Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Effekte von Leberwickeln auf die exkretorische Leberfunktion.
Studien kurz und knapp

Effekte von Leberwickeln auf die exkretorische Leberfunktion

Von Redaktion Carstens-Stiftung

Immunsystem Wickel und Auflagen

Eine Doktorarbeit von Sven Weisser aus dem Jahre 2004.
In dieser randomisierten Cross-over-Studie wurde geprüft, ob sich der Leberwickel zur unterstützenden Behandlung bei Lebererkrankungen, abdominellen Krämpfen, Dyspepsien, Gallekoliken und Gastroenteritiden eignet.

Einleitung

Der Leberwickel ist ein altes Hausmittel, das auch heutzutage noch häufig von Patienten und in komplementärmedizinischen Kliniken als leberunterstützende Maßnahme angewandt wird. Bis heute ist allerdings unklar, ob und welche Wirkungen der Leberwickel hat. In dieser Arbeit wollten wir die Frage klären, ob ein Leberwickel tatsächlich messbare physiologische Effekte auf die Leber besitzt.

Da Teile der Arbeit noch nicht fertiggestellt sind, müssen wir leider auf eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse verzichten. Eine vollständige Übersicht der Arbeit wird aber der Carstens-Stiftung vorgelegt und kann dort eingesehen werden.

Fragestellung

Um eine relevante Aussage zu möglichen physiologischen Effekten von Leberwickeln auf die Leberfunktion zu bekommen, wählten wir unter den vielen validierten und standardisierten Leberfunktionstests den Indocyaningrün(ICG)-Eliminationstest (ICG-PULSION®) aus, der eine globale Aussage über die Leberfunktion erlaubt und als leberspezifisch und sensitiv eingestuft wird [Brühl 1969, Ott 1998, Paumgartner et al. 1970, Paumgartner 1975].

Es wurde daher eine kontrollierte Studie durchgeführt, bei der die Eliminationsrate von ICG-PULSION® (Halbwertszeit) mit und ohne Wickel primärer Zielparameter war. Unsere Hypothese war, dass durch einen Leberwickel die Elimination von Indocyaningrün beschleunigt werden kann.

Material und Methoden

Bei einem Leberwickel wird eine feucht-heiße Auflage direkt auf den rechten Oberbauch (Regio hypochondriaca dextra) gelegt, wobei darauf zu achten ist, dass zwischen dem Wickel und der Haut kein isolierendes Luftpolster entsteht. Darüber werden 1-2 Lagen trockene Zwischentücher und ein Außentuch gelegt. Durch Wärmflaschen kann die Wärmewirkung noch verstärkt oder verlängert werden.

Ein Leberwickel dauert ungefähr 45-60 Minuten und kann mit verschiedenen Substanzen aus einem Teeauszug oder mit ätherischen Ölen kombiniert werden (Sonn 1998, Thüler 1998). In unserer Arbeit verzichteten wir jedoch auf Zusätze, um nur die Wirkung des feucht-heißen Leberwickels zu untersuchen.

ICG-Eliminationstest

Beim ICG-Eliminationstest wird eine definierte Menge des grünen Farbstoffes Indocyaningrün (ICG) intravenös injiziert. Danach werden in genau definierten Abständen Blutproben entnommen, aus denen durch Messung der Extinktion die Halbwertszeit von ICG berechnet werden kann.

ICG hat spezielle pharmakologische Eigenschaften. So wird es nicht in periphere Gewebe aufgenommen, unterliegt keinem enterohepatischen Kreislauf und wird ausschließlich über die Leber in die Galle eliminiert; beim Lebergesunden in Form einer negativen Exponentialfunktion. In Blut, Plasma oder Serum hat ICG-PULSION® ein Absorptionsmaximum zwischen 795 und 805 nm.

Durch die Zugehörigkeit von ICG zur Gruppe der gallepflichtigen Substanzen hat es viele Gemeinsamkeiten mit anderen Substraten. So wird z.B. die Aufnahme von ICG in die Hepatozyten durch unkonjugiertes und konjugiertes Bilirubin kompetitiv gehemmt, was dafür spricht, dass ICG und Bilirubin gleiche Transportproteine benutzen. 

