Komplementäre und
Integrative Medizin
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Integrative Medizin-Therapien zur Schmerzbekämpfung bei Krebspatienten

Integrative Medizin – Therapien zur Schmerzbekämpfung bei Krebspatienten

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Integrative Medizin Akupunktur Onkologie

Abgesehen von der psychischen Belastung, die Krebspatient*innen aufgrund ihres Schicksalsschlages tragen müssen, kann der Prozess der Krebsbehandlung zusätzlich zu physischen Schmerzen führen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Sowohl der Krebs per se als auch krebsbekämpfende Maßnahmen, wie etwa die Chemotherapie oder operative Eingriffe, sorgen bei den betroffenen Patient*innen in vielen Fällen für körperlichen Schmerz. Doch auch die Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung bergen ihre eigenen Gefahren.

Der aktuelle Stand, bisherige Maßnahmen und Risiken

Eine Metaanalyse von 122 Studien mit einer Stichprobengröße von 4.199 Probanden zeigte, dass über 55% der Krebspatient*innen während der Krebsbehandlung Schmerzen erfahren, während 40% der Befragten erst nach Beendigung der Therapie Schmerzen verspüren. (1) Die Frage danach, wie den Patient*innen ein möglichst schmerzfreier Therapieverlauf ermöglicht wird, ist daher mehr als berechtigt.

Aktuell wird primär auf pharmakologische Optionen gesetzt. Im Klartext heißt das, dass auf die Wirkung von verabreichten Wirkstoffen gebaut wird. Für den konkreten Fall der Krebsbehandlung werden für somatische Schmerzen sogenannte "Opioide" eingesetzt, welche morphinartige Eigenschaften besitzen und nicht selten in eine Sucht münden.

Opioide sind notwendig und adäquat für Patient*innen mit fortgeschrittenem Krebs und hartnäckigen Schmerzen. Für Krebsüberlebende, die keinen aktiven Krebs mehr haben, sind Opioide aber gänzlich ungeeignet. Bei diesen besteht nämlich ein deutlich höheres Risiko für einen Opioid-Missbrauch. Dies zeigt jedenfalls eine Studie, die unter Rückgriff der SEER und Medicare Datenbank zu einem beachtlichen Chancenverhältnis (Odds Ratio) zwischen zwei Vergleichsgruppen kam.

Verglichen wurde die Gruppe "Krebsüberlebende" mit einer Stichprobengröße von 46.789 mit der Gruppe "Menschen ohne Krebsvergangenheit" (Stichprobengröße: 138.136). Gruppe 1, also "Krebsüberlebende" weist in Fällen, in denen der Krebs mit besonders starken Schmerzen verbunden war, einen signifikant höheren chronischen Opiumgebrauch auf als Gruppe 2. Je nach Krebsart variiert der Schmerz und damit auch die Wahrscheinlichkeit, opiumabhängig zu werden. So ist die Wahrscheinlichkeit eines chronischen Opiumkonsums bei Menschen, die einen kolorektalen Krebs (eine Krebsart, die den Darm oder das Rektum betrifft) überlebt haben, 1.34 Mal größer als bei denjenigen ohne Krebsvergangenheit. Bei Lungenkrebs ist die Wahrscheinlichkeit für ein solches Konsumverhalten sogar 2.55 Mal größer. (2)

Diese Zahlen fordern dazu auf, ergänzende Schmerzbekämpfungstherapien zu finden. Hier kann die Integrative Medizin aushelfen. Sie verbindet nämlich die pharmakologischen Verfahren mit nicht-pharmakologischen Verfahren.

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Nicht-pharmakologische Schmerztherapie aus der Integrativen Medizin

Für das beschriebene Anliegen wurden folgende Therapieformen näher untersucht:

  • Mind-Body-Praktiken wie etwa Meditation, Qigong, Hypnose, Entspannungstechniken, Yoga und Tai-Chi
  • Akupunktur
  • Massagetherapie
  • Musiktherapie

Im Folgenden wird nur eine Auswahl an Verfahren betrachtet, die sich in Studien als hilfreich erwiesen haben.

Mind-Body Praktiken

Mind-Body Praktiken sind in erster Linie dafür bekannt, dass sie das mentale und emotionale Innenleben eines Menschen entschleunigen und dadurch das allgemeine Wohlbefinden steigern können. Durch zahlreiche veröffentlichte Studien besteht inzwischen ein Konsens darüber, dass die genannten Praktiken einen signifikanten (und positiven) Einfluss haben. Dieser positive Einfluss jener Praktiken zeigt sich insbesondere in folgenden Anwendungsfällen: Mind-Body Praktiken helfen bei Angstzuständen, Depressionen, Müdigkeit und sie fördern das emotionale Wohlbefinden.

