Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Dufttherapie hilft auch bewusstlosen Palliativpatienten
Studien kurz und knapp

Dufttherapie hilft auch bewusstlosen Palliativpatienten

Von Daniela Hacke M.A.

Aromatherapie Palliativmedizin

Aromatherapie verbessert physiologische Werte von Schwerstkranken – unabhängig vom Bewusstseinsstatus.

Ätherische Öle werden im Rahmen der Aromatherapie mittlerweile zunehmend erfolgreich in der Pflege schwerstkranker und sterbender Patienten eingesetzt. Sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene sind positive Effekte ätherischer Öle zu beobachten. Raumbeduftung, direkte Inhalation oder Aufbringen ätherischer Öle auf die Haut, Kleidung und Alltagsgegenstände sind nur einige wenige Möglichkeiten der praktizierten Aromatherapie. Häufig werden Aroma-Öle auch in Kombination mit anderen Maßnahmen eingesetzt, wie z.B. bei Massagen, Bädern und Einreibungen, die zum einen das Körperbewusstsein des leidenden Patienten stärken und zum anderen auch einen Akt der Zuwendung des Pflegenden gegenüber dem Behandelten durch die therapeutische Berührung darstellen.

Die bisherige Forschung konzentrierte sich bisher lediglich auf die Effekte verschiedener Aroma-Öle auf körperliche oder seelische Beschwerden von Patienten, die bei Bewusstsein sind. In einer aktuellen Studie gingen Wissenschaftler nun der Frage nach, welche Auswirkungen Aromaduft-Stimulanzien auf die physiologischen Parameter bei Palliativpatienten ohne Bewusstsein im Vergleich mit Palliativpatienten im Wachzustand und gesunden Kontrollpersonen zu beobachten sind. [1]

Insgesamt 30 Probanden – 10 gesunde Personen, 15 an Krebs im fortgeschrittenen Stadium leidende Palliativpatienten bei Bewusstsein und 5 krebskranke Palliativpatienten ohne Bewusstsein wurden drei Gruppen zugeteilt, die den Duft von Zitronen-, Lavendelöl oder Wasser (als Placebokontrolle) einatmen sollten. Dazu wurden 3 bis 4 Tropfen des jeweiligen Öls bzw. des Wassers auf eine herkömmliche Chirurgenmaske (OP-Mundschutz) geträufelt. Diese wurde den Studienteilnehmern so angelegt, dass sie Mund und Nase locker bedeckte. Die 90-minütige experimentelle Untersuchung gliederte sich in drei Phasen, in denen die Patienten für je 10 Minuten nach dem Zufallsprinzip einem der beiden Aroma-Düfte oder dem "Kontrollduft" ausgesetzt wurden. In den 10 Minuten vor, während und nach dem Duft-Stimulus wurden Messungen physiologischer Parameter wie Atem- und Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung sowie des systolischen, diastolischen und mittleren arteriellen Blutdrucks vorgenommen. Jede Messung wurde innerhalb der jeweils 10-minütigen Messphasen mehrfach wiederholt. Nach jeder auf den Duftstimulus folgenden Messung wurde eine 10-minütige Erholungsphase eingelegt.

In der Gruppe der Palliativpatienten bei Bewusstsein bewirkte die Stimulation mittels Zitronenöl statistisch signifikante Erhöhungen aller gemessenen Parameter: Anstieg der Atemfrequenz im Mittel um 4 Atemzüge/min., der Herzfrequenz um einen Mittelwert von 3 Herzschlägen/min., des diastolischen Blutdrucks um 5 mmHg, des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg und der Sauerstoffsättigung um 0,5%. Gegenteilige, ebenfalls signifikante Effekte wurden durch die Beduftung mit Lavendelöl erreicht. So wurde eine mittlere Reduktion der Atemfrequenz um 4 Atemzüge/min., der Herzfrequenz um 6 Herzschläge/min., des diastolischen Blutdrucks um 5 mmHg und des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg beobachtet. Der Wert der Sauerstoffsättigung änderte sich dahingegen unter Lavendelöl nicht. Bei den Patienten ohne Bewusstsein bewirkte die Stimulation mit Zitronen- und Lavendelöl ähnliche Veränderungen der Messwerte. Innerhalb von 10 Minuten nach der Aromaduft-Stimulierung näherten sich die Werte in beiden Gruppen jedoch wieder den zu Studienbeginn gemessenen Werten an. Nur der diastolische Blutdruck blieb jeweils innerhalb der 10 Minuten nach dem Stimulus konstant.

