Komplementäre und
Integrative Medizin
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Morbus Crohn – Stressreduktions- und Lebensstilmodifikations-Programm
Zwischenbericht

Morbus Crohn – Stressreduktions- und Lebensstilmodifikations-Programm

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Magen-Darm Integrative Medizin

Morbus Crohn ist neben Colitis ulcerosa die häufigste chronisch entzündliche Darmerkrankung. In Europa liegt die Prävalenz dieser Erkrankung aktuell bei über 2,2 Millionen Menschen, wobei die Inzidenz in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Aufgrund der zahlreichen Symptome wie Durchfall und Bauchschmerzen ist die Lebensqualität vieler Patient*innen mit Morbus Crohn stark beeinträchtigt.

Die Carstens-Stiftung fördert daher die Erforschung der Wirkung eines multimodalen Stressreduktions- und Lebensstilmodifikationsprogramms auf die Lebensqualität von Betroffenen im Mixed-Method-Design (d.h. mittels Laboruntersuchungen, Befragungen/Interviews und psychologischer Tests). Das Projekt wird von Prof. Dr. Jost Langhorst, Chefarzt der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde der Sozialstiftung Bamberg, geleitet und ist Teil eines Kooperationsprojektes mit dem Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg, das durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege unterstützt wurde.

Randomisiert-kontrollierte Studie

Im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie mit Interventions- und Wartegruppe wurden insgesamt 42 Patient*innen mit Morbus Crohn eingeschlossen. Während die Kontrollgruppe einen 90-minütigen Workshop sowie schriftliche Informationen zu Behandlungs- und Selbsthilfemöglichkeiten erhielt, nahm die Interventionsgruppe über einen Zeitraum von 10 Wochen an dem teilstationären multimodalen Stressreduktions- und Lebensstilmodifikationsprogramm teil. Dabei wurden den Teilnehmenden in einem Tagesklinik-Setting auf dem Fundament der Achtsamkeit die fünf Säulen der modernen Naturheilkunde nach Kneipp in Form von hydro- und phytotherapeutischen Selbsthilfestrategien, mediterraner Vollwerternährung, Bewegungstherapie, Entspannung und Atmung vermittelt, ergänzt durch Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie.

Innovativ an dieser Intervention ist die Komplexität des Programms, das alle Bestandteile einer gesunden Lebensführung integriert und einen starken Fokus auf Eigenverantwortung und Selbstfürsorge legt. Bisherige Therapieansätze in der Routineversorgung bei Morbus Crohn sind in der Regel eindimensionaler auf einzelne kurative Verfahren begrenzt.

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn

Ein naturheilkundliches Gesamtkonzept und Selbsthilfemaßnahmen zu ausgewählten Beschwerden

Annette Kerckhoff · Jost Langhorst

ISBN: 978-3-945150-97-9
Erscheinungsjahr: 2019, 5. Aufl.

6,90 EUR

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Auswirkungen auf die Lebensqualität

Erste Analysen deuten auf eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität, Reduktion der psychischen Symptome und Steigerung der Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden der integrativmedizinischen Tagesklinik gegenüber der Warte-Kontrollgruppe hin. Die Linderung der psychischen Symptome hielt dabei über 6 Monate an. Das Programm könnte demnach potenziell die Lücke, die etwa rein pharmakologische Ansätze hinterlassen, schließen. Die Präsentation der ersten Ergebnisse im November 2021 wurde im Bayerischen Landtag mit großem Interesse aufgenommen.

Machbarkeit unter erschwerten Bedingungen

Um das Programm zukünftig in die Versorgung zu integrieren, ist allerdings auch der Nachweis seiner Machbarkeit von großer Bedeutung. Hierfür sollte insbesondere dessen Verträglichkeit und Akzeptanz durch die Patient*innen erfasst werden.