Zwar zählen diese Maßnahmen nicht als Schmerzbekämpfungsmaßnahmen, nichtsdestotrotz können Sie den individuellen Umgang mit Schmerz erleichtern, da sie mit Leid assoziierte Gefühlszustände reduzieren. Schmerz in Verbindung mit Angst wird nämlich leidvoller erlebt als Schmerz ohne Angstgefühle.

Unter den Mind-Body Praktiken gibt es jedoch eine Ausnahme: Es ist die Hypnose. Sie hat nicht nur die eben genannten Vorteile der Mind-Body Praktiken, sondern kann auch den Schmerz lindern. Im Rahmen einer Metaanalyse von 37 Studien (N= 4199), welche den Einfluss von psychosozialen Interventionen – unter anderem Hypnose – auf vorhandene Schmerzen untersuchte, wurde geschlussfolgert, dass diese eine mittelgroße Effektstärke auf die Schmerzschwere haben. (1) Eine weitere interessante Beobachtung liefert uns eine einzelne RCT Studie (N = 124). In dieser berichteten Patient*innen, die besonders hypnotisierbar waren, über einen größeren Nutzen der Hypnosemaßnahmen bei vorhandenen Schmerzen. Darüber hinaus verwendeten diese Patienten die Selbst-Hypnose auch außerhalb der Gruppentherapie, um sie zusätzlich gegen andere schmerzunabhängige Symptome einzusetzen. (3)

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Akupunktur

Die Akupunktur, die wir aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) kennen, wurde ebenfalls untersucht. Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Behandlung mit Nadeln, welche in besondere Punkte des Körpers eingeführt werden. Die durchgeführten Stimulationen mit den Nadeln sind dabei vielfältig. Sie reichen vom Drehen der eingeführten Nadel bis zum Ziehen und Schieben derselben.

Die Ergebnisse lassen eine optimistische Haltung zu: Eine systematische Übersichtsarbeit von RCT Studien, die von einer der Review-Gruppen der Cochrane Collaboration erstellt wurde, zeigt, dass Akupunktur bei krebsbedingten Schmerzen wirksam ist. Die fünf identifizierten RTCs mit einer Stichprobengröße von N=285 zeigen nicht nur, dass die Akupunktur einer bloßen Scheinakupunktur überlegen ist, sondern auch, dass sie mit oralen Medikationen, die im Rahmen des WHO-Stufenschemas empfohlen werden, mithalten kann oder diesen sogar teilweise überlegen ist. (4-8)

Massage-Therapie

Wenn von Massage-Therapie die Rede ist, dann ist meistens die "Schwedische Massage" gemeint. Sie ist die meistgenutzte Massage Technik bei Krebsbehandlungen.

Die meisten nicht-randomisierten Studien zeigen beachtliche Ergebnisse. Die Massage verbesserte die Schmerzwerte der Krebspatienten um 50% über den Basiswert. Die Werte der ambulanten Patient*innen verbesserten sich sogar um 10 Prozent mehr als die der stationären. Besonders beeindruckend erscheint die Wirksamkeitsdauer der Massage-Therapie. Die Vorteile der Massage blieben bei der Neubewertung 48 Stunden später immer noch bestehen. (9)

Es gibt auch eine neuere Meta-Analyse von 12 Studien (N=559, 9 RCTs und 3 Nicht-RCTs) zur Massagetherapie und Krebsschmerzen. Die Daten aus den 9 RCTs zeigten eine signifikante Reduktion der Schmerzwerte im Vergleich zur üblichen Versorgung. (10)

Wichtig zu beachten ist, dass es Sonderfälle gibt, in denen man grundsätzlich von einer üblichen Massage abrät. Der Ausdruck "üblich" meint hier eine Massage, bei der starker Druck auf den Körper ausgeübt wird. Diese Art der Massage sollte insbesondere bei Weichteilen mit zugrunde liegendem Tumor oder Stellen der Knochenmetastasierung vermieden werden. Für diese Patienten kann weiterhin eine sanfte und leichte Berührungsmassage verwendet werden.

Musik-Therapie

Die Musik-Therapie ist, wie der Name bereits suggeriert, der Einsatz von Musik als Therapieeingriff. Diese Therapieform kann sowohl auf passiv als auch aktiv erfolgen. In passiven Formen der Musiktherapie lässt man den Patienten oder die Patientin ausgewählte Musik hören. In aktiven Formen der Musiktherapie lässt man den Patienten oder die Patientin die Musik selber produzieren; entweder als Sänger*in oder als Spieler*in eines Instruments.

