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Wirkt Yoga Depressionen entgegen – und wenn ja, wie?

Wirkt Yoga Depressionen entgegen – und wenn ja, wie?

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Depression Stress

Mit traurigen oder einschneidenden Geschehnissen wird jeder Mensch früher oder später konfrontiert, das lässt sich leider nicht vermeiden. Beeinflussbar ist jedoch die Art und Weise, wie man mit diesen Dingen umgeht. Könnte Yoga dabei helfen, die Ausprägung depressiver Symptome nach negativen Lebensereignissen zu verringern?

Dieser Frage ging ein internationales Forscherteam (1) nun auf Basis bereits vorliegender Daten (2, 3) einer Querschnittsstudie mit australischen Frauen (ALSWH) nach.

Ausgangslage

Yoga ist ein komplexes Verfahren, das eine ethische Lebensanschauung, körperliche Ertüchtigung, Atemtechniken und Meditation miteinander kombiniert. Schon diese einzelnen Bestandteile allein können sich bei depressiven Symptomen vorteilhaft auswirken, wie Studien zeigten. (4, 5, 6, 7) Die spannende Frage bleibt, warum bzw. wie die Symptome hierbei gelindert werden. Es gibt Hinweise aus der Forschung, dass Yoga und Meditation die Stress-Reaktivität regulieren oder Denkmuster beeinflussen könnten, sodass Praktizierende eine höhere Akzeptanz für Veränderungen entwickeln und weniger selbstkritisch sind. (8, 9, 10, 11) Yoga und Meditation könnten demnach wie ein „Puffer“ wirken zwischen stressvollen Ereignissen und depressiven Symptomen.

Datenbasis: 7.186 Schicksale

Genau hier setzt die vorliegende Studie an. Die Analyse bezieht sich auf Daten von 7.186 Frauen, die zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 36-43 Jahre alt waren. Die Probandinnen wurden gefragt, ob sie in den vergangenen 12 Monaten den Tod eines Partners, Elternteils oder Kindes verkraften mussten, ob sie körperlich misshandelt, sexuell missbraucht oder seelisch schikaniert worden waren. Neben einem solchen negativen Lebensereignis wurden außerdem der wahrgenommene Stress, mögliche depressive Symptome, die Yoga- oder Meditations-Praxis, aber auch die sportliche Betätigung, Lebenseinstellung (Optimismus/Pessimismus) sowie der soziale Rückhalt als Variablen erfasst.

Depression

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Möglichkeiten und Grenzen einer homöopathischen Begleitung, Komplementärmedizin und Ordnungstherapie

Annette Kerckhoff · Otto Ziehaus

ISBN: 978-3-945150-64-1
Erscheinungsjahr: 2016, 2. Aufl.

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Ergebnisse

Ein Drittel der Frauen (33,2%) gab an, im zurückliegenden Jahr mindestes eines der genannten negativen Lebensereignisse erfahren zu haben. Der durchschnittliche Wert auf der CESD-10-Skala zur Erfassung von depressiven Symptomen lag bei 6,6±5,5; im Schnitt erreichte eine von vier Frauen (24%) dabei Werte einer klinischen Depression (≥11). Die Hälfte der Kohorte gab ausreichende sportliche Betätigung an, 31,5% der Frauen sogar einen hohen Wert. Insgesamt ein Viertel der Probandinnen hatte Yoga/Meditation praktiziert (16,6% gelegentlich und 10,9% häufig).

Der Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines negativen Lebensereignisses und stärkeren Ausprägungen depressiver Symptome konnte durch eine lineare Regression bestätigt werden. Ebenso waren die negativen Lebensereignisse statistisch signifikant mit dem wahrgenommenen Stress assoziiert wie auch der Stress wiederum mit den depressiven Symptomen. Die Abhängigkeit der Depression von den Lebensereignissen blieb zwar signifikant, nahm jedoch ab, sobald die Variable Stress in das Vorhersagemodell inkludiert wurde. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass der wahrgenommene Stress nur zu einem Teil als Mediator zwischen negativen Lebensereignissen und depressiven Symptomen fungiert.

