Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
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Planetary Health Umweltmedizin Resilienz
Klima und Gesundheit sind untrennbar miteinander verbunden – dies verdeutlicht der aktuelle Versorgungsreport des wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO). Besonders eindrücklich sind die Auswirkungen der Erderwärmung.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die globale Mitteltemperatur um ca. 1,2°C gestiegen. Grund dafür sind die vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, insbesondere von CO2. So ist die heutige CO2-Konzentration höher als während der vergangenen zwei Millionen Jahre. Analysen, die die Klimaschutzziele der Staaten berücksichtigen, lassen auf eine Erwärmung der Erde um etwa 3°C bis Ende des Jahrhunderts schließen. Dies würde die Welt in einen Temperaturbereich versetzen, der erdgeschichtlich zum letzten Mal vor drei bis vier Millionen Jahren aufgetreten ist, das heißt, bevor die Vorfahren des modernen Menschen zum ersten Mal Werkzeuge in die Hand nahmen.
Hitze als Folge des Klimawandels
Die Auswirkungen dieses sogenannten anthropogenen Klimawandels sind bereits heute zu spüren, auch in Deutschland. Nach dem sogenannten "europäischen Hitzejahr" 2018 trat Ende Juli 2019 im Westen des Landes wieder eine bislang in dieser Form nicht aufgetretene Hitzewelle auf, an deren Höhepunkt 25 Wetterstationen das Überschreiten der 40°C-Marke meldeten. Sollte die globale Mitteltemperatur tatsächlich um 3°C ansteigen, ist zu erwarten, dass solche Hitzewellen dreimal häufiger auftreten, um 25% länger andauern und um 1°C wärmer ausfallen werden. Eine Zunahme und Verstärkung in dieser Größenordnung stellt ein signifikantes Gesundheitsrisiko dar, wie eine im Versorgungsreport enthaltene Analyse des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) aufzeigt.
Raum für Eigensinn
Die „inneren“ Ressourcen von Patienten verstehen und nutzbar machen
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ISBN: 978-3-86864-006-9
Erscheinungsjahr: 2011
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Zum Shop »Krankheit als Folge von Hitze
Auf Basis von anonymisierten Daten von AOK-Versicherten hat das MMC untersucht, wie viele Krankenhauseinweisungen in den Jahren 2008 bis 2018 auf die Hitze zurückzuführen waren. Das Ergebnis: Jeder vierte AOK-Versicherte über 65 Jahre ist überdurchschnittlich gefährdet, an heißen Tagen gesundheitliche Probleme zu bekommen und deshalb ins Krankenhaus zu müssen. An Tagen mit besonders hoher Hitze ab 30°C kam es zu 3% mehr Krankenhauseinweisungen in dieser Altersgruppe. Bei ungebremster Erderwärmung könnte sich die Zahl der hitzebedingten Klinikeinweisungen bis zum Jahr 2100 versechsfachen. Besonders hitzegefährdet sind Menschen mit Demenz – wahrscheinlich wegen eines erhöhten Risikos einer Dehydrierung – sowie anderen (Vor-)Erkrankungen, etwa Niereninsuffizienz, Depressionen, Diabetes oder chronischen Atemwegserkrankungen.
Weitere Auswirkungen des Klimawandels
Grundsätzlich lassen sich direkte (primäre), ökosystemvermittelte (sekundäre) und sozial vermittelte (tertiäre) Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit unterscheiden.
Die Hitze gehört zur direkten Kategorie, ist dort jedoch keinesfalls allein. Mit ihr einher gehen häufig Dürren, die wiederum zu einer Zunahme von Staubpartikeln in der Luft und auch zu Waldbränden führen können. Luftverschmutzung ist nachgewiesenermaßen ein Gesundheitsrisiko. Da in einem wärmeren Klima mehr Wasser verdunstet und wärmere Luft mehr Wasserdampf halten kann, treten aber durch den Klimawandel auch Starkregen überproportional häufiger auf. Diese können zu Sturzfluten führen. Ebenfalls zu den direkten Gesundheitsrisiken zählen klimawandelbegünstigte hurrikanartige Stürme. Einer ereilte die Küste Portugals erst im Jahr 2020, löste zwei Tornados aus und führte zu Überschwemmungen.
Bei den ökosystemvermittelten Auswirkungen sind beispielsweise verminderte landwirtschaftliche Erträge bzw. Abnahme von Nährstoffen in Nahrungspflanzen zu nennen, aber auch die Vermehrung bzw. geografische Ausbreitung von krankheitsübertragenden Insekten.
Die sozialvermittelten Auswirkungen sind komplex und multifaktoriell. So kann es durch die angesprochenen Veränderungen etwa zu Ressourcenknappheit in bestimmten Regionen kommen und diese kann wiederum Migrationen und auch bewaffnete Konflikte auslösen – mitsamt allen traumatischen Konsequenzen.
Gesundheitsschutz durch Klimaschutz
Klimaschutz und Gesundheitsschutz gehen Hand in Hand. So hat etwa die Treibhausgasreduktion nach Abbildung 1 das Ziel, die Gefahrenquellen, z.B. das Auftreten von Hitzewellen, zu reduzieren.
Gleichzeitig aber gehen Klimaschutzmaßnahmen auch mit gesundheitlichen Vorteilen, sogenannten Co-Benefits, einher, denn das eigene Gesundheitsrisiko hängt nicht allein von der Gefahrenquelle ab. Wer etwa regelmäßig das Fahrrad dem Auto vorzieht oder zu Fuß geht, um das Klima zu schonen, der verringert durch die körperliche Bewegung sein Risiko für chronische Erkrankungen und ist besser vor den Gefahrenquellen des Klimawandels geschützt. Ähnliches gilt für die Ernährung. Moderne Ernährungsweisen, die geprägt sind von Massentierhaltung, starker Verarbeitung, der Herstellung von aufwändigen Verpackungen und weiten Transportwegen, sind mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden. Wer sich aus Umweltbewusstsein pflanzenbetont ernährt, tut aber gleichzeitig etwas für seine kardiovaskuläre Gesundheit, beugt u.a. sogar Depressionen und Demenzen vor, und ist daher tendenziell resilienter.
Diese Lebensstilmodifikationen sind traditionell eine Domäne der Naturheilkunde. Auch aus der Perspektive eines unbedingt notwendigen Klimaschutzes zeigt sich daher der Wert der Integrativen Medizin.
Literatur zu "Klimaschutz ist Gesundheitsschutz"
(1) C. Günster, J. Klauber, B.-P. Robra, C. Schmuker, A. Schneider (Hrsg.): Versorgungs-Report Klima und Gesundheit. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin). ISBN 978-3-95466-626-3. Link
(2) Klimawandel macht krank: Ältere haben ein höheres Risiko, wegen steigender Hitzebelastung ins Krankenhaus zu müssen. Presseinformation des WIdO vom 08.06.2021 (Zugriff am 16.07.2021). Link