Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Tägliche Calciumeinnahme zur Osteoporoseprophylaxe
Studien kurz und knapp

Tägliche Calciumeinnahme zur Osteoporose­prophylaxe

Von Rainer Lüdtke

Nahrungsergänzung Osteoporose

Calcium für starke Knochen: Calciumsupplementation, d.h. die Ergänzung der normalen Nahrung durch reines Calcium, als Osteoporoseprophylaxe wird wissenschaftlich diskutiert. Kürzlich ist der Stand der Wissenschaft von einer Forschergruppe zusammengefasst worden.

Osteoporose ist eine Stoffwechselerkrankung der Knochen. Das Knochengewebe ist eine lebende Verbindung von Zellen, die ständig neu aufgebaut, umgebaut und abgebaut werden. Diese Umbauprozesse werden von Hormonen [a] gesteuert, die unter anderem Calcium in den Knochen einlagern. Durch Calcium wird die Knochenmasse verdichtet und gehärtet. Verantwortlich für den reibungslosen Ablauf dieser Ein- und Umbauprozesse sind die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen. Bei der Osteoporose ist dieser Regulationsmechanismus gestört: Das Knochengerüst wird löchrig und Calcium wird nicht ausreichend eingebaut. Dadurch wird der Knochen dünner und verliert an Festigkeit, so dass es leichter zu schmerzhaften Brüchen kommen kann.

Ein leichter Verlust an Knochenmasse und damit an Knochendichte ist ab dem 30. bis 40. Lebensjahr normal und führt nicht zu einem erhöhten Risiko eines Knochenbruches. Erst übernormale Abbauprozesse sind gefährlich. Diese betreffen vor allem (aber nicht nur) postmenopausale [b] Frauen, da deren Östrogenspiegel zu gering ist. Zu einer Altersosteoporose, bedingt durch langandauernde Abbauprozesse, kommt es in beiden Geschlechtern öfter nach dem 70. Lebensjahr.

Osteoporose

Osteoporose

Vorbeugende Maßnahmen und ein integratives Therapiekonzept im Krankheitsfall

Michael Elies · Annette Kerckhoff · Eckard Krüger

ISBN: 978-3-945150-94-8
Erscheinungsjahr: 2019, 2. Aufl.

6,90 EUR

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Dem niedrigen Östrogenspiegel postmenopausaler Frauen kann durch die zusätzliche Gabe von Östrogenen entgegengewirkt werden. Dieses führt zu einer deutlichen Verringerung des Osteoporoserisikos, aber auch zu einem erhöhten Risiko, an Herzinfarkten oder Brustkrebs zu erkranken. Seit jeher gibt es daher auch schon Empfehlungen, durch Veränderungen des Lebensstils den Knochenschwund in Grenzen zu halten. Hierzu gehören Verzicht auf Rauchen und Alkohol, der Verzehr von Calcium und Vitamin D reichen Lebensmitteln, sportliche Betätigung, der Verzicht auf phosphathaltige Lebensmittel und ein häufiger Aufenthalt im Freien.

Schließlich wird auch die Calciumsupplementation wissenschaftlich diskutiert, d.h. die Ergänzung der normalen Nahrung durch reines Calcium, etwa in Tablettenform. Kürzlich ist der Stand der Wissenschaft von der Forschergruppe um B. Shea [1] zusammengefasst worden. Diese trug die Daten von 1806 postmenopausalen Frauen aus 15 randomisierten [c] placebokontrollierten [d] Studien zusammen.

Der normale Calciumbedarf eines Menschen beträgt etwa 800 mg pro Tag. Die in den Studien behandelten Frauen wurden durchschnittlich mit eben dieser Dosis Calciumkarbonat oder Calciumcitrat täglich supplementiert. Zum Teil wurde die Calciumsupplementation mit anderen Therapien (vermehrter Sport, Vitamin-D-Gabe) kombiniert. Insgesamt ließ sich der Verlust an Knochendichte zwar nicht völlig aufhalten, er war jedoch wesentlich geringer als ohne Supplementation: während die Frauen der Kontrollgruppen, die lediglich ein Placebo erhielten und sich normal ernährten, durchschnittlich jedes Jahr insgesamt etwa 1½ bis 2% Knochendichte verloren, betrug der jährliche Verlust in den Calciumgruppen unter 1%, also etwa 1% weniger. Dieser Unterschied ist an allen Stellen des Körpers ungefähr gleich und betrug z.B. an Lendenwirbelsäule und Hüfte 0,8% sowie fast 1% an der Elle.



Neben dem verringerten Verlust an Knochendichte ist für die Patienten aber am wichtigsten, dass es mit der Calciumsupplementation auch gelang, das Risiko für Wirbelbrüche leicht zu senken, und zwar um 20 Prozent. Ob auch das Risiko für andere Knochenbrüche (also vor allem Arm, Oberschenkel und Hüfte) zurück ging, konnte statistisch nicht eindeutig [e] nachgewiesen werden. Insgesamt wurden zwar 14% weniger Knochenbrüche verzeichnet, doch ist dieser Wert statistisch nicht signifikant.