Miteinander in Beziehung gesetzt, zeigte sich, dass alle Variablen – außer sportliche Betätigung – mit den negativen Lebensereignissen korrelierten, auch wenn die Koeffizienten relativ klein sind. Sozialer Rückhalt und Optimismus beeinflussten den Effekt des Stresses auf die Ausprägung depressiver Symptome. Interessanterweise wirkte sich die Yoga- bzw. Meditations-Praxis allerdings auf den direkten Pfad zwischen den Lebensereignissen und den depressiven Symptomen aus – und nicht mittels „Umweg“ über den wahrgenommenen Stress.

 

 

In anderen Worten: Bei Frauen, die häufig Yoga oder Meditation praktizierten, waren negative Lebensereignisse nicht mit depressiven Symptomen assoziiert; wohingegen bei Frauen, die kein Yoga machten oder nicht meditierten, die depressiven Symptome stärker ausfielen, wenn sie ein negatives Ereignis erlebt hatten.

Fazit

Die Studie zeigt, dass Stress bzw. der empfundene Stress einen (aber nicht den einzigen) Einfluss darauf hat, ob sich nach negativen Lebensereignissen depressive Symptome entwickeln oder nicht. Wie stark dieser Einfluss ausfällt, hängt wiederum vom sozialen Rückhalt und Optimismus der betroffenen Person ab. Durch Yoga/Meditation wurde der Einfluss des Stresses jedoch nicht verändert, stattdessen wirkt sich Yoga/Meditation in der Studie auf die Abhängigkeit der depressiven Symptome von den Lebensereignissen direkt aus – ein überraschendes Ergebnis.

Die Autor*innen geben als eine mögliche Erklärung an, dass Yoga neben einem positiven Einfluss auf die Kognition auch einen auf körperliche Aspekte wie die Schlafgewohnheiten, den Appetit etc. haben könnte – Aspekte, die gerade im Angesicht von Krisen schnell vernachlässigt werden und die Situation weiter verschlimmern können. (12, 13). Es wäre aber auch umgekehrt möglich, dass Frauen, die ohnehin resilienter sind, eher Yoga/Meditation praktizieren, wenn sie mit negativen Erlebnissen konfrontiert sind, sozusagen als Teil ihrer Verarbeitungsstrategie.

Eine Schwäche der Arbeit, die die Autor*innen selbst nennen, besteht in der rein binären Abfrage, ob sich ein negatives Ereignis zugetragen hat. Für die Studie war dieses Vorgehen notwendig, dennoch sind die Beispiele aus der Abfrage stark verschieden und Einzelschicksale lassen sich nicht gleichsetzen. Es dürfte zudem einen erheblichen Unterschied machen, ob man nur eines dieser Geschehnisse erleben musste, oder etwa mehrere hintereinander. Auch ist Stress nicht gleich Stress, so könnte man beispielsweise akuten von chronischem Stress unterscheiden, emotionalen von psychischem usw. Abschließend ist nicht ganz klar, welche Art von Yoga/Meditation die Frauen praktiziert haben, ob dies etwa nur achtsame oder auch körperliche Komponenten beinhaltete (so ließe sich ggf. auch das Ergebnis anders einordnen, dass sportliche Betätigung keinen moderierenden Einfluss hatte). Zukünftige Studien, schlagen die Autor*innen vor, sollten berücksichtigen, welcher Yoga-Stil, aus welchem Beweggrund (z.B. Fitness-Trend oder Suche nach Spiritualität?) wie oft praktiziert wurde, alleine oder in der Gruppe.

Literatur zu "Wirkt Yoga Depressionen entgegen – und wenn ja, wie?"

