Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Chronisch Kranke profitieren von Homöopathie.
Studien kurz und knapp

Chronisch Kranke profitieren von Homöopathie

Von Dr. Jens Behnke

Homöopathie

Neue Outcome-Studie: Zunehmend spielt in der klinischen Forschung die sogenannte Versorgungsforschung eine wichtige Rolle. Die so bezeichneten Outcome-Studien versuchen medizinische Interventionen unter alltäglichen Praxisbedingungen zu untersuchen. Die hierbei gemessene Wirksamkeit einer Therapie soll den tatsächlichen Nutzen für den Patienten widerspiegeln.

Im Gegensatz hierzu stellen randomisierte Doppelblindstudien häufig zitiert als der Goldstandard der klinischen Forschung auf isolierte spezifische Effekte von Behandlungsformen, zumeist Arzneimitteln, ab. Diese unter „Laborbedingungen“ registrierten Wirkungen geben oftmals nur bedingt Antwort auf die Frage: “Was hilft dem Patienten im echten Leben?“ Sie untersuchen vielmehr Kausalbeziehungen im pharmakologischen Sinne. Beide Forschungsgebiete und die zugehörigen Studiendesigns haben ihre Berechtigung und sollten einander sinnvoll ergänzen.[1]

Selbsteinschätzung der Lebensqualität

Die vorliegende Outcome-Studie [2] untersuchte die Veränderungen des Gesundheitszustands von 198 chronisch Kranken mittelst des MYMOP2-Fragebogens (Measure Yourself Medical Outcome Profile). Dieser erhebt neben den zwei schwerwiegendsten Symptomen, die mit der zugrundeliegenden Erkrankung assoziiert sind, Kennwerte für das allgemeine Aktivitätslevel sowie das Wohlbefinden auf einer Skala von 0 bis 6 (0 = so gut wie möglich, 6 = so schlecht wie möglich) und bildet zusätzlich einen zusammenfassenden Durchschnittswert (Profile Score) all dieser Skalen. Die Probanden befanden sich bei insgesamt 20 Ärzten mit einer Zusatzqualifikation in Homöopathie in Behandlung. Erfasst wurden die Daten für fünf Konsultationen. Die häufigsten Indikationen, die zur Inanspruchnahme homöopathischer Behandlung führten, waren Krebs (16,7%), psychische Erkrankungen (13,9%) sowie Erkrankungen des Urogenitaltraktes (12,3%). Die Patienten gaben an, dass der größte Leidensdruck von den folgenden Symptom(grupp)en ausgehe: Schmerzen, mentale Beeinträchtigung und Müdigkeit/Erschöpfung.

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Messergebnisse

107 Patienten nahmen nicht alle fünf vorgesehenen Behandlungstermine wahr. Die möglichen Gründe hierfür reichen vom vorzeitigen Tod durch die bereits zu Studienbeginn vorhandene Krebserkrankung (5 Probanden), bis hin zu einer mutmaßlichen sehr großen Verbesserung des Gesundheitszustandes, die eine weitere Behandlung überflüssig erscheinen lässt. In die Auswertung gingen aber die jeweils letzten vorhandenen Daten jedes Teilnehmers ein (Intention to Treat-Analyse). Hierdurch wird dieser Informationsverlust statistisch kompensiert.
Es zeigte sich eine durchschnittliche Verbesserung des Profile Scores von 4,25 zu Studienbeginn um 1,24 auf 3,01 Punkte auf der MYMOP2-Skala über den gesamten Studienzeitraum (95% Konfidenzintervall: 1,04 – 1,44). Ähnliche Resultate ergaben sich für die gemessenen Subkategorien. Sämtliche Veränderungen waren statistisch signifikant (p<0,001).
  

Was bedeuten diese Werte für den Patienten?

Drückt man die durchschnittliche Verbesserung in Prozenten aus, ergibt sich ein Wert von 29,2%: Ein Zugewinn an Lebensqualität von fast einem Drittel ist insbesondere in Anbetracht des hier untersuchten Patientenkollektivs mit langwierigen, schweren und zum Teil unheilbaren Erkrankungen durchaus relevant zu nennen. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich folgende Einteilung für siebenstellige numerische Skalen, wie sie hier Anwendung fanden: >0,5 Punkte für kleine Effekte, >1,0 für mittelgradige und >1,5 für große Effekte.[3] Die gemessene durchschnittliche Veränderung von 1,24 Punkten auf der MYMOP2-Skala entspräche demnach einer mindestens mittelgroßen Steigerung des Wohlbefindens, des Aktivitätsniveaus sowie einer entsprechenden Reduktion der Beeinträchtigung durch Krankheitssymptome.

Wie zuverlässig sind diese Daten?