Das als Placebokontrolle verwendete Wasser zeigte dahingegen in allen drei Gruppen keinerlei Auswirkungen auf die gemessenen physiologischen Parameter. Beim Vergleich der drei Gruppen untereinander erwies sich der Unterschied zwischen der Placebogruppe und jeweils einer der beiden Palliativpatienten-Gruppen als statistisch signifikant. Bei keinem der Studienteilnehmer führte die Stimulation mittels Aromaduft/Placebo zu unerwünschten Wirkungen.

Einschätzung

Erwartungsgemäß führte die Stimulation mittels Zitronen- und Lavendelöl zu signifikant veränderten Messwerten in beiden Gruppen palliativer Patienten. Während Zitronenduft sich eindeutig stimulierend auswirkte, erzielte Lavendelaroma eine signifikante Senkung der gemessenen physiologischen Parameter. In der Kontrollgruppe der gesunden Probanden konnten lediglich vereinzelte Werte durch die aromatherapeutischen Maßnahmen verändert werden, die sich jedoch jenseits der statistischen Signifikanz bewegten. Interessant ist hier jedoch die Beobachtung, dass in beiden Palliativpatienten-Gruppen ähnliche Reaktionen sowohl auf die Aromadüfte als auch die Placebo-Beduftung zu beobachten waren. Daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass nachgewiesene Effekte einer Aromaöl-Stimulation auf Palliativpatienten bei Bewusstsein direkt auf bewusstlose Palliativpatienten übertragbar seien. Dennoch seien Faktoren wie differierende Krankheitssituationen, individuelle Befindlichkeiten und die Möglichkeit individueller Reaktionen auf einzelne Aromaöle zu berücksichtigen. Unter dem Strich erweist sich der Einsatz von Aromadüften gemäß dieser Studie jedoch als nebenwirkungsarme und einfach durchzuführende Maßnahme, um auch den physiologischen Zustand von Patienten in der Palliativpflege ohne Bewusstsein zu verbessern.
Zukünftige Studien, so fordern die Wissenschaftler, sollten neben einer größeren, homogeneren Studienpopulation unter Einbeziehung weiterer Messparameter wie beispielsweise des Cortisolspiegels zur Bestimmung des Stresszustands die Wirkung weiterer ätherischer Öle untersuchen.

Achtung:
Ätherische Öle sollten im Rahmen der Palliativpflege nur von geschultem Fachpersonal nach Absprache mit den Patienten oder Angehörigen bewusstloser Patienten hinsichtlich potenzieller Abneigungen gegen einzelne Düfte oder allergischer Reaktion bzw. vorheriger, vorsichtiger Testung (beispielsweise auf der Haut) eingesetzt werden. Bei gleichzeitiger Verabreichung von homöopathischen Mitteln ist von einer Verwendung von ätherischen Ölen, die Eukalyptus, Kampfer und Pfefferminze enthalten, wegen ihrer antidotischen Wirkung abzuraten.

Literatur

1) Goepfert M, Liebl P, Herth N, Ciarlo G, Buentzel J, Huebner J. Aroma oil therapy in palliative care: a pilot study with physiological parameters in conscious as well as unconscious patients. J Cancer Res Clin Oncol 2017; 143: 2123-2129 Abstract