Carstens-Stiftung ermöglicht zwei weitere Habilitationen mit 600.000 EUR
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Integrative Medizin
Im Bereich der Komplementären und Integrativen Medizin (KIM) fehlt es noch immer an langfristig angelegten Universitäts-Lehrstühlen oder anders ausgedrückt: an Professor*innen, die diese Verfahren beforschen und nachhaltig an zukünftige Ärztegenerationen vermitteln. Um diese Lücke zu schließen, legt die Carstens-Stiftung ihr Habilitationsprogramm neu auf – und fördert damit gleichzeitig Erkenntnisse in zwei bislang wenig erforschten Bereichen.
Dass eine pflanzenbetonte Ernährung antientzündlich und kardioprotektiv wirkt, ist bekannt. Offen ist jedoch die Frage, welche physiologischen Mechanismen dieser Wirkung zugrunde liegen. Dr. med. Maximilian Storz, Universitätsklinikum Freiburg, sucht sie zu beantworten. Dr. med. Dr. med. univ. Jan Valentini, Universitätsklinikum Tübingen, widmet sich hingegen dem Potenzial der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) für eine viel zu wenig beachtete Patientengruppe: ältere Menschen.
Wieso fördert pflanzenbetonte Ernährung die Gesundheit?
Neben ethischen und ökologischen Beweggründen spricht vor allem der gesundheitsfördernde Aspekt für eine pflanzenbetonte Ernährung, denn diese wirkt nachweislich entzündungshemmend und schützt das Herz-Kreislauf-System. Um auf diesem Gebiet medizinische Fortschritte zu machen reicht es jedoch nicht aus, zu wissen, dass diese Ernährungsweise wirkt – es muss auch verstanden werden, warum bzw. wie sie wirkt. Hier setzt das Habilitationsprojekt von Dr. med. Maximilian Storz an.
In Form einer Querschnittsstudie wird er die Mikro- und Makronährstoffversorgung bei langfristig (> zwei Jahre) lacto-ovo-vegetarischer, veganer und gemischter Ernährungsweise untersuchen. Neben umfänglichen Analysen zur Versorgung mit Vitamin B12 sind metabolomische Profilanalysen des Acylcarnitin-Stoffwechsels sowie von Aminosäuren und Fettsäuren geplant. Auch das Ernährungsverhalten der insgesamt 100 Proband*innen wird detailliert beschrieben, um Einblicke in das Supplementierungsverhalten in den jeweiligen Kohorten zu gewinnen.
Ergänzend hierzu soll eine randomisiert-kontrollierte Studie klären, welche Wirkmechanismen den Vorteilen pflanzlicher Kost zugrunde liegen, also welche Faktoren speziell veganer Ernährung das Blutbild und Entzündungsprofil Gesunder beeinflussen. Als mögliche Faktoren kommen eine verminderte Zufuhr pro-inflammatorischer Substanzen (insbesondere gesättigte und Omega-6-Fettsäuren) bzw. eine vermehrte Zufuhr antientzündlicher Substanzen (Antioxidantien, sekundäre Pflanzenstoffe) in Frage – doch welche sind entscheidender? Im Anschluss an eine zwölfwöchige Ernährungsintervention (vegane Kost vs. fleischreiche Kost) mit ebenfalls 100 Proband*innen werden dazu verschiedene Endpunkte des Fettstoffwechsels untersucht. Ebenso soll in dieser Studie geklärt werden, ob die Effekte Mikrobiom-vermittelt sind. Ein weiterer Fokus liegt auf zwei Signalkaskaden, die im Zellmetabolismus und Wachstum eine zentrale Rolle spielen (AMPK und mTORC1).
"Nach unserem Kenntnisstand gibt es im deutschsprachigen Raum kein in Umfang und Tiefe vergleichbares Projekt", sagt Dr. Storz. "Von den Ergebnissen erwarten wir ein besseres Verständnis darüber, wo und wann eine gezielte Supplementierung mit Mikronährstoffen und Spurenelementen sinnvoll ist."
Profitieren ältere Menschen von nicht-medikamentösen Verfahren der TCM?
Der demographische Wandel bringt eine Vielzahl an Herausforderungen für das Gesundheitswesen mit sich. Zu den Hauptproblemen gehört die Multimorbidität, das gleichzeitige Bestehen mehrerer behandlungsbedürftiger Krankheiten. Denn oft folgt daraus auch eine Multimedikation bei älteren Menschen, die zusätzliche Probleme schafft, vor allem durch Neben- und Wechselwirkungen. Nicht-medikamentöse Therapien gewinnen daher enorm an Bedeutung. Tatsächlich sind diese auch schon in vielen Fällen sehr gut erforscht – allerdings oftmals nicht speziell für diejenigen Menschen, die vielleicht am meisten von ihnen profitieren. Ältere Patient*innen wurden in entsprechenden Studien aus methodischen Gründen oft nicht berücksichtigt. Mit seinem Habilitationsvorhaben möchte Dr. med. Dr. med. univ. Jan Valentini dies ändern. Es konzentriert sich auf die TCM und gliedert sich in drei Einzelprojekte.
Den Kern bildet eine randomisiert-kontrollierte Studie, die der Frage nachgeht, ob sich Schlafstörungen bei älteren Patienten (> 70 Jahre) durch ein multimodales Therapiekonzept reduzieren lassen. Hierbei sollen 90 Personen eingeschlossen und in drei Gruppen eingeteilt werden. Alle Gruppen erhalten die Regelversorgung, eine Gruppe erhält zusätzlich acht Akupunktur-Sitzungen und eine Gruppe zusätzlich die Akupunktur-Sitzungen inklusive Musiktherapie. Anschließend werden Herzratenvariabilität sowie Schlaf- und Lebensqualität erfasst und Interviews mit den beteiligten Personen durchgeführt. "Das gewonnene Wissen kann anschließend direkt in die medizinische Lehre sowie in die Patientenversorgung vor Ort einfließen, die notwendigen Strukturen sind vorhanden", so Dr. Dr. Valentini.
Das zweite Projekt befasst sich mit der Meditation. Diese wirkt sich nachweislich positiv auf die psychische Gesundheit aus, hat aber auch Effekte auf das Immunsystem und die Epigenetik. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass Meditation sich somit auch für Ältere eignen könnte, die sich inmitten geistiger, sozialer, emotionaler und körperlicher Veränderungsprozesse befinden. Die Datenlage ist jedoch überschaubar, so ist z.B. nicht bekannt, inwieweit Meditation kardiovaskuläre Parameter wie Blutdruck und Herzfrequenz unmittelbar während des Meditierens beim älteren Menschen verändert. Zwei n-gleich-1-Studien sollen diese Evidenzlücke schließen und gleichzeitig Hinweise liefern, welche Rolle vorherige Meditationserfahrung dabei spielt.
Abgerundet wird das Habilitationsvorhaben durch ein Versorgungsforschungsprojekt, das vorliegende Routinedaten der Krankenkassen im Hinblick auf die Auswirkungen einer Therapie mit Akupunktur bei älteren Menschen mit chronischer Gonarthrose analysiert. Geklärt werden soll, ob Akupunktur die Notwendigkeit einer Knieendoprothese hinauszögert, ob Schmerzmedikamente eingespart werden können und ob es einen Einfluss auf die Behandlungskosten gibt.