Yoga statt Smartphone
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Achtsamkeit
Wir werden in unserem Alltag zunehmend abhängig von moderner Informationstechnologie, manche sprechen gar von der „digitalen Versklavung“ (2). Einer weniger dramatisch formulierten Aussage würden wohl die meisten Menschen zustimmen: Um ein Smartphone kommt man heute nicht mehr herum. An sich nicht verwerflich – doch was, wenn es zunehmend schwerer fällt, das Gerät aus der Hand zu legen? Die vorliegende Studie (1) prüft, ob Yoga ein Mittel gegen suchtähnliche Handy-Nutzung sein kann.
Etwa 73% der Weltbevölkerung ab einem Alter von 10 Jahren besitzt ein Mobiltelefon, die große Mehrheit davon sind aktive Internet-Nutzer*innen. (3) Mit diesen Zahlen geht ein zunehmender Konsens darüber einher, dass es problematische Nutzungsformen des Smartphones gibt, welche Merkmale einer Sucht aufweisen. Smartphone-Sucht kann u.a. die Gehirn-Funktion negativ beeinflussen (4) sowie Depressionen und Angsterkrankungen verschärfen (5,6). Mit dem sog. “Problematic Use of Mobile Phone (PUMP) scale“ (7) existiert ein Messinstrument, um die Smartphone-Nutzung einzuschätzen. Der Selbstauskunftsbogen umfasst 20 Aussagen, denen jeweils in einer 5er-Abstufung (nicht-)zugestimmt werden soll. Die Aussagen zielen auf zehn Anzeichen (Items) ab, die typischerweise auch bei einem Substanzmissbrauch vorkommen: Toleranz/Gewöhnung, Abstinenz/Entzug, längere Nutzung als intendiert, Zeitaufwand, Verlangen, Aufgabe/Reduzierung anderer Aktivitäten, Gebrauch trotz physischer oder psychischer Probleme, Vernachlässigung/Versagen von Rollen/Verpflichtungen, Nutzung in gesundheitlich riskanten Situationen und Gebrauch trotz sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme. Eine deutsche Fassung des PUMP kann hier eingesehen werden; die erreichbare Punktzahl reicht von 20 bis 100, wobei höhere Werte eine größere Abhängigkeit indizieren.
Yoga als Mittel der Selbst-Regulierung und Achtsamkeit trägt zu emotionaler Stabilität bei und könnte ein vergleichsweise einfaches wie kostengünstiges Mittel gegen Sucht-Symptome darstellen. Die vorliegende Studie prüft daher eine Yoga-Intervention an einer Bevölkerungsgruppe, die besonders anfällig für Smartphone-Sucht ist: Hochschulstudent*innen.
Raucherentwöhnung
Bausteine zur Entwöhnung, praktische Tipps zur naturheilkundlichen Selbsthilfe bei den häufigsten Entzugserscheinungen
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ISBN: 978-3-945150-06-1
Erscheinungsjahr: 2014
6,90 EUR
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Insgesamt 150 Studierende zwischen 18 und 23 Jahren mit einem PUMP-Ergebnis von 55 oder höher wurden in die Studie eingeschlossen und zufällig zwei Gruppen zugewiesen. Den Teilnehmer*innen in der Interventions-Gruppe wurden über einen Zeitraum von zehn Wochen insgesamt 60 jeweils einstündige Yoga-Sessions mit einem erfahrenen Yogalehrer angeboten, also an sechs Tagen in der Woche. Die Sessions umfassten u.a. Yoga-Haltungen, Atemübungen, Entspannung und Meditation. Die Proband*innen in der Kontroll-Gruppe erhielten keine Intervention und sollten während der zehn Wochen einfach ihre normalen Routine-Aktivitäten beibehalten. Die Nachbeobachtungszeit lag bei zwei Monaten, ausgewertet werden konnten die Daten von 67 Teilnehmer*innen aus der Yoga- und 68 aus der Kontroll-Gruppe.
