Osteopathie: Indikationen, Erstattung, Therapeuten …
Frau Professor Marina Fuhrmann ist Begründerin und Vorsitzende des »Verband der Osteopathen Deutschland« (VOD). Sie engagiert sich für die Anerkennung und die gesetzliche Verankerung der Osteopathie zu einem eigenständigen Beruf.
Was ist Osteopathie?
Prof. Marina Fuhrmann: Osteopathie ist eine eigenständige Medizinform. Osteopathen untersuchen und behandeln den Körper ausschließlich mit ihren Händen, lösen Bewegungseinschränkungen und fördern die selbstregulierenden Kräfte. Osteopathen diagnostizieren vor der Behandlung und verfügen aufgrund ihrer umfassenden, breiten medizinischen Ausbildung über ein großes differentialdiagnostisches Wissen. Der Hauptfokus der Behandlung liegt im Aufspüren der Ursache der Beschwerden des Patienten. Osteopathie wird nach umfassender Qualifikation auch im Bereich Differentialdiagnostik und jahrelanger Übung als Heilkunde im Primärkontakt ausgeübt.
Osteopathie als ganzheitliche Medizinform geht davon aus, dass unser Körper mit natürlichen Korrekturkräften ausgestattet ist, die versuchen, den Organismus gesund zu erhalten. Dieser Selbstregulierungsmechanismus funktioniert ungehindert, solange der Körper sein Gewebe, die Gelenke, Muskeln, Nerven und Knochen gut auszubalancieren vermag.
Im Zentrum der Behandlung stehen nicht nur das Knochengerüst, sondern vor allem die Leitungsbahnen im Körper: Blutgefäße, Lymphen, Nervensystem, Bindegewebe. Durch Verspannungen oder zum Beispiel auch durch alte Narben breiten sich über diese Strukturen Ungleichgewichte aus. Dadurch kommt es zu Blockaden, die mit der Zeit zu manifesten Erkrankungen führen können.
Ist eine Bewegung nicht im Lot, kann sie durch schmerzfreien Druck korrigiert werden. Die Regulierungskräfte haben wieder freie Bahn. Osteopathen beseitigen Funktionsstörungen, deren Auswirkungen an jedem Körperteil und in jedem Organ auftreten können; oftmals an ganz anderer Stelle als da, wo der Schmerz sitzt – weil alle Organe, Muskeln und Knochen über das Faszien- (Bindegewebs-) Netz miteinander verbunden sind, können Ursache und Wirkung weit auseinanderliegen.
Gibt es Indikationen, bei denen sich die osteopathische Behandlung besonders bewährt hat?
Prof. Marina Fuhrmann: Osteopathie ist in allen Altersgruppen gefragt. Da Osteopathie nicht nur bei Gelenk- und Skeletterkrankungen helfen kann, sondern auch bei diversen anderen Funktionsstörungen, sind sowohl Jüngere als auch Ältere beiderlei Geschlechts häufig bei Osteopathen in Behandlung.
Auch bei Sportverletzungen wird Osteopathie mehr und mehr nachgefragt. Unterschiedliche Beschwerden führen die Patienten in die Praxis, von sogenannten Dreimonatskoliken bei Säuglingen, motorischen Entwicklungsverzögerungen über Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Tinnitus, Hexenschuss, allgemeinen Muskel- und Gelenkbeschwerden bis hin zur Blaseninkontinenz.
Zu den Grenzen der Osteopathie: Akute lebensbedrohende Notfallsituationen oder schwere Pathologien wie etwa Tumorerkrankungen gehören nicht primär zum Tätigkeitsbereich der Osteopathen, ebenso wenig Knochenbrüche oder Eingriffe vor oder nach frischen Operationen.
Worauf sollten Patienten bei der Wahl ihres Therapeuten achten, und wie finden sie ihn am besten?
Prof. Marina Fuhrmann: Derzeit herrscht eine unbefriedigende gesetzliche Situation in Deutschland, da die Berufsbezeichnung „Osteopath“ bislang gesetzlich nicht geregelt und von daher nicht erlaubt ist. Ihr „Osteopath“ darf derzeit nur als Arzt oder Heilpraktiker firmieren. Da auch die Ausbildung und Prüfung bundesweit nicht einheitlich geregelt sind, ist es für den Patienten nicht einfach, die tatsächliche osteopathische Qualifikation zu erkennen. Deswegen fordert der Verband der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V. ein Berufsgesetz für Osteopathen. Damit gibt es endlich Transparenz, Patientensicherheit und Rechtssicherheit für alle Osteopathen.
Da eine staatliche Regelung bislang fehlt, betreibt der VOD Qualitätssicherung im Interesse der Patienten. Auf der Internetseite des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) unter www.osteopathie.de oder in der Geschäftsstelle des Verbandes unter der Telefonnummer 0611 5808975 – 0 können Interessierte Therapeutenlisten nach Postleitzahlen abfragen. Hierauf sind nur diejenigen Osteopathen verzeichnet, die eine mindestens vierjährige Ausbildung absolviert haben und sich ständig weiter qualifizieren.
Was kostet eine Behandlung?
Prof. Marina Fuhrmann: Behandlungen kosten zwischen 60 und 150 Euro.
Wie viele Behandlungen sind im Schnitt nötig?
Prof. Marina Fuhrmann: Jede Osteopathiebehandlung wird individuell auf den Patienten abgestimmt. Nach drei bis vier Malen wird durch den Patienten und den Osteopathen eine Neubewertung durchgeführt und gemeinsam entschieden, ob das aktuelle Symptombild eine Fortführung notwendig macht und sinnvoll erscheinen lässt. Der genaue Verlauf und die Dauer der Behandlung ist immer von dem Einzelfall abhängig.
Viele gesetzliche Krankenkassen übernehmen anteilig Kosten für osteopathische Behandlungen. Was müssen Patienten in diesem Zusammenhang beachten?
Prof. Marina Fuhrmann: Die Osteopathie hat sich in Deutschland schon vor der Bezuschussung durch Krankenkassen etabliert und wurde von vielen Patienten angenommen. Mit der Einführung des Versorgungsstrukturgesetzes Anfang 2012 dürfen Gesetzliche Krankenkassen Zusatzleistungen erstatten. Mehr als 90 Kassen übernehmen in Deutschland mittlerweile teilweise die Kosten für Osteopathiebehandlungen (www.osteopathie.de/service-krankenkassenliste). Wir empfehlen immer auch eine Rücksprache mit der jeweiligen Kasse.
Prof. Marina Fuhrmann M.Sc. (USA) DO®
ist Professorin für Osteopathie an der Hochschule Fresenius in Idstein und inhaltlich verantwortliche Studiendekanin für den Bachelor-Studiengang Osteopathie. Sie betreibt eine eigene Praxis in Wiesbaden. Prof. Fuhrmann ist 1. Vorsitzende und Gründerin des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V. sowie u.a. Mitglied der American Academy of Osteopathy.