Herzgesundheit: Beim Fußball-Gucken nicht aufregen!
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Herz-Kreislauf Stress
Was hat das Schauen eines Fußball-Spiels im Fernsehen mit dem Erleben eines Erdbebens gemeinsam?
Bereits in den 90er-Jahren konnte ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Erdbeben und einer Zunahme von Herzinfarkten aufgezeigt werden. Dabei wurde und wird auch heute noch vor allem dem psychisch-emotionalen Stress eine auslösende Rolle zugeschrieben. (1-5) Das ist soweit nachvollziehbar.
Aber was hat das nun mit Fußball-Gucken zu tun? "Für einen leidenschaftlichen Fan […] ist ein dramatisches Spiel, in dem es um viel geht, ein stressiges Ereignis" (6). Spätestens, als Raheem Sterling in der 75. Minute auf das Tor von Manuel Neuer zulief – welches Fußball-Fan-Herz begann da nicht, schneller zu schlagen? Doch ist das nur eine abgedroschene Metapher oder kann auch das Schauen eines solchen Spieles, ebenso wie das Erleben eines Erdbebens, ein kardiovaskuläres Ereignis auslösen?
Daten aus der Europameisterschaft 1996
Die Studienergebnisse zu diesem Thema sind heterogen. So fanden etwa Witte et al. eine signifikante Zunahme in der Sterblichkeit durch kardiovaskuläre Erkrankungen bei niederländischen Männern älter als 45 Jahre an dem Tag, als die niederländische Nationalmannschaft gegen Frankreich 1996 aus der Europameisterschaft ausschied. (7) Bei Französinnen und Franzosen zeigte sich in der Arbeit von Toubiana et al. während des Turniers hingegen keine signifikante Zunahme der Sterblichkeit – obwohl die französische Nationalmannschaft den Sieg gegen die Niederlande nur knapp im Elfmeterschießen errungen hatte. (8) Es muss also bestimmte (Ko-)Faktoren geben, die sich positiv oder negativ auf das Risiko auswirken.
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Andreas Michalsen · Anna Paul
ISBN: 978-3-96562-063-6
Erscheinungsjahr: 2022, 2. Aufl.
17,00 EUR
Zum Shop »Aktuelle Meta-Analyse mit Hinweis auf verstärkende Faktoren
Um mehr Klarheit über die Studienlage zu bekommen, führten Lin et. al eine Meta-Analyse durch. (9) Sie berücksichtigten Studien mit Zuschauerinnen und Zuschauern von Spielen der FIFA Weltmeisterschaft, der UEFA Europameisterschaft sowie von englischen und australischen Turnieren. Im Fokus standen jeweils die Spieltage, verglichen wurden diese mit den Tagen vor und nach den Spielen als Kontrolle. Insgesamt 13 Beobachtungsstudien wurden in die Analyse eingeschlossen.
Von diesen 13 Studien zeigten sechs ein erhöhtes Risiko für tödlich verlaufende und weitere sechs ein erhöhtes Risiko für nicht tödlich verlaufende kardiovaskuläre Erkrankungen durch das Schauen von Fußballspielen. Im Allgemeinen ist das Risiko also erhöht, sowohl für männliche wie auch weibliche Zuschauer. Interessant sind jedoch vor allem die Subgruppen-Analysen. So berichten zwei Studien von einem verringerten Risiko für tödliche kardiovaskuläre Erkrankungen, wenn die "eigene" Mannschaft gewann, und drei Studien von einem höheren Risiko, wenn die "eigene" Mannschaft verlor. Wer dazu noch auf das Spielergebnis wettet und finanzielle Konsequenzen auf sich lädt, erhöht sein Stresslevel weiter. Der Ausgang des Spiels scheint demnach ein nicht unerheblicher Faktor zu sein. In diesen Fällen waren Männer übrigens jeweils stärker betroffen als Frauen. Dies erklären die Autoren zum einen mit dem in der Regel höheren Interesse an Fußball bei Männern. Zum anderen weisen sie darauf hin, dass Männer häufiger Alkohol und Tabak konsumieren, gerade während des Fußball-Guckens und auch nach einer Niederlage "ihrer" Mannschaft, um negative Gefühle abzubauen. Natürlich wirkt sich dies ungünstig auf die Herzgesundheit aus.