Versuchsdesign

Die Studie wird Cross-Over durchgeführt. Teilnehmer sind Gesunde zwischen 18-45 Jahren und einem BMI<30 kg/m2. Ausschlusskriterien sind Jodallergie, Hitzeurtikaria, manifeste akute oder chronische Erkrankungen, Bilirubin >1.4 mg/dl, Schwangerschaft, Alkoholkonsum > 30g/Tag und Einnahme von Medikamenten mit Ausnahme von Kontrazeptiva. Alle Untersuchungen finden nüchtern zwischen 8.00 und 10.00 Uhr morgens statt.

Jeder Proband wird einmal mit Leberwickel und einmal ohne Leberwickel untersucht. Die Reihenfolge der Untersuchungen wird durch ein Losverfahren randomisiert. Die Zuordnung ist verdeckt.

Bei beiden Untersuchungen wirde zunächst in die rechte und linke Cubitalvenen der Probanden eine 20 gauge Verweilkanüle gelegt und Blut für die Bestimmung der Leberwerte und die basale Extinktion abgenommen. Bei der Untersuchung mit Leberwickel wirde eine heiße, feuchte Kompresse von 45x30cm im rechten Oberbauch aufgelegt, wobei die Temperatur für den Probanden gerade noch verträglich sein sollte. Über der Kompresse werden 2 Lagen trockene Tücher zirkulär angelegt zwischen denen 3 mit kochendem Wasser gefüllte kleine Wärmflaschen gelegt wurden. Wenn der Wickel zu heiß empfunden wird, kann die Temperatur durch Wegnahme von Wärmflaschen an die Verträglichkeit angepasst werden.

Nach einer 10 minütigen Ruhephase im Liegen wird bei beiden Untersuchungen am linken Arm 0,3 mg/kg ICG-PULSION® (Indocyaningrün, Mononatriumsalz- Natriumjodid, Firma PULSION, Medical Systems AG, München) in der Konzentration von 5 mg/ml als Bolus injiziert.

Exakt 3, 6, 9, 12, 15, 18, 21, 30 und 40 Minuten nach der Bolusinjektion werden aus dem rechten Arm Blut für die Extinktionsmessungen abgenommen. Nach Entnahme aller Blutproben werden diese bei 3500 g für 10 Minuten zentrifugiert. Zur Bestimmung der Extinktion wird das Beckman DU® 640 Spectrophotometer (Beckman Coulter GmbH, USA) verwendet und bei einer Wellenlänge von 800 nm gemessen. Aus den gemessenen Werten wird die Eliminations-Halbwertszeit berechnet und die ermittelten Werte mit und ohne Wickel verglichen. Weiterhin werden der Verlauf der Herzfrequenz, des Blutdrucks der Raumtemperatur und der Hauttemperatur unter dem Wickel dokumentiert. 8 Tage nach der Erstuntersuchung wurden die Probanden erneut untersucht, wobei die Probanden, die bei der ersten Untersuchung einen Leberwickel erhalten, nun keinen Leberwickel bekommen und umgekehrt. Die übrigen Untersuchungsbedingungen sind identisch. 

Fallzahlschätzung und Statistik

In die Studie sollen 14 Probanden aufgenommen werden. Damit ist es möglich, mit einem Ein-Stichproben-t-Test zum Niveau 5% Effekte in der Größenordnung einer Standardabweichung mit einer Sicherheit (Power) von 90% nachzuweisen (Dupont und Plummer 1997). Alle Analysen werden ausschließlich auf der Basis der per-protocol-Population durchgeführt.

Zur Bestimmung der Halbwertszeit werden die Konzentrationen logarithmiert und an die Daten eines einfachen linearen Regressionsmodells angelegt. Die geschätzte Halbwertszeit wird aus dem Quotienten von log(2) und der geschätzten Geradensteigung ermittelt. 