Eine neuere Studie [2] konnte diese Ergebnisse nur teilweise bestätigen: Calcium und Vitamin D erhöhte zwar die Knochendichte in der Hüfte signifikant, Hüftfrakturen und andere Brüche reduzierten sich aber nicht. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Studie schwer abzuschätzen, da es allen Studienteilnehmern (sowohl Verum- als auch Plazebogruppe) erlaubt war, eigenständig zusätzlich Calcium- und Vitamin D- Präparate einzunehmen.

Ob es Unterschiede in der Effektivität zwischen Calciumkarbonat und Calciumcitrat gibt, ist nach Shea´s Analysen noch unklar. Für die Knochendichte insgesamt sowie an der Hüfte konnte ein signifikant größerer Effekt für Calciumkarbonat nachgewiesen werden, für die Lendenwirbelsäule waren aber die Ergebnisse für Calciumcitrat besser. Außerdem scheint die Höhe der Calciumsupplementation (mehr oder weniger als 800 mg pro Tag) das positive Ergebnis nicht wesentlich zu beeinflussen. Frauen, deren Menopause länger als 5 Jahre zurücklag, profitieren ebenso von der Calciumsupplementation wie solche, deren Menopause kürzer zurücklag.

Zu Nebenwirkungen macht Shea´s Veröffentlichung leider keine Angaben. Ebenso wenig wie zwei der größten Studien, die sich dieser Thematik gewidmet haben [3,4]. Allgemein wird aber angenommen, dass die Calciumsupplementation eine sichere Therapie ist, wenn man von leichten Magenproblemen und einem etwas erhöhten Risiko für Nierensteine absieht [2].

[a] Für die Einlagerung von Calcium in den Knochen sind vor allem Vitamin D und das Schilddrüsenhormon Calcitonin verantwortlich. Das sog. Parathormon löst Calcium aus den Knochen heraus.
[b] Postmenopausal steht für die Zeit nach der Menopause, also dem Aufhören der weiblichen Menstruation in den Wechseljahren, in denen die Bildung der Sexualhormone Östrogen und Progesteron allmählich nachlässt.
[c] Eine Studie nennt man randomisiert, wenn die Patienten nach dem Zufallsprinzip entweder der Calcuiumsupplementationoder einer Kontrollbehandlung (hier Placebo)zugeteilt werden.
[d] Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, das genauso aussieht wie das zu prüfende Medikament, aber stofflich unwirksam ist.
[e] Wissenschaftler unterscheiden zwischen statistisch signifikanten und nicht signifikanten Ergebnissen. Ein Gruppenunterschied wird dann als signifikant bezeichnet, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die beiden verglichenen Therapien (in diesem Fall Calciumsupplementation und Placebo) gleich wirksam sind.

Einschätzung

Aus Sicht der Carstens-Stiftung ergeben sich aus der bisherigen Forschung folgende Schlussfolgerungen:

Die Datenlage zur Wirksamkeit der Calciumsupplementation ist gut, die Ergebnisse können als aussagekräftig gelten.
Die Calciumsupplementation ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie über einen langen Zeitraum erfolgt.

Es ist ein aus allen Wissenschaftsbereichen bekanntes Phänomen, dass Studien mit eher negativen Ergebnissen seltener veröffentlicht werden als solche mit positiven Ergeb-nisse. Dieses ist auch bei der Calciumsupplementation möglich. Daher wurde in dieser Zusammenfassung möglicher Weise die Güte der Therapie etwas überbewertet.

Es ist unklar, ob die durch Calciumsupplementation erzielten Ergebnisse auch durch eine bewusst calciumreiche Ernährungsumstellung erreicht werden können. Ebenso bleibt unklar, ob die Effekte durch zusätzliche Vitamin-D-Gabe oder vermehrte sportliche Aktivitäten weiter gesteigert werden können. Beides scheint unmittelbar einleuchtend, doch stehen eindeutige wissenschaftliche Beweise hierfür noch aus.

Wie aus anderen Studien bekannt ist, sind die Effekte der Calciumsupplementation vermutlich etwas geringer als die der Östrogensubstitution.

Auch wenn Sie bei täglicher Calciumeinnahme mit wenigen und milden Nebenwirkungen rechnen können, sollten Sie immer den Rat eines Arztes einholen.

Literatur

1) Shea B, Wells G, Cranney A, Zytaruk N, Robinson V, Griffith L, Hamel C, Ortiz Z, Peterson J, Adachi J, Tugwell P, Guyatt G; Osteoporosis Methodology Group; Osteoporosis Research Advisory Group. Calcium supplementation on bone loss in postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev 2004;(1):CD004526.

2) Jackson RD, LaCroix AZ, Gass M, et al. Calcium plus Vitamin D Supplementation and the Risk of Fractures. N Engl J Med 2006;354(7):669-683.

3) Dawson-Hughes B, Dallal GE, Krall EA, Sadowski L, Sahyoun N, Tannenbaum S. A controlled trial of the effect of calcium supplementation on bone density in postmenopausal women. N Engl J Med. 1990;323(13):878-83.

4) Elders PJ, Netelenbos JC, Lips P, van Ginkel FC, Khoe E, Leeuwenkamp OR, Hackeng WH, van der Stelt PF. Calcium supplementation reduces vertebral bone loss in perimenopausal women: a controlled trial in 248 women between 46 and 55 years of age. J Clin Endocrinol Metab 1991;73(3):533-40.