Leider kam es aufgrund der Corona-Pandemie bei der Durchführung der Studie zu einigen Einschränkungen. Da die Sicherheit der Patient*innen und der Infektionsschutz zu jeder Zeit im Vordergrund standen, konnte mit der Rekrutierung der Teilnehmenden erst im Frühsommer 2020 begonnen werden, sodass sich auch die Termine der Screening-Visiten in der Klinik sowie die Follow-up-Erhebungen verzögerten. Dennoch konnte die geplante Anzahl an Proband*innen in die Studie eingeschlossen werden. Entscheidend war es, den Unsicherheiten und Ängsten der Patient*innen zu begegnen und geeignete Hygiene- und Sicherheitskonzepte zu entwickeln, die auch chronisch Kranken eine Teilnahme ermöglichte. (1)

Lediglich die geplanten endoskopischen Untersuchungen waren aufgrund der Einschränkungen nicht im geplanten Umfang möglich. Allerdings konnte die Studie durch die Hinzunahme des Trier Social Stress Test (TSST) aufgewertet werden. Die ursprünglich geplanten face-to-face-Interviews wurden in telefonische Interviews umgewandelt.

Trier Social Stress Test

Bei diesem Test wurden die Proband*innen gebeten, nach kurzer Vorbereitungsphase einem Komitee aus drei Personen zu einem definierten Thema eine 5-minütige freie Rede zu halten. Die Proband*innen wurden zudem darauf hingewiesen, dass sich die Beobachter auch auf ihr nonverbales Verhalten konzentrieren und eine Videokamera sowie ein Tonbandgerät sie aufzeichnen wird.

Nach dem Gespräch folgte eine weitere Herausforderung. Es galt, eine definierte mathematische Aufgabe zu lösen, wobei nach jedem Fehler wieder von vorne begonnen werden musste. Nach 5 Minuten war auch diese Aufgabe beendet und der Versuchsleiter klärte die Proband*innen darüber auf, dass lediglich eine Stresssituation simuliert werden sollte und die zum Schein durchgeführten Aufnahmen nicht analysiert werden.

Als Stressmarker wurden Blutproben zur Bestimmung der Cortisol-, ACTH-, Prolaktin-Werte, die β-adrenerge Regulierung von IL-1, IL-10 und TNF-α Produktion durch periphere Blutzellen sowie die Herzfrequenz erfasst. Von besonderem Interesse ist hierbei, ob sich die Proband*innen der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe stressresistenter zeigten, da sie möglicherweise Techniken, die sie durch die Teilnahme am Stressreduktionsprogramm erlernt hatten, anwenden konnten.

Qualitative Leitfadeninterviews

Mit 19 Patient*innen aus der Interventionsgruppe wurden qualitative Leitfadeninterviews durchgeführt. Zentral waren dabei die drei Forschungsfragen: Wie nehmen die Patient*innen die Intervention wahr? Von welchen subjektiven Veränderungen berichten sie? Was berichten die Patient*innen über die Möglichkeit, Elemente des Programms in ihren Alltag zu integrieren? Durch seine große Offenheit erlaubte dieser Ansatz, bisher unerwartete Erkenntnisse zu gewinnen und er ermöglichte den Teilnehmenden, ihre eigenen Themen und Meinungen einzubringen. Die Interviews fanden drei Monate nach der Intervention telefonisch statt und hatten eine jeweilige Dauer von 30-60 min. Ausgewertet wurden sie von einem interdisziplinären Forschungsteam aus den Bereichen Psychologie, Soziologie, Biologie und Medizin.

Insbesondere die Struktur und der Ablauf des Programms, z.B. die Kombination aus theoretischem Unterricht und praktischen Übungen wurde positiv bewertet. Die Teilnehmenden berichteten von einer guten Umsetzung der während der Intervention erlernten Elemente (z.B. Stressreduktionstechniken) im Alltag. Im Moment werden die Daten weiter systematisch analysiert und für eine wissenschaftliche Publikation aufbereitet.

Literatur zu "Morbus Crohn – Stressreduktions- und Lebensstilmodifikationsprogramm"

1) Bauer N, Löffler C, Öznur Ö, Uecker C, Keil T, Langhorst J. Mind-body-medicine and comprehensive lifestyle-modification in patients with Crohn's disease-Feasibility of a randomized controlled trial under pandemic circumstances. Front Integr Neurosci. 2022 Aug 23;16:960301. doi: 10.3389/fnint.2022.960301. PMID: 36081609; PMCID: PMC9447476. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61