Um ihre Wirkung auf den Schmerz zu beurteilen, wurden viele randomisierte und kontrollierte Studien zur Musiktherapie durchgeführt. In einer Meta-Analyse von 97 Studien wurde gezeigt, dass Musiktherapie Schmerzen, emotionale Belastung durch Schmerzen, Anästhesiegebrauch und Opioidkonsum in der Allgemeinbevölkerung signifikant reduziert. (11) Weitere systematische Übersichtsarbeiten belegen Ähnliches.

Fazit

Angesichts der Studienlage sollten im Schmerzmanagement für Krebspatienten  neben pharmakologischen durchaus auch nicht-pharmakologische Interventionen bedacht werden. Die Daten aus den randomisierten und kontrollierten Studien zeigen eine Wirkung von Hypnose, Akupunktur und Musiktherapie bei der Schmerzreduktion. Für Meditation, Tai Chi, Qigong sowie Yoga, konnte kein signifikanter Wirksamkeitsbeleg in Bezug auf Schmerzen geliefert werden. Nichtsdestotrotz sollte ihre positive Wirkung auf mit Schmerz assoziierten mentalen und emotionalen Leidzuständen bei Schmerztherapien ergänzend mitberücksichtigt werden.

Natürlich gilt wie immer: Betroffene sollten Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer behandelnden Ärztin halten.

Die Datenlage erlaubt allerdings einen Optimismus und gibt uns einen positiven Ausblick auf eine verbesserte Schmerztherapie für Krebspatient*innen. Die genannten Verfahren könnten dafür sorgen, dass Menschen, die ohnehin eine schwere Zeit überstanden haben, nicht mit weiteren Rudimenten der Vergangenheit belästigt werden, wie etwa eine Schmerzmittelsucht, die während der Krebsbehandlung entstanden ist.

Literatur zu "Integrative Medizin-Therapien zur Schmerzbekämpfung bei Krebspatienten"

(1) Sheinfeld Gorin S, Krebs P, Badr H, et al. Meta-analysis of psychosocial interventions to reduce pain in patients with cancer. J Clin Oncol 2012;30:539–47. Link

(2) Salz T, Lavery JA, Lipitz-Snyderman AN, et al. Trends in Opioid Use Among Older Survivors of Colorectal, Lung, and Breast Cancers. J Clin Oncol 2019;37:1001–11. Link

(3) Butler LD, Koopman C, Neri E, et al. Effects of supportive-expressive group therapy on pain in women with metastatic breast cancer. Health Psychol 2009;28:579–87. Link

(4) Chen H, Liu TY, Kuai L, Zhu J, Wu CJ, Liu LM. Electroacupuncture treatment for pancreatic cancer pain: a randomized controlled trial. Pancreatology 2013;13:594–7. Link

(5) Lu W, Matulonis UA, Dunn JE, et al. The Feasibility and Effects of Acupuncture on Quality of Life Scores During Chemotherapy in Ovarian Cancer: Results from a Pilot, Randomized Sham-Controlled Trial. Med Acupunct 2012;24:233–40. Link

(6) Chen ZJ, Guo YP, Wu ZC. [Observation on the therapeutic effect of acupuncture at pain points on cancer pain]. Zhongguo Zhen Jiu 2008;28:251–3. Link

(7) Alimi D, Rubino C, Pichard-Leandri E, Fermand-Brule S, Dubreuil-Lemaire ML, Hill C. Analgesic effect of auricular acupuncture for cancer pain: a randomized, blinded, controlled trial. J Clin Oncol 2003;21:4120–6. Link

(8) Dang W, Yang J. Clinical study on acupuncture treatment of stomach carcinoma pain. J Tradit Chin Med 1998;18:31–8. Link

(9) Cassileth BR, Vickers AJ. Massage therapy for symptom control: outcome study at a major cancer center. J Pain Symptom Manage 2004;28:244–9. Link

(10) Lee SH, Kim JY, Yeo S, Kim SH, Lim S. Meta-Analysis of Massage Therapy on Cancer Pain. Integr Cancer Ther. 2015 Jul;14(4):297-304. doi: 10.1177/1534735415572885. Epub 2015 Mar 17. PMID: 25784669. Link

(11) Lee JH. The Effects of Music on Pain: A Meta-Analysis. J Music Ther 2016;53:430–77. Link

 

Petar Santini
Petar Santini, B.A.

Praktikum in der Öffentlichkeitsarbeit

Student der Wissenschaftsphilosophie