Komplementäre und
Integrative Medizin
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Angst als Problem – Lavendel Teil der Lösung?

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Phytotherapie Depression

Angst ist ein charakteristisches Merkmal der modernen Zeit. Die Verbreitung von Angsterkrankungen nimmt als Folge von politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Veränderungen in unserer Welt – wie wir sie durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine gerade hautnah erleben – immer weiter zu.

Natürlich spielen individuelle psychologische Faktoren, etwa eine problembehaftete Kindheit, persönliche Traumata, Stress oder auch eine genetische Anfälligkeit, ebenfalls eine Rolle. Doch der Umgang mit Angst wird ohne Zweifel immer mehr zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem, zumal die gewöhnlichen medikamentösen Behandlungsoptionen Nebenwirkungen verursachen können und auf Dauer teilweise ein Abhängigkeitsrisiko bergen. Nebenwirkungsarme Therapieformen sind also wertvoll. Aus dem Bereich der komplementären und integrativen Medizin könnte die Anwendung von Lavendel eine solche sein, wie eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit (1) bekräftigt.

In die Analyse eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), die die Anwendung von Lavendel am Menschen untersuchten und zwischen 2010 und 2019 publiziert wurden. Bei der Art der Anwendung von Lavendel wurde dabei keine Einschränkung vorgenommen. Stattdessen wurden Subgruppen-Analysen durchgeführt, um beurteilen zu können, ob die Art der Intervention, deren Anzahl oder der Gesundheitsstatus der Population möglicherweise die Effektgröße beeinflussen. Als Kontrolle dienten entweder keine Intervention, Routineversorgung und/oder Placebo. In die Übersichtsarbeit eingeschlossen wurden insgesamt 38 RCTs für die qualitative Auswertung und davon 37 für die quantitative Analyse. Die RTCs stammten aus dem Iran (17 Studien), der Türkei (8), Deutschland (4), Griechenland (1), Indien (1), Südkorea (2), Taiwan (3), den USA (1) und Thailand (1).

Depression

Depression

Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Begleitung, Komplementärmedizin und Ordnungstherapie

Annette Kerckhoff · Otto Ziehaus

ISBN: 978-3-945150-64-1
Erscheinungsjahr: 2016, 2. Aufl.

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Effekt auf Selbsteinschätzung der Angst

30 der eingeschlossenen Studien lieferten Daten zur Selbsteinschätzung der Angst. Von diesen zeigte sich in 21 eine signifikante Überlegenheit von Lavendel gegenüber der jeweiligen Kontroll-Intervention. Auf physiologische Parameter hatte die Lavendel-Anwendung allerdings keinen Einfluss, mit einer Ausnahme: dem systolischen Blutdruck, welcher in 7 Studien erfasst wurde. Die Werte des diastolischen Blutdrucks (ebenfalls in 7 Studien erfasst), der Herzfrequenz (6 Studien) und des Cortisol-Spiegels (3 Studien) zeigten keine signifikanten Unterschiede.

Unterschied in der Anwendungsart

Hinsichtlich der Art der Anwendung zeigten sich Massagen mit Lavendel-Öl und Inhalationen sowie die orale Einnahme von Lavendel-Präparaten am effektivsten und gegenüber der Standardversorgung, Placebo oder keiner Intervention signifikant überlegen. Den größten positiven Effekt hatte die Lavendel-Aromatherapie dabei auf Populationen mit Koronarerkrankungen und Intensivpatient*innen.

Zusätzliche antidepressive Effekte

Eine der häufigsten Begleiterkrankungen von Angststörungen ist die Depression. 10 Studien lieferten Daten zu antidepressiven Effekten von Lavendel-Anwendungen. Hier zeigte sich Lavendel gegenüber Placebo oder keiner Intervention in 7 Studien als signifikant überlegen. Am besten schnitt dabei die Massage ab, aber auch andere Formen der Anwendung hatten antidepressive Wirkungen, bis auf die Inhalation, welche auf die Depression keinen signifikanten Effekt zeigte.

Einschätzung

Eine Limitierung der vorliegenden Übersichtsarbeit ist die schwankende Qualität der berücksichtigten Studien – nur 16 von 37 haben ein geringes Bias-Risiko. Allerdings tragen die Autoren diesem Umstand durch entsprechende Korrekturen durchaus Rechnung. Als Stärke und Schwäche zugleich lässt sich die Heterogenität der betrachteten Anwendungsformen und der jeweiligen Populationen interpretieren: Einerseits leidet die Vergleichbarkeit der Ergebnisse darunter etwas, andererseits zeigt es die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten des Lavendels.

Die Autoren empfehlen bei Angst vor allem Inhalationen, Massagen und die orale Einnahme. Insbesondere die Massage mit Lavendel-Öl soll dabei zusätzlich antidepressiv wirken. Einen Versuch, idealerweise in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin, ist es sicher wert.

Literatur zu "Angst als Problem – Lavendel Teil der Lösung?"

(1) Kim M, Nam ES, Lee Y, Kang HJ. Effects of Lavender on Anxiety, Depression, and Physiological Parameters: Systematic Review and Meta-Analysis. Asian Nurs Res (Korean Soc Nurs Sci). 2021 Dec;15(5):279-290. doi: 10.1016/j.anr.2021.11.001. Epub 2021 Nov 12. PMID: 34775136. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61