Gartentherapie lässt Demenzpatienten aufblühen
Die Integration von Therapiegärten in die Pflege demenzkranker Menschen trägt durchaus Früchte, wie eine wachsende Anzahl von Studien zeigt.
Erkenntnisse aus der Forschung häufen sich, dass Arzneimittel im Einsatz gegen Demenzsymptome, sog. Antidementiva, nur begrenzt wirksam sind und überdies nicht selten dosisabhängige Nebenwirkungen verursachen. [1] Nicht-medikamentöse Ansätze gewinnen in der Pflege von demenzkranken Menschen deshalb zunehmend an Bedeutung. Derzeit fördert die Carstens-Stiftung ein Projekt zu Optimierungsstrategien bei Demenz (OptiDem) über drei Jahre, das sich mit der Thematik der Plausibilität nicht-medikamentöser Verfahren und Strategien in der Prävention von Demenzerkrankungen sowie der Therapie und Versorgung von demenzkranken Patienten auseinandersetzt.
Eine weitere, immer mehr an Bedeutung gewinnende Maßnahme zur Steigerung der Lebensqualität von Demenzpatienten ohne den Einsatz von Medikamenten ist die Gartentherapie, in Fachkreisen auch als hortikulturelle Therapie bezeichnet. Untersuchungen haben ergeben, dass 50% aller Menschen mit Demenz die Räumlichkeiten des Pflegeheims nie und weitere 25% selten verlassen. [2] Zwar bieten die meisten Pflegeeinrichtungen Aktivierungsprogramme für Demenzpatienten an, häufig finden diese jedoch im Innenbereich statt. Aufenthalte unter freiem Himmel sind meist auf kurze Spaziergänge oder sitzende Inaktivität beschränkt.
Demenz – Prävention und Therapie
25 Essays: Ein Querschnitt durch Wissenschaft und Praxis
25 Essays: Ein Querschnitt durch Wissenschaft und Praxis
Martin Loef · Harald Walach
ISBN: 978-3-945150-99-3
Erscheinungsjahr: 2019
30,00 EUR
Zum Shop »Gemeinsame Aktivitäten bzw. der Aufenthalt in der Gemeinschaft im Therapiegarten verbessert bei vielen Demenzpatienten das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl und die Kommunikation mit anderen, reduziert Gefühle der Einsamkeit und Isolation und führt zu mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. [3] Das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas zu bewirken, stärkt zudem die Identität und regt zur Kreativität an.
Weitere Vorteile gemeinsamer Gartenarbeit im Therapiegarten bestehen in
- dem bewussten Erleben der Jahreszeiten und der Witterung (Kälte, Regen, Wärme, Wind)
- dem Sinnesreichtum einer natürlichen Umgebung eines Gartens (Gerüche, Farben, Formen, Struktur von Oberflächen)
- der Versorgung mit natürlichem Licht (Stichwort "Vitamin-D-Produktion")
- der erhöhten Sauerstoffaufnahme und verbesserten Durchblutung
- einer zielgerichteten Beschäftigung, die Erfolgserlebnisse vermittelt
- einem in Folge der Licht- und Lufteinflüsse verbesserten Schlaf-Wach-Rhythmus bzw. Verminderung von Schlafstörungen
- einer Reduktion depressiver Verstimmungen sowie jahreszeitlich bedingter affektiver Störungen durch Lichteinfluss und vermehrte Bewegung.
Demenz
Naturheilverfahren und Ordnungstherapie – Vorbeugung, Linderung von Symptomen und Steigerung der Lebensqualität
Naturheilverfahren und Ordnungstherapie – Vorbeugung, Linderung von Symptomen und Steigerung der Lebensqualität
Annette Kerckhoff · Johannes Wilkens
ISBN: 978-3-945150-95-5
Erscheinungsjahr: 2018, 2. Aufl.
