Komplementäre und
Integrative Medizin
Zum Hauptinhalt springen Zum Seiten-Footer springen
Tiergestützte Interventionen in Gesundheitseinrichtungen

Tiergestützte Interventionen in Gesundheitseinrichtungen

Von

Veröffentlicht am
Komplementärmedizin Integrative Medizin

Wann immer ein Tier bewusst zum Wohle der Patientin oder des Patienten eingesetzt wird, spricht man von einer tiergestützten Intervention (TGI). Meist geschieht dies als Zusatz zu einer bereits bestehenden Therapie – der besondere Anforderungen an alle Beteiligten stellt.

Die vorliegende Studie aus Hannover (1) gibt einen Einblick in den Status Quo der TGIs in Niedersachsen. Hierzu wurden lokale Anbieter von TGIs sowie Krankenhäuser befragt. Der Fokus lag dabei auf Hygienemaßnahmen.

Online-Befragung von TGI-Anbietern

Über den Bundesverband Tiergestützte Intervention e.V. und weitere Webseiten wurden TGI-Anbieter aus Niedersachsen identifiziert und angeschrieben. Von 305 kontaktierten Personen nahmen 85 an der Online-Umfrage teil. 82% gaben an, TGIs beruflich bzw. in einem professionellen Kontext anzubieten, 13% waren sowohl beruflich als auch ehrenamtlich tätig und nur 5% ausschließlich ehrenamtlich. Ausschlaggebend im Interesse der Studie: 29% der Befragten bieten ihre Dienste in Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäusern – hier vor allem auf psychische Krankheitsbilder spezialisierte Einrichtungen, Rehabilitationskliniken, Pflegeheimen) an.

Die Bezeichnung „Fachkraft für tiergestützte Interventionen“ ist nicht geschützt, aber beinahe alle Anbieter, die mit oder in Gesundheitseinrichtungen arbeiten – 19 von 20 – konnten mindestens ein therapie-orientiertes Training vorweisen, mehr als die Hälfte von ihnen sogar die höchste Qualifikation der International oder European Society for Animal Assisted Therapy.

Insgesamt am häufigsten, d.h. in 86% der Fälle, werden Hunde in der Mensch-Tier-Interaktion eingesetzt. Zwar suchen die meisten Hunde-Besitzer*innen regelmäßig den Tierarzt auf; von den Anbietern, die mit oder in Gesundheitseinrichtungen arbeiten, tun dies ohne konkreten Anlass jedoch nur 39%. Auch scheint dann das Verhalten bzw. mentale wie körperliche Wohlbefinden des Tieres im Kontext der besonderen Aufgabe nur wenig Berücksichtigung zu finden.

Die meisten Richtlinien untersagen das Füttern von rohem Fleisch an Hunde, die in TGIs involviert sind. Dennoch erhalten die Tiere in 82% der Fälle ein in diesem Sinne kritisches Futter, was ein geringes Bewusstsein für Zoonosen-Erreger vermuten lässt. Positiv ist, dass die große Mehrheit der Befragten ihre Hunde quartalsweise entwurmen, was über dem deutschen Durchschnitt liegt. Bedenklich ist jedoch, dass einige Halter*innen zur Abwehr von Ektoparasiten (z.B. Zecken, Flöhe, Läuse) auf für diesen Zweck ungeprüfte Mittel (z.B. Kokosnussöl) zurückgreifen.

Eine Diskrepanz zeigt sich in der Hygiene vor und nach dem Kontakt. Während es für 85% der TGI-Anbieter obligatorisch ist, dass Kund*in oder Patient*in nach dem Besuch ihre Hände reinigen, erachten dies vor dem Kontakt mit dem Tier nur 45% für notwendig. Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Hundepfoten: eine Reinigung vor dem Kontakt ist deutlich häufiger als danach. Hier wird das Risiko einer Erreger-Übertragung vom Menschen auf den Hund vermutlich als gering eingeschätzt – eventuell als zu gering, wenn man bedenkt, dass 95% der Befragten bis zu fünf verschiedene Einrichtungen im Monat besuchen und Erreger auf diese Weise auch zwischen Orten übertragen werden könnten.

Der Großteil der Befragten wünscht sich mehr Unterstützung von der Einrichtung in Bezug auf Hygienemaßnahmen, z.B. die Einbindung in den bestehenden Hygiene-Plan.

Befragung von Krankenhäusern

Von 166 Krankenhäusern in Niedersachsen nahmen 148 an der Umfrage teil, wobei in 88% der Fälle Mitarbeiter*innen des Infektionsschutzes antworteten. In 55% der Einrichtungen ist mindestens ein Tier in der Therapie erlaubt, aber nur in 28% finden die Besuche auf regelmäßiger Basis statt. Hunde sind auch hier die vorherrschende Spezies. Als Fachbereiche, in denen die Tiere zum Einsatz kommen, wurden genannt Psychiatrie, Psychosomatik, Pädiatrie, Geriatrie, Demenz-Versorgung und Palliativmedizin.

Etwa ein Fünftel der Krankenhäuser mit TGIs hatten keinen Standard für die Umsetzung dieser komplementärmedizinischen Maßnahme. Nur acht Häuser (5%) waren sich des relativ neuen Teilhabestärkungsgesetz bewusst, nach welchem Menschen mit Assistenzhunden breiterer Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gewährt wird. Hier zeigt sich ein großer Bedarf der Implementierung dieser gesetzlichen Vorgaben.

Einschätzung

Es besteht unter TGI-Fachleuten weitgehende Übereinkunft darüber, dass Menschen von der Interaktion mit Tieren profitieren. (2-4) Gesundheitseinrichtungen, die das Potenzial nutzen möchten, sollten Standards entwickeln, die den besonderen Anforderungen – vor allem in der Hygiene – gerecht werden. Neben dem Patientenwohl darf dabei auch das Tierwohl nicht aus dem Auge verloren werden.

Es ist ein Verdienst der vorliegenden Studie, auf diese Aspekte aufmerksam zu machen. Eine Schwäche ist, dass die Befragungen während der Covid-Pandemie durchgeführt wurden und explizit der Status vor Corona erfragt wurde. So ist es durchaus möglich, dass zum heutigen Zeitpunkt bereits bessere Hygienevorsorgen getroffen werden.

Literatur zu "Tiergestützte Interventionen in der Patientenversorgung"

1) Wolken S, Dreesman J, Rocker D, Henke-Gendo C. Characteristics of Animal-assisted Interventions in the state of Lower Saxony, Germany, with a focus on hygiene in health care facilities. One Health. 2023 Aug 22;17:100620. doi: 10.1016/j.onehlt.2023.100620. PMID: 38024270; PMCID: PMC10665140. Link

2) AVMA Animal-assisted interventions: Guideline. 2023. Link

3) Human-Animal Bond Research Institute 2022. Link

4) Freeman L.M., Linder D., Mueller M.K., Gibbs D.M. Animal-assisted interventions: how-to guide for facilities. 2016. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61