1) Lauche R, Anheyer D, Uebelacker LA, Sibbritt D, Adams J, Cramer H. Do yoga and meditation moderate the relationship between negative life events and depressive symptoms? Analysis of a national cross-sectional survey of Australian women. Front Psychol. 2023 Sep 5;14:1218976. doi: 10.3389/fpsyg.2023.1218976. PMID: 37731879; PMCID: PMC10508961. Link

2) Brown WJ, Bryson L, Byles JE, Dobson AJ, Lee C, Mishra G, Schofield M. Women's Health Australia: recruitment for a national longitudinal cohort study. Women Health. 1998;28(1):23-40. doi: 10.1300/j013v28n01_03. PMID: 10022055. Link

3) Brown WJ, Dobson AJ, Bryson L, Byles JE. Women's Health Australia: on the progress of the main cohort studies. J Womens Health Gend Based Med. 1999 Jun;8(5):681-8. doi: 10.1089/jwh.1.1999.8.681. PMID: 10839654. Link

4) Irandoust K, Taheri M, Chtourou H, Nikolaidis PT, Rosemann T, Knechtle B. Effect of Time-of-Day-Exercise in Group Settings on Level of Mood and Depression of Former Elite Male Athletes. Int J Environ Res Public Health. 2019 Sep 22;16(19):3541. doi: 10.3390/ijerph16193541. PMID: 31546685; PMCID: PMC6801561. Link

5) Heissel A, Heinen D, Brokmeier LL, Skarabis N, Kangas M, Vancampfort D, Stubbs B, Firth J, Ward PB, Rosenbaum S, Hallgren M, Schuch F. Exercise as medicine for depressive symptoms? A systematic review and meta-analysis with meta-regression. Br J Sports Med. 2023 Aug;57(16):1049-1057. doi: 10.1136/bjsports-2022-106282. Epub 2023 Feb 1. PMID: 36731907; PMCID: PMC10423472. Link

6) Jia Y, Wang X, Cheng Y. Relaxation Therapy for Depression: An Updated Meta-analysis. J Nerv Ment Dis. 2020 Apr;208(4):319-328. doi: 10.1097/NMD.0000000000001121. PMID: 32221187. Link

7) Jain FA, Walsh RN, Eisendrath SJ, Christensen S, Rael Cahn B. Critical analysis of the efficacy of meditation therapies for acute and subacute phase treatment of depressive disorders: a systematic review. Psychosomatics. 2015 Mar-Apr;56(2):140-52. doi: 10.1016/j.psym.2014.10.007. Epub 2014 Oct 22. PMID: 25591492; PMCID: PMC4383597. Link

8) Uebelacker LA, Epstein-Lubow G, Gaudiano BA, Tremont G, Battle CL, Miller IW. Hatha yoga for depression: critical review of the evidence for efficacy, plausible mechanisms of action, and directions for future research. J Psychiatr Pract. 2010 Jan;16(1):22-33. doi: 10.1097/01.pra.0000367775.88388.96. PMID: 20098228. Link

9) Cramer H, Lauche R, Haller H, Langhorst J, Dobos G, Berger B. "I'm more in balance": a qualitative study of yoga for patients with chronic neck pain. J Altern Complement Med. 2013 Jun;19(6):536-42. doi: 10.1089/acm.2011.0885. Epub 2013 Jan 21. PMID: 23336342. Link

10) Kinser PA, Bourguignon C, Taylor AG, Steeves R. "A feeling of connectedness": perspectives on a gentle yoga intervention for women with major depression. Issues Ment Health Nurs. 2013 Jun;34(6):402-11. doi: 10.3109/01612840.2012.762959. PMID: 23805925; PMCID: PMC3703865. Link

11) Kinser PA, Bourguignon C, Whaley D, Hauenstein E, Taylor AG. Feasibility, acceptability, and effects of gentle Hatha yoga for women with major depression: findings from a randomized controlled mixed-methods study. Arch Psychiatr Nurs. 2013 Jun;27(3):137-47. doi: 10.1016/j.apnu.2013.01.003. Epub 2013 Apr 9. PMID: 23706890; PMCID: PMC3664951. Link

12) Lavie P. Sleep disturbances in the wake of traumatic events. N Engl J Med. 2001 Dec 20;345(25):1825-32. doi: 10.1056/NEJMra012893. PMID: 11752360. Link

13) Keller MC, Neale MC, Kendler KS. Association of different adverse life events with distinct patterns of depressive symptoms. Am J Psychiatry. 2007 Oct;164(10):1521-9; quiz 1622. doi: 10.1176/appi.ajp.2007.06091564. Erratum in: Am J Psychiatry. 2008 Mar;165(3):401. PMID: 17898343. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

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