Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Hochpotenzen gegen Depression
Studien kurz und knapp

Hochpotenzen gegen Depression

Von Daniela Hacke

Homöopathie Psyche Depression

Welche Rolle spielt die Anamnese in der Wirkung homöopathischer Mittel? Studie untersucht den spezifischen Effekt individualisierter Homöopathie im Vergleich mit verschiedenen Anamnesemodellen.

Eine frühere Doppelblindstudie zeigte bereits, dass homöopathische Mittel in hoher Potenz der standardmäßig eingesetzten Substanz Fluoxetin nicht unterlegen war. [1] Ziel war es auch, die Durchführbarkeit randomisierter, kontrollierter Studien zu individuell verordneten homöopathischen Mitteln in Q-Potenzen bei mittlerer bis schwerer Depression aufzuzeigen.

Depression

Depression

Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Begleitung, Komplementärmedizin und Ordnungstherapie

Annette Kerckhoff · Otto Ziehaus

ISBN: 978-3-945150-64-1
Erscheinungsjahr: 2016, 2. Aufl.

6,90 EUR

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In der aktuellen, in der Ambulanz für Integrative Medizin an der Charité Berlin durchgeführten Studie, wurde das Studiendesign noch verfeinert und eine spezielle Fragestellung fokussiert. [2] Die Wissenschaftler hypothetisierten, dass die homöopathische Anamnese, in der ersten Studie durch einen einzelnen Arzt durchgeführt, eine Rolle hinsichtlich der ungewöhnlich hohen Ansprechraten von über 50% gespielt hat. Um diesen Aspekt näher zu beleuchten, konzipierte man in der neuen Studie ein vierarmiges Design unter Einbeziehung einer Placebokontrolle.

Insgesamt wurden 44 (von ursprünglich 228 rekrutierten) Patienten mit moderater bis schwerer Depression auf die verschiedenen Studienarme, jeweils im Verhältnis 2:1, aufgeteilt. In der ersten Gruppe erhielten die Probanden Q-Potenzen individuell ermittelter homöopathischer Arzneien sowie ausführliche Anamnesegespräche unter Einbeziehung eines erfahrenen homöopathischen Arztes, weitere Probanden bekamen Placebo und ebf. die ausführliche Version der Anamnese. In der zweiten Gruppe gestaltete sich die Zuteilung ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass die Probanden die Anamnese in verkürzter Form erlebten. Die zwei Anamnesemodelle im Vergleich unterschieden sich sowohl in der Dauer als auch in der Intensität der Arzt-Patienten-Kommunikation.

Der Arzt verordnete im Wesentlichen folgende Mittel:
Alumina, Anacardium orientale, Aurum foliatum, Baryta carbonica, Calcarea carbonica, Carbo animalis, Colocynthis, Graphites, Kalium carbonicum, Lycopodium clavatum, Natrium carbonicum, Natrium chloratum, Acidum nitricum, Nux vomica, Phosphorus, Platina, Pulsatilla pratensis, Sepia succus, Silicea terra und Sulfur.

Die standardisierte Dosis belief sich auf einen Tropfen der jeweils verordneten Medikation bzw. Placebo drei Mal pro Woche über einen Gesamtzeitraum von sechs Wochen. Nach Ablauf dieser Zeit wurde der Schweregrad der depressionsbedingten Symptome bei den Probanden durch einen verblindeten Psychologen der Charité Berlin unter Zurateziehen der Hamilton-Depressions-Skala erhoben.

Die Resultate erwiesen sich als höchst heterogen. Insgesamt war kein relevanter Unterschied zwischen der homöopathischen Medikation und Placebo festzustellen. Im Ganzen konnten die Erwartungen der Wissenschaftler nicht bestätigt werden. Die Resultate fielen weitaus moderater aus als gedacht, was die Korrelation zwischen Arzt-Patienten-Kommunikation und Verbesserung der Symptomatik bei den Probanden betrifft. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese Entwicklung der Schwierigkeiten hinsichtlich der Rekrutierung und der daraus resultierenden niedrigen Teilnehmerzahl geschuldet ist.

Einschätzung

Ärgerlich, dass die hier erhaltenen Resultate wegen der Probleme bei der Rekrutierung und der schwachen Probandenzahl nicht aussagekräftig sind, wo doch die Fragestellung höchst interessant erscheint und vielleicht einer der ersten Schritte in der Aufklärung gemacht werden könnte, welchen Anteil das (homöopathische) Anamnesegespräch in der Genesung des Patienten hat. Statistisch gesehen ist die Studie so gut wie wertlos. Aber was bleibt unter dem Strich an Erkenntnissen übrig? Erstens, dass eine Studie mit individualisierter homöopathischer Arzneimittelgabe durchaus möglich ist. Zweitens, dass gerade psychisch instabile, in diesem Fall depressive Patienten besonders sensibel auf externe Einflussfaktoren wie Stress ansprechen – und deshalb Rückfälle wahrscheinlicher waren. Drittens, dass ein Anamnesegespräch durchaus negative Effekte auf die Patienten ausüben und zur Verschlimmerung der Symptomatik führen kann (wie hier in Woche 2 und 4 zu beobachten war). Viertens, dass sich die Rekrutierung von Patienten für eine placebokontrollierte Homöopathie-Studie als offensichtlich problematisch gestaltet, wie vergangene Studien bereits zeigten. Gleichwohl die Autoren der Studie ein Aufgreifen der Fragestellung im Rahmen weiterer Studien nicht empfehlen, regen sie doch dazu an, einen weiteren Versuch in einem anderen Setting unter Verwendung geeigneterer Ansätze zu unternehmen. Wünschenswert wäre dies allemal.

Literatur zu "Hochpotenzen gegen Depression"

1) Adler UC, Paiva NMP, Cesar AT, Adler MS, Molina A, Padula AE, Calil HM. Homeopathic individualized Q-potencies versus Fluoxetine for moderate to severe depression. Double-blind, randomized non-inferiority trial. Evid Based Complement Altern Med 2011; Article ID 520182, doi:10.1093/ecam/nep114 Abstract

2) Adler UC, Krüger S, Teut M, Lüdtke R, Schützler L, Martins F, Willich SN, Linde K, Witt CM. Homeopathy for depression: a randomized, partially double-blind, placebo-controlled, four-armed study (DEP-HOM). Plos One 2013; 8(9): e74537 Abstract