Chronisch Kranke profitieren von Homöopathie
Neue Outcome-Studie: Zunehmend spielt in der klinischen Forschung die sogenannte Versorgungsforschung eine wichtige Rolle. Die so bezeichneten Outcome-Studien versuchen medizinische Interventionen unter alltäglichen Praxisbedingungen zu untersuchen. Die hierbei gemessene Wirksamkeit einer Therapie soll den tatsächlichen Nutzen für den Patienten widerspiegeln.
Im Gegensatz hierzu stellen randomisierte Doppelblindstudien – häufig zitiert als der Goldstandard der klinischen Forschung – auf isolierte spezifische Effekte von Behandlungsformen, zumeist Arzneimitteln, ab. Diese unter „Laborbedingungen“ registrierten Wirkungen geben oftmals nur bedingt Antwort auf die Frage: “Was hilft dem Patienten im echten Leben?“ Sie untersuchen vielmehr Kausalbeziehungen im pharmakologischen Sinne. Beide Forschungsgebiete und die zugehörigen Studiendesigns haben ihre Berechtigung und sollten einander sinnvoll ergänzen.[1]
Selbsteinschätzung der Lebensqualität
Die vorliegende Outcome-Studie [2] untersuchte die Veränderungen des Gesundheitszustands von 198 chronisch Kranken mittelst des MYMOP2-Fragebogens (Measure Yourself Medical Outcome Profile). Dieser erhebt neben den zwei schwerwiegendsten Symptomen, die mit der zugrundeliegenden Erkrankung assoziiert sind, Kennwerte für das allgemeine Aktivitätslevel sowie das Wohlbefinden auf einer Skala von 0 bis 6 (0 = so gut wie möglich, 6 = so schlecht wie möglich) und bildet zusätzlich einen zusammenfassenden Durchschnittswert (Profile Score) all dieser Skalen. Die Probanden befanden sich bei insgesamt 20 Ärzten mit einer Zusatzqualifikation in Homöopathie in Behandlung. Erfasst wurden die Daten für fünf Konsultationen. Die häufigsten Indikationen, die zur Inanspruchnahme homöopathischer Behandlung führten, waren Krebs (16,7%), psychische Erkrankungen (13,9%) sowie Erkrankungen des Urogenitaltraktes (12,3%). Die Patienten gaben an, dass der größte Leidensdruck von den folgenden Symptom(grupp)en ausgehe: Schmerzen, mentale Beeinträchtigung und Müdigkeit/Erschöpfung.
Messergebnisse
107 Patienten nahmen nicht alle fünf vorgesehenen Behandlungstermine wahr. Die möglichen Gründe hierfür reichen vom vorzeitigen Tod durch die bereits zu Studienbeginn vorhandene Krebserkrankung (5 Probanden), bis hin zu einer mutmaßlichen sehr großen Verbesserung des Gesundheitszustandes, die eine weitere Behandlung überflüssig erscheinen lässt. In die Auswertung gingen aber die jeweils letzten vorhandenen Daten jedes Teilnehmers ein (Intention to Treat-Analyse). Hierdurch wird dieser Informationsverlust statistisch kompensiert.
Es zeigte sich eine durchschnittliche Verbesserung des Profile Scores von 4,25 zu Studienbeginn um 1,24 auf 3,01 Punkte auf der MYMOP2-Skala über den gesamten Studienzeitraum (95% Konfidenzintervall: 1,04 – 1,44). Ähnliche Resultate ergaben sich für die gemessenen Subkategorien. Sämtliche Veränderungen waren statistisch signifikant (p<0,001).
Was bedeuten diese Werte für den Patienten?
Drückt man die durchschnittliche Verbesserung in Prozenten aus, ergibt sich ein Wert von 29,2%: Ein Zugewinn an Lebensqualität von fast einem Drittel ist insbesondere in Anbetracht des hier untersuchten Patientenkollektivs mit langwierigen, schweren und zum Teil unheilbaren Erkrankungen durchaus relevant zu nennen. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich folgende Einteilung für siebenstellige numerische Skalen, wie sie hier Anwendung fanden: >0,5 Punkte für kleine Effekte, >1,0 für mittelgradige und >1,5 für große Effekte.[3] Die gemessene durchschnittliche Veränderung von 1,24 Punkten auf der MYMOP2-Skala entspräche demnach einer mindestens mittelgroßen Steigerung des Wohlbefindens, des Aktivitätsniveaus sowie einer entsprechenden Reduktion der Beeinträchtigung durch Krankheitssymptome.
Wie zuverlässig sind diese Daten?
Die vorliegende Outcome-Studie sollte aufgrund ihres Designs vorsichtig interpretiert werden, weil sie in mehrfacher Hinsicht verzerrungsanfällig ist. Außerdem gibt sie aus methodischen Gründen keinerlei Aufschluss darüber, ob die verabreichten homöopathischen Arzneimittel für die beobachteten Verbesserungen des Befindens verantwortlich sind. Theoretisch denkbar wäre auch eine Besserung allein aufgrund psychogener Faktoren oder anderer Kontexteffekte.
Diese Betrachtung ist aber von eher akademischem Interesse. Im Hinblick auf die primäre Fragestellung, welche die Versorgungsforschung untersucht, lässt sich aufgrund dieser Arbeit konstatieren: Chronisch Kranke profitieren von einer homöopathischen Behandlung, häufig in einem beachtlichen Ausmaß. Diese Beobachtung wird durch eine breite Datenbasis aus früheren Untersuchungen gestützt.[4-16]
Literatur
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