Komplementäre und
Integrative Medizin
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Yoga-Atmung verändert Hirn-Struktur
Zwischenbericht: Effekte auf Stressregulation und Gedächtnisleistung

Yoga-Atmung verändert Hirn-Struktur

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Integrative Medizin Stress

Vor allem im Umgang mit Stress bzw. zur Prävention und Behandlung von stressbedingten Erkrankungen werden häufig komplementärmedizinische Verfahren eingesetzt. Yoga und Atemkontrolle gehören zweifelsohne dazu. Doch was passiert dabei im Körper genau? Und gibt es weitere Anwendungsfälle neben der Stressregulation?

Vorstudie: Yoga beeinflusst Hippocampus

Zusammen mit Kolleg*innen konnte PD Dr. Christoph M. Krick, Neurozentrum am Universitätsklinikum des Saarlandes, bereits 2019 in einer zweifach wiederholten Interventionsstudie (1) eine neuronale Wirkung mittels Magnetresonanz-Tomograph (MRT) nachweisen. Verglichen wurde der Effekt wöchentlicher Trainingsphasen von Yoga-Übungen und Bodengymnastik. Im MRT zeigte sich, dass durch die Yoga-Übungen die Gewebedichte im Hippocampus anstieg, während sie bei den Gymnastik-Proband*innen gleich blieb. Der Hippocampus ist Teil des hirneigenen Entspannungsnetzwerkes, aber auch involviert in die Hypophysen-Hypothalamus-Nebennieren-Achse, die eine wesentliche Rolle in vegetativen Regulationskreisläufen spielt. So überrascht es nicht, dass die Hippocampus-Veränderungen in der Yoga-Gruppe außerdem mit einer mittleren Blutdrucksenkung um 7 mmHg einhergingen.

Aktuelles Projekt: Wie wirkt Yoga-Atmung auf Struktur und Funktion des Gehirns?

PD Dr. Krick und sein Team fokussieren sich aktuell auf einen wesentlichen Kern der Übungen, nämlich die bewusste Atemkontrolle. Die forschungsleitenden Fragen lauten: Welche Gehirnareale werden stimuliert? Welche Hirnstrukturen werden verändert? Macht es einen Unterschied, ob durch Nase oder Mund geatmet wird? Und: Hilft der bereits festgestellte Zuwachs im Hippocampus – der auch für die Gedächtnisbildung wichtig ist – dem Gehirn beim Lernen? Hierzu wird eine dreiarmige Interventionsstudie von der Carstens-Stiftung gefördert.

Bislang konnten 100 Versuchspersonen, aufgeteilt in drei Kohorten, eingeschlossen werden. Jede Versuchsperson stellte sich dreimal im Abstand von 14 Tagen vor. Zu jedem Zeitpunkt wurden sowohl MRT-Aufnahmen, psychologische und kognitive Tests sowie Blutdruck- und Speichel-Cortisolwerte gewonnen. Während der 14-tägigen Intervalle absolvierten die Proband*innen der Interventionsgruppen täglich via App angeleitete und protokollierte 20-minütige Atem-Übungen, die jeweils mit der Frequenz von fünf Atemzyklen pro Minute in Gruppe 1 durch die Nase erfolgte (Pranayama-Yoga-Atmung). Gruppe 2 wurde gebeten, mit derselben Frequenz und Atemtiefe die täglichen 20-Minuten-Übungen durch den Mund zu absolvieren. Die Proband*innen der Gruppe 3 unterzogen sich denselben MRT-Aufnahmen, Tests und Untersuchungen, sollten aber in den 14-Tage-Intervallen als Kontrolle nur spontan atmen.

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Bisherige Erkenntnisse

Der Cortisolspiegel nahm binnen 14 Tagen in der Gruppe der Nasenatmer am meisten ab, gefolgt von der Gruppe der Mundatmer. In der Kontrollgruppe veränderte sich der Cortisolspiegel nicht. Analog zur Abnahme der Cortisolwerte im Speichel reduzierte sich in den Interventionsgruppen auch die Pulsrate, die ebenso wie Cortisol als Stressparameter interpretiert werden kann. Die Effekte korrelierten in der Größenordnung miteinander, was auf einen kausalen Zusammenhang schließen lässt.

Ähnlich wie in der Vorstudie, zeigte sich auch hier bei den Atemgruppen im MRT eine Gewebeverdichtung entlang des Hippocampus. Im Allgemeinen kann postuliert werden, dass neuroplastische Veränderungen über mentale Übungen aus einer Langzeitpotenzierung der Gehirnaktivierung hervorgehen. (2) Um diesen Zusammenhang im vorliegenden Fall zu prüfen, wurden funktionelle MRT-Aufnahmen (fMRI) während modellhafter Interventionen mit Nasen- und Mundatmung im MRT-Scanner verfolgt. Hierbei führte nur die Nasenatmung 1. zu einer Aktivierung des linken anterioren und posterioren Hippocampus und 2. zu einer zunehmenden Langzeitpotenzierung in Teilen des Entspannungsnetzwerks und des Thalamus, während Mundatmung weder den Hippocampus aktivierte noch zu einer Aufpotenzierung der Hirnaktivität im Entspannungsnetzwerk führte.

Ausblick

Die Beteiligung der Hippocampalregion am neuronalen Effekt der Pranayama-Atemübungen könnte – neben den beschriebenen Einflüssen auf das Stressmanagement – einen positiven Einfluss auf das Lernnetzwerk ausüben. (3) Dieser Effekt auf die Effektivität von Lernen und Erinnern soll nunmehr in der letzten Phase der Studie mittels fMRI-Messungen im Rahmen der laufenden MRT-Studie über Lern- und Abfragephasen während des Pranayama-Atmens untersucht werden. Es wird vermutet, dass Yoga-Nasenatmung zu höheren Erinnerungsraten beim Lernen führt.

Sollte sich dies bestätigen, könnten entsprechende Yoga-Übungen bzw. eine angepasste App zu besseren Lernergebnissen im schulischen oder universitären Umfeld beitragen, indem sie etwa während einer stressgeladenen Phase, z.B. der Vorbereitung auf eine Prüfung, eingesetzt werden.

Literatur zu "Yoga-Atmung verändert Hirn-Struktur"

1) Garner M, Reith W, Krick C, Garner M. 10-Week Hatha Yoga Increases Right Hippocampal Density Compared to Active and Passive Control Groups: A Controlled Structural cMRI Study. 2019;1–11. Link

2) Krick, C. M., & Argstatter, H. (2015). Neural correlates of the Heidelberg Music Therapy: indi-cators for the regeneration of auditory cortex in tinnitus patients?. Neural regeneration rese-arch, 10(9), 1373–1375. Link

3) Zelano, C., Jiang, H., Zhou, G., Arora, N., Schuele, S., Rosenow, J., & Gottfried, J. A. (2016). Nasal Respiration Entrains Human Limbic Oscillations and Modulates Cognitive Function. The Journal of neuroscience : the official journal of the Society for Neuroscience, 36(49), 12448–12467. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61