6,90 EUR
Zum Shop »Die Erfolge gartentherapeutischer Ansätze zeigen sich in klinischen Studien auf verschiedenen Ebenen. Generell konnte festgestellt werden, dass sich sowohl das psychische Befinden als auch verhaltenstypische Phänomene wie Rastlosigkeit und agitiertes Verhalten demenzkranker Menschen durch regelmäßige Aufenthalte und Aktivitäten in Therapiegärten verbesserte. [4,5] Mehrere Studien unterstützen außerdem die Annahme, dass sich Gartentherapie positiv auf die Identitätsbildung von Demenzpatienten auswirkt und zudem auch für schwierig zu aktivierende Patienten als geeignete Maßnahme der Mobilisierung erweist. [6,7] Außerdem hat sich gezeigt, dass die Einnahme von Medikamenten wie Antipsychotika reduziert werden kann und in Folge auch das durch die Medikation erhöhte Sturzrisiko gesenkt sowie damit verbundene sturzbedingte Verletzungen verhindert werden können. [8]
Einschätzung
Angesichts der in der Forschung gut dokumentierten positiven Auswirkungen von Therapiegärten auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden von in Pflegeeinrichtungen lebenden Demenzpatienten wäre eine vermehrte Etablierung auch in der gerontopsychiatrischen Betreuung in Deutschland wünschenswert. Bisher steckt die Forschung zu diesem Thema, aber auch die Umsetzung in die Pflegepraxis, hierzulande noch in den Kinderschuhen, während es an der Universität Wien sogar schon einen Studiengang "Gartentherapie" gibt. Trotz der zunächst als kostenintensiv erscheinenden Integration und Etablierung von Therapiegärten und gartentherapeutischen Maßnahmen in die Pflegepraxis, die nicht nur den erforderlichen Raum, Experten aus den Bereichen Landschafts- und Gartenplanung, sondern auch speziell ausgebildetes Personal benötigt, sollte die Umsetzung in Pflegeeinrichtungen, nicht nur für demenzkranke Menschen, vorangetrieben werden.
Es stehen allerdings noch Langzeitstudien aus, die die längerfristigen Effekte der Gartentherapie bei Demenzpatienten untersuchen.
Literatur zu Gartentherapie lässt Demenzpatienten aufblühen
1) Gräßel E, Pendergrass A (Hrsg.) Forschungsplattform Demenz. Ergebnisse eines Expertentreffens zu Präventions-, Therapie-, und Versorgungsstrategien. Essen: KVC Verl., 2017 Link
2) Gilliard J, Marshall M. (Hrsg.) Naturgestützte Pflege von Menschen mit Demenz. Natürliche Umgebungen für die Förderung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz nutzen. Bern: Hans Huber Verl., 2014 Link
3) Noone S, Immes A, Kelly F, Mayers A. ‚The nourishing soil of the soul‘: The role of horticultural therapy in promoting well-being in community-dwelling people with dementia. Dementia 2017; 16(7): 897-910 Abstract
4) Gonzalez MT, Kirkevold M. Benefits of sensory garden and horticultural activities in dementia care: a modified scoping review. J Clin Nurs 2013; 23: 2698-2715 Abstract
5) Whear R, Thompson Coon J, Bethel A, Abbott R, Stein K, Garside R. What is the impact of using outdoor spaces such as gardens on the physical and mental well-being of those with dementia? A systematic review of quantitave and qualitative evidence. JAMDA 2014; 15: 697-705 Abstract
6) Blake M, Mitchell G. Horticultural therapy in dementia care: a literature review. Nursing Standard 2016; 30(21): 41-47 Abstract
7) Jarrott SE, Gigliotti CM. Comparing responses to horticultural-based and traditional activities in dementia care programs. Am J Alzheim Dis Other Dement 2010; 25(8): 657-665 Abstract
8) Detweiler MB, Sharma T, Detweiler JG, Murphy PF, Lane S, Carman J, Chudhary AS, Halling MH, Kim KY. What is the evidence to support the use of therapeutic gardens for the elderly? Psychiatr Investig 2012; 9: 100-110 Abstract