Ergebnisse
Innerhalb der Yoga-Gruppe konnte direkt nach Interventionsende eine signifikante Verbesserung sowohl in allen einzelnen PUMP-Items, als auch der PUMP-Gesamtpunktzahl beobachtet werden. Die Verbesserung blieb für sechs der zehn Items sowie die Gesamtpunktzahl auch zwei Monate später noch signifikant.
Im Vergleich beider Gruppen miteinander erzielte die Yoga-Gruppe nach Interventionsende signifikant bessere Werte sowohl in der Gesamtpunktzahl des PUMPs, als auch in allen einzelnen Items bis auf Zeitaufwand (great deal of time spent). Dies hielt bis zur Nachbeobachtung an, mit dem Unterschied, dass zu diesem Zeitpunkt die Verbesserung bei Zeitaufwand ebenfalls signifikant geworden war, dies für das Item Abstinenz/Entzug (withdrawal) aber nicht mehr galt.
Einschätzung
Ein Verdienst der Studie ist, dass sie auf ein Problem unserer modernen Zeit aufmerksam macht. Anhand der Ergebnisse liegt der Schluss nahe, dass Yoga ein geeignetes Mittel gegen Smartphone-Sucht darstellen könnte, was wenig überrascht.
Zu den Schwächen der Studie zählen die relativ geringe Proband*innen-Zahl und vor allem das Fehlen einer „echten“ Kontroll-Gruppe – es wäre beispielsweise interessant, Yoga mit anderen Achtsamkeits-basierten Interventionen oder regelmäßiger Bewegung (Sport) zu vergleichen. Ebenso sollte die psychische Verfassung der Teilnehmenden Berücksichtigung finden – so sind Persönlichkeitsmerkmale wie Impulsivität oder auch stressige Lebenssituationen häufig ein Auslöser oder zumindest verstärkender Faktor von Suchtverhalten. Abschließend sei angemerkt, dass die Art und Weise der Smartphone-Nutzung noch detaillierter dokumentiert werden könnte, etwa durch das Messen der Bildschirmzeit.
Literatur zu "Yoga statt Smartphone"
1) Thapliyal V, Kushwaha J, Thakur GS. Effect of ten-week yoga intervention on problematic smartphone usage in university students: A randomized controlled trial. J Ayurveda Integr Med. 2025 Sep-Oct;16(5):101199. doi: 10.1016/j.jaim.2025.101199. Epub 2025 Sep 15. PMID: 40957177; PMCID: PMC12466232. Link
2) Billieux J, Maurage P, Lopez-Fernandez O, Kuss D.J, Griffiths M.D. Can Disordered Mobile Phone Use Be Considered a Behavioral Addiction? An Update on Current Evidence and a Comprehensive Model for Future Research. Curr Addict Reports. 2015;2:156–162. doi: 10.1007/s40429-015-0054-y. Link
3) ITU . ITU Publ; 2022. Measuring digital development: Facts and figures. Link
4) Small G.W., Lee J., Kaufman A., Jalil J., Siddarth P., Gaddipati H., et al. Brain health consequences of digital technology use. Dialogues Clin Neurosci. 2020;22:179–187. doi: 10.31887/DCNS.2020.22.2/gsmall. Link
5) Demirci K., Akgönül M., Akpinar A., Report F. Relationship of smartphone use severity with sleep quality, depression, and anxiety in university students. J Behav Addict. 2015;4:85–92. doi: 10.1556/2006.4.2015.010. Link
6) Ratan Z., Parrish A., Zaman S., Alotaibi M., Hosseinzadeh H. Smartphone addiction and associated health outcomes in adult populations: a systematic review. Int J Environ Res Publ Health. 2021;18 doi: 10.3390/ijerph182212257. Link
7) Merlo L.J., Stone A.M., Bibbey A. Measuring problematic mobile phone use: development and preliminary psychometric properties of the PUMP scale. J Addict. 2013;2013:1–7. doi: 10.1155/2013/912807. Link