Vorläufige Ergebnisse

Bei den ersten Vorversuchen wurde ICG-PULSION® bei der Untersuchung mit einem Leberwickel schneller aus dem Blut eliminiert als ohne Leberwickel. Die Hauttemperatur unter dem Leberwickel betrug dabei über 40 Minuten durchschnittlich 40,6 ± 1,6 °C. Bezüglich der mittleren Herzfrequenz und dem diastolischen und systolischen Blutdruck konnten keine Unterschiede gemessen werden. 

Vorläufige Schlussfolgerungen

Sollte sich der Trend der Voruntersuchungen bestätigen, so würde das erste Mal nachgewiesen werden, dass Leberwickel einen messbaren physiologischen Effekt auf die Leberfunktion haben könnten, indem sie den grünen Farbstoff ICG schneller aus dem Blut eliminieren als bei der Kontrollgruppe ohne Leberwickel.

Möglicher Wirkungsmechanismus eines Leberwickels ist eine durch die Wärmeapplikation bedingte psychophysische Entspannung mit Dämpfung des Sympathikotonus. Der Sympathikotonus hat, wie aus tierexperimentellen Studien bekannt ist, einen erheblichen Einfluss auf die Leberdurchblutung und den Blutpool in der Leber. Durch Stimulation mit Noradrenalin in physiologischer Dosierung wird das hepatische Blutvolumen signifikant reduziert, während es unter medikamentöser Vasodilatation ansteigt (Kjekshus et al. 1997). Wenn die Leberdurchblutung gesteigert wird, sollte es auch zu einer rascheren Elimination exkretionspflichtiger Substanzen durch die Leber kommen.

Über eine mögliche klinische Bedeutung eines Leberwickels kann noch keine definitive Aussage gemacht werden, da hierfür klinische Studien bei Patienten mit Lebererkrankungen durchgeführt werden müssten. 

Autoren

Sven Weisser1, Roman Huber1, Rainer Lüdtke2
1 Universitätsklinikum Freiburg i.Br., Abteilung Innere Medizin II, Hugstetter Str. 49; 79095 Freiburg
2 Karl und Veronica Carstens-Stiftung, Am Deimelsberg 36, 45276 Essen

Anmerkung

Bitte beachten Sie auch die Veröffentlichung:
Huber R, Weisser S, Luedtke R: Effects of abdominal hot compresses on indocyanine green elimination – a randomized cross over study in healthy subjects. BMC Gastroenterology 2007, 7:27. DOI: 10.1186/1471-230X-7-27. Abstract

Literatur zu »Effekte von Leberwickeln auf die exkretorische Leberfunktion«

Brühl W (1969) Die Indoyaningrün-Probe als Leberfunktionstest, Z. Gastroenterologie 7 (1969) 294-297

Dupont WD, Plummer WD. (1997) PS power and sample size program available for free on the Internet. Controlled Clin Trials;18:274 Abstract

Kjekshus H, Risoe C, Scholz T, Smiseth O. (1997) Regulation of Hepatic Vascular Volume: Contributions From Active and Passive Mechanisms during Catecholamine and Sodium Nitroprussid Infuision. Oslo Abstract

Ott P (1998) Hepatic elimination of indocyanine green with spezial reference to distribution kinetics and the influence of plasma protein binding. Pharmacol Toxicol 83 Suppl.II: 5-48 Abstract

Paumgartner G (1975) The handling of indocyanine green by the liver. Schweiz Med Wochenschr (Suppl) 105: 5-30, 1975 Abstract

Paumgartner G, Probst P, Kraines R, Leevy CM (1970) Kinetics of indocyanine green removal from the blood. N.Y. Acad. Sci 170: 134-147 Abstract

Sonn A. (1998) Pflegethema: Wickel und Auflagen, Thieme, Stuttgart

Thüler M. (1998) Wohltuende Wickel, 8. Aufl. Maya Thüler Verlag, Worb