Komplementäre und
Integrative Medizin
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Urlaub und kardiovaskuläre Gesundheit

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Stress Herz-Kreislauf Bluthochdruck

Wohl niemand, die oder der erwerbstätig ist, kann sich vollständig davon frei machen: Stress im Job. Zu einem gewissen Grad mag er "einfach dazugehören", allerdings sollte er nicht unterschätzt werden. Denn tatsächlich erhöht berufsbedingter Stress das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung.

Beinahe ein Drittel aller Herzinfarkte lassen sich auf psychologischen Stress zurückführen. Es wird angenommen, dass das wiederholte Ansteigen der Herzfrequenz und des Blutdrucks als Reaktion auf die Stressoren dafür verantwortlich ist. Umso wichtiger ist es, sich regelmäßige Auszeiten zu nehmen – nicht von ungefähr ist Entspannung ein zentrales Element der Mind-Body-Medicine. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem normalen bezahlten Urlaub zu? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach. (1)

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Interaktion zwischen Stress und Herzfrequenz

Untersucht wurde das Verhältnis zwischen psychologischem Stress und kardiovaskulärer Aktivität vor, während und nach eines Urlaubes. Dazu wurden 54 Proband*innen in die Studie eingeschlossen, die einen Urlaub geplant hatten, der mindestens einen Monat in der Zukunft lag und für welchen sie mindestens drei bezahlte Urlaubstage einsetzen mussten. Für den Zeitraum von vier Wochen vor dem Urlaub, während des Urlaubes sowie vier Wochen danach füllten die Proband*innen Fragebögen aus, in welchen sie den erlebten Stress bzw. ihre Stressbelastung der jeweils vergangenen Woche auf einer Skala von 1-4 einschätzen sollten. Die Herzfrequenz wurde mittels eines gewöhnlichen Fitness-Trackers während der Wachzeiten erfasst und über denselben Zeitraum für die jeweiligen Wochen aggregiert.

Als Kovariablen wurden demographische Daten (Alter, Geschlecht), Vorerkrankungen (Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes), evtl. bestehende Blutdruck-Medikation sowie körperliche Aktivität (gemessen anhand der wöchentlich zurückgelegten Schritte) erfasst. Die Proband*innen wurden außerdem um Auskunft gebeten, wie oft sie selbst die Daten des Fitness-Trackers abfragten, und sollten einschätzen, ob das Wissen, "überwacht" zu werden, ihr Verhalten beeinflusste.

Ergebnisse

Im Schnitt nutzten die Proband*innen 5,88 bezahlte Tage für ihren Urlaub. Das Stress-Rating lag über den gesamten Zeitraum durchschnittlich bei 1,48. In den Wochen vor dem Urlaub lag der Wert im Mittel bei 1,68, in den Wochen nach dem Urlaub bei 1,27. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Die durchschnittliche Herzfrequenz über den gesamten Zeitraum betrug 80,91, wobei sie von 81,46 vor dem Urlaub auf 80,57 nach dem Urlaub sank. Die wöchentliche Schrittzahl betrug im Durchschnitt 54.590,29 während des gesamten Zeitraumes; 48.735,11 in den Wochen vor und 56.843,81 in den Wochen nach dem Urlaub. Diese Differenz war ebenfalls statistisch signifikant.

Unter Berücksichtigung der Kovariablen zeigte sich statistisch signifikant, dass wöchentliche Stressbelastung und Herzfrequenz interagieren, dieser Zusammenhang aber schwächer wird, je näher der Urlaub rückt. Eine statistisch signifikante Interaktion zwischen wöchentlichem Stress und der Zeit nach dem Urlaub wurde nicht gefunden. Beide Befunde blieben auch nach Anpassung an die möglichen Verhaltensänderungen der Proband*innen durch das Wissen um Beobachtung erhalten.

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Einschätzung

Dass sich der wöchentliche Stress im Vorfeld der Auszeit umso schwächer auf die Herzfrequenz auswirkt, je näher der Urlaub rückt, ist höchstwahrscheinlich auf eine Veränderung in der Bewertung von Stressoren zurückzuführen, sprich: der Stress wird subjektiv als weniger belastend empfunden. Schon die Antizipation des bzw. Vorfreude auf den Urlaub hat also einen positiven Effekt. Dieses Ergebnis ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Stress-Ratings vor dem Urlaub sogar höher ausfielen. Es gab also nicht weniger Stress – er machte den Proband*innen offenbar nur nicht mehr so viel aus. Da sich der Stress nach dem Urlaub nicht mehr signifikant auf die Herzfrequenz auswirkte, liegt es außerdem nahe, dass dieser "Urlaubs-Effekt" auch nach der Rückkehr noch eine Weile anhält. Eine Folgearbeit (2) unterstützt dies. Positiv ist auch, dass die wöchentliche Schrittzahl nach dem Urlaub höher war als vorher, die Studienteilnehmer*innen sich also körperlich mehr betätigten.

Es bleibt vor dem Hintergrund dieser Studie im Hinblick auf die kardiovaskuläre Gesundheit also nur jedem zu raten, ihren oder seinen Jahresurlaub regelmäßig (3) und vollständig zu nutzen.

Als Schwächen der vorliegenden Studie lässt sich die geringe Probandenzahl anführen und die Tatsache, dass der Stress in der Retrospektive jeweils für die vorangegangene Woche bewertet wurde. Hier wäre beispielsweise eine tägliche Einschätzung wünschenswert gewesen, ebenso wie eine Überwachung des Blutdrucks zusätzlich zur Herzfrequenz. Auch die Daten einer Vergleichsgruppe aus "Nicht-Urlaubern" wären interessant gewesen.

 

Literatur zu "Urlaub und kardiovaskuläre Gesundheit"

(1) Hruska B, Pressman SD, Bendinskas K, Gump BB. Do vacations alter the connection between stress and cardiovascular activity? The effects of a planned vacation on the relationship between weekly stress and ambulatory heart rate. Psychol Health. 2020 Aug;35(8):984-999. doi: 10.1080/08870446.2019.1687699. Epub 2019 Nov 6. PMID: 31694400. Abstract

(2) Gump BB, Hruska B, Pressman SD, Park A, Bendinskas KG. Vacation's lingering benefits, but only for those with low stress jobs. Psychol Health. 2021 Aug;36(8):895-912. doi: 10.1080/08870446.2020.1814958. Epub 2020 Sep 2. PMID: 32877234. Abstract

(3) Hruska B, Pressman SD, Bendinskas K, Gump BB. Vacation frequency is associated with metabolic syndrome and symptoms. Psychol Health. 2020 Jan;35(1):1-15. doi: 10.1080/08870446.2019.1628962. Epub 2019 Jun 17. PMID: 31204484. Abstract

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61