Die vorliegende Outcome-Studie sollte aufgrund ihres Designs vorsichtig interpretiert werden, weil sie in mehrfacher Hinsicht verzerrungsanfällig ist. Außerdem gibt sie aus methodischen Gründen keinerlei Aufschluss darüber, ob die verabreichten homöopathischen Arzneimittel für die beobachteten Verbesserungen des Befindens verantwortlich sind. Theoretisch denkbar wäre auch eine Besserung allein aufgrund psychogener Faktoren oder anderer Kontexteffekte.

Diese Betrachtung ist aber von eher akademischem Interesse. Im Hinblick auf die primäre Fragestellung, welche die Versorgungsforschung untersucht, lässt sich aufgrund dieser Arbeit konstatieren: Chronisch Kranke profitieren von einer homöopathischen Behandlung, häufig in einem beachtlichen Ausmaß. Diese Beobachtung wird durch eine breite Datenbasis aus früheren Untersuchungen gestützt.[4-16]

Literatur

[1] Walach, H.; Falkenberg, T.; Fönnebö, V.; Lewith, G.; Jonas, W.B.: Circular instead of hierarchical: methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Med Res Methodol 2006; 6: (1-9). Abstract

[2] Thompson, E.; Viksveen, P.; Barron, S.: A patient reported outcome measure in homeopathic clinical practice for long-term conditions. Homeopathy 2016; 105(4): 309-317. Abstract 

[3] Guyatt GH, Juniper EF,Walter SD, Griffith LE, Goldstein RS.: Interpreting treatment effects in randomised trials. BMJ 1998; 316(7132): 690e693. Abstract

[4] Witt, C.M., Lüdtke, R., Baur, R. & Willich, S. (2005): Homeopathic Medical Practice: Long-Term Results of a Cohort Study with 3981 Patients. In: BMC Public Health, 5, 115. Abstract

[5] Witt, C.M., Lüdtke, R., Mengler, N. & Willich, S.N. (2008): How Healthy Are Chronically Ill Patients after Eight Years of Homeopathic Treatment? – Results From a Long Term Observa-tional Study. In: BMC Public Health, 8, 413. Abstract

[6] Teut M, Lüdtke R, Schnabel K, Willich SN, Witt CM: Homeopathic treatment of elderly patients – a prospective observational study with follow-up over a two year period. BMC Geriatrics 2010; 0:10. Abstract 

[7] Rossi E, Endrizzi C, Panozzo MA, Bianchi A, Da Frè M. Homeopathy in the public health system: a sevenyear observational study at Lucca Hospital (Italy). Homeopathy. 2009 Jul;98(3):142-8. Abstract

[8] Rostock M, Naumann J, Guethlin C, Guenther L, Bartsch HH, Walach H. Classical homeopathy in the treatment of cancer patients--a prospective observational study of two independent co-horts. BMC Cancer. 2011 Jan 17;11:19. Abstract

[9] Rossignol M et al.: Impact of physician preferences for homeopathic or conventional medicines on patients with musculoskeletal disorders: results from the EPI3-MSD cohort. Pharmacopep-idemiol. Drug Saf. 2012, 21(10): 1093-101. Abstract

[10] Grimaldi-Bensouda L et al.: Homeopathic medical practice for anxiety and depression in prima-ry care: the EPI3 cohort study. BMC Complementary and Alternative Medicine (2016) 16:125. Abstract

[11] Riley D, Fischer M, Singh B, Haidvogl M, Heger M. Homeopathy and conventional medicine: an outcomes study comparing effectiveness in a primary care setting. J Altern Complement Med. 2001 Apr;7(2):149-59. Abstract

[12] Steinsbekk A, Lüdtke R. Patients' assessments of the effectiveness of homeopathic care in Norway: a prospective observational multicentre outcome study. Homeopathy. 2005 Jan;94(1):10-6. Abstract

[13] Spence DS, Thompson EA, Barron SJ. Homeopathic treatment for chronic disease: a 6-year, universityhospital outpatient observational study. J Altern Complement Med. 2005 Oct;11(5):793-8. Abstract

[14] Thompson EA, Reillly D. The homeopathic approach to symptom control in the cancer patient: a prospective observational study. Palliat Med. 2002 May;16(3):227-33. Abstract

[15] Frass M, Friehs H, Thallinger C, Sohal NK, Marosi C, Muchitsch I, Gaertner K, Gleiss A, Schuster E, Oberbaum M. Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and sub-jective wellbeing in cancer patients - A pragmatic randomized controlled trial. Complement Ther Med. 2015 Jun;23(3):309-17. Abstract

[16] Gründling C, Schimetta W, Frass M. Real-life effect of classical homeopathy in the treatment of allergies: A multicenter prospective observational study. Wien Klin Wochenschr. 2012 Jan;124(1-2):11-7. Abstract

Dr. phil. Jens Behnke

Dr. phil. Jens Behnke