Komplementäre und
Integrative Medizin
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Essen gegen Depression – die SMILES-Studie

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Depression Ernährung

Dass die Mediterrane Küche sich positiv auf die Gesundheit auswirkt, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Insbesondere zur Vorbeugung von kardiovaskulären Erkrankungen wird die Mittelmeerdiät empfohlen. Doch wie sieht es mit der seelischen Gesundheit aus? Kann die Ernährung auch einen Beitrag dazu leisten, depressive Episoden zu lindern? Genau dieser Frage ging die „SMILES“-Studie nach.

"SMILES" ist ein Akronym von "Supporting the Modification of lifestyle In Lowered Emotional States", zu Deutsch also in etwa "Unterstützung der Lebensstilmodifikation bei gesenkter Gefühlslage". In der australischen Studie (1) bestand die Lebensstilmodifikation in einer strukturierten Erhöhung der Ernährungsqualität. Die Hypothese: eine bessere, mediterrane Ernährung reduziert die Symptome von Depressiven stärker als soziale Zuwendung.

Einschlusskriterien

In die Studie eingeschlossen wurden ProbandInnen mit moderater bis schwerer depressiver Episode, d.h. die beim MADRS mindestens eine Punktzahl von 18 erreichten. Der MADRS ist ein Fragebogen zur Fremdbeurteilung des Schweregrads eines depressiven Syndroms mit einer Maximalpunktzahl von 60. Höhere Werte deuten dabei auf eine stärkere Ausprägung der Depression hin. Ebenso wurde vor Einschluss mit einem entsprechenden Screening-Tool überprüft, wie sich die ProbandInnen ernährten. Teilnehmen durften nur Menschen, die sich "schlecht" ernährten, d.h. wenig Ballaststoffe, magere Proteine, Obst und Gemüse zu sich nahmen, dafür aber viele Süßigkeiten, verarbeitetes Fleisch und salzige Snacks. Letztendlich wurde die Studie mit 67 TeilnehmerInnen durchgeführt, die zufällig auf eine von zwei Gruppen verteilt wurden. 33 TeilnehmerInnen entfielen auf die Ernährungs-Gruppe und 34 auf die Kontroll-Gruppe mit der sozialen Zuwendung.

Depression

Depression

Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Begleitung, Komplementärmedizin und Ordnungstherapie

Annette Kerckhoff · Otto Ziehaus

ISBN: 978-3-945150-64-1
Erscheinungsjahr: 2016, 2. Aufl.

6,90 EUR

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Intervention: Ernährung versus soziale Zuwendung

Die TeilnehmerInnen in der Ernährungs-Gruppe erhielten innerhalb von 12 Wochen sieben Sitzungen von jeweils etwa einer Stunde Dauer mit einem Ernährungsberater oder einer Ernährungsberaterin. Der Fokus lag dabei auf der Steigerung der Ernährungsqualität, wobei der Verzehr von bestimmten Schlüssel-Lebensmitteln empfohlen wurde: Vollkorn (5-8 Portionen am Tag), Gemüse (6/Tag), Obst (3/Tag), Hülsenfrüchte (3-4/Woche), fettarme und ungesüßte Milchprodukte (2-3/Tag), rohe ungesalzene Nüsse (1/Tag), Fisch (mindestens 2/Woche), mageres rotes Fleisch (3-4/Woche), Hühnerfleisch (2-3/Woche), Eier (bis zu 6/Woche) und Oliven-Öl (3 Esslöffel/Tag). Gleichzeitig sollten Süßigkeiten, raffiniertes Getreide, Gebratenes/Frittiertes, Fast-Food, verarbeitetes Fleisch und zuckerhaltige Getränke reduziert werden (auf insgesamt nur 3 Portionen in der Woche). Da die Studie keinen Fokus auf Gewichtsverlust hatte, durfte im Rahmen dieser empfohlenen Ernährung nach Belieben konsumiert werden. Die TeilnehmerInnen erhielten außerdem einen Lebensmittel-Korb mit den Hauptbestandteilen der empfohlenen Diät, Rezepten und Menüplänen.

