carstens-stiftung.de