In der Kontroll-Gruppe fanden zu gleichen Zeitpunkten und mit gleicher Dauer ebenfalls Besuche statt, in denen sich geschultes Personal mit dem Probanden oder der Probandin "befreunden" sollte. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin diskutierte dabei neutrale Themen von Interesse für den Probanden oder die Probandin, wie beispielsweise Sport, die Nachrichten oder Musik. Wenn die TeilnehmerInnen eine Konversation schwierig fanden, sollte auf andere Aktivitäten wie Karten- oder Brettspiele gewechselt werden. Das Ziel blieb dabei stets, den Teilnehmer oder die Teilnehmerin einzubeziehen und aufzumuntern.

Ergebnisse

Die Ernährungs-Gruppe erzielte nach 12 Wochen eine signifikant stärkere Verbesserung in der MADRS-Punktzahl als die Kontroll-Gruppe mit der sozialen Zuwendung. Im Vergleich zwischen Studienbeginn (Baseline) und Interventionsende (nach 12 Wochen) betrug der Unterschied zwischen den beiden Gruppen 7,1 Punkte. Eine Remission, definiert als eine MADRS-Punktzahl von <10, wurde in der Ernährungs-Gruppe zu 32,3% (d.h. bei zehn TeilnehmerInnen) beobachtet und zu 8,0% (d.h. bei zwei TeilnehmerInnen) in der Kontroll-Gruppe. In der Ernährungs-Gruppe gab es außerdem eine signifikante Korrelation zwischen der Ernährungsqualität und dem MADRS-Ergebnis: je mehr sich die ProbandInnen an die empfohlene Ernährung hielten, desto besser schnitten sie im MADRS ab (2,2 MADRS-Punkte Verbesserung mit jeder 10%-Steigerung der Diät-Adhärenz).

Fazit

Das Ergebnis ist vielversprechend, schließlich stellt die Fremdbeurteilung durch den MADRS den aktuellen Goldstandard zur Erfassung einer Depression dar. Im Einklang mit dem besseren MADRS-Ergebnis berichteten die ProbandInnen zusätzlich auch selbst signifikante Verbesserungen von depressiven Symptomen und Angstzuständen (gemessen mithilfe des CGI-I). Für Stimmung (gemessen mit POMS) und Wohlbefinden (gemessen mit WHO-5) konnten allerdings keine Unterschiede zwischen den Gruppen gefunden werden. Die Autoren sehen den wahrscheinlichen Grund dafür in fehlender statistischer Aussagekraft ihrer Studie.

Damit ist bereits der größte Kritikpunkt angesprochen: um statistisch hinreichend aussagefähig sein zu können, hätte es, so die Autoren, 88 ProbandInnen pro Arm bedurft. Tatsächlich wurden jedoch insgesamt nur 67 Individuen eingeschlossen; und vollständige Daten nach 12 Wochen lagen wiederum lediglich von 56 vor (31 aus der Ernährungs- und 25 aus der Kontroll-Gruppe). Auch wenn verschiedene statistische Methoden angewandt wurden, um die Daten möglichst belastbar zu halten, wäre eine höhere ProbandInnen-Zahl, wären mehr Datensätze wünschenswert gewesen. Dazu kommt, dass die beiden Gruppen nicht in allen Belangen vergleichbar waren: Die ProbandInnen in der Ernährungs-Gruppe wiesen zur Baseline eine signifikant schlechtere Ernährungsqualität auf als diejenigen in der Kontroll-Gruppe. Man könnte also argumentieren, dass der Qualitäts-Sprung in der Ernährungs-Gruppe damit tendenziell höher bzw. leichter war und damit auch der Effekt entsprechend stärker – vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass es in der Kontroll-Gruppe mehr StudienabbrecherInnen gab.

Es bleibt also zu hoffen, dass sich die positiven Ergebnisse in zukünftigen Studien mit stärkerer Aussagekraft bestätigen. Dann könnte auch geprüft werden, inwieweit weitere verhaltensbezogene Aspekte (selbst zu kochen und einzukaufen, das Muster der Mahlzeiten etc.) eine Rolle spielen.

Literatur zu "Essen gegen Depression – die SMILES-Studie"

(1) Jacka FN, O'Neil A, Opie R, Itsiopoulos C, Cotton S, Mohebbi M, Castle D, Dash S, Mihalopoulos C, Chatterton ML, Brazionis L, Dean OM, Hodge AM, Berk M. A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the 'SMILES' trial). BMC Med. 2017 Jan 30;15(1):23. doi: 10.1186/s12916-017-0791-y. Erratum in: BMC Med. 2018 Dec 28;16(1):236. PMID: 28137247; PMCID: PMC5282719. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61