Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Arnica C30 nach Mandeloperation
Studien kurz und knapp

Arnica C30 nach Mandeloperation

Von Rainer Lüdtke

Homöopathie Mundraum Immunsystem

Studie belegt Schmerzreduktion: Welche Aussagekraft hat eine Studie, in der mehr als 40 % aller behandelten Patienten die Antwort verweigern und daher weniger als 60% aller Patienten ausgewertet werden können?

In einer randomisierten Studie wurden 190 Patienten, die sich einer Tonsillektomie unterzogen hatten, über eine Woche mit homöopathischer Arnica montana C30 oder einem Placebo behandelt. Nach 14 Tagen waren die Schmerzen in der Arnicagruppe signifikant geringer als in der Placebogruppe, die Schmerzmitteleinnahme war in beiden Gruppen ähnlich.

Welche Aussagekraft hat eine therapeutische Studie, in der mehr als 40% aller behandelten Patienten die Antwort verweigern und daher weniger als 60% aller Patienten ausgewertet werden können? Nun, das hängt davon ab, ob die Patienten die Antwort aus Gründen verweigern, die mit der Therapie zusammenhängen, oder nicht. Leider fehlt über die Antwortverweigerer meist auch diese Information. Es ist daher gute wissenschaftliche Praxis, alle einmal in eine Studie aufgenommen Patienten in die Auswertung einzubeziehen und fehlende Werte möglichst geeignet zu ersetzen.
Dass diese Praxis häufig missachtet wird, ist ein Phänomen, das in den verschiedenen Kommentaren, die in dieser Reihe „Forschung kommentiert“ erschienen sind, schon mehrfach beklagt worden ist. Auch Robertson und Koautoren ignorieren sie geflissentlich. Und so ist es schon ziemlich egal, ob zum Schluss etwas Positives oder Negatives für die Homöopathie herauskommt: zuverlässig und belastbar sind diese Daten nicht.

Einschätzung

Aus statistischer Sicht ähnelt die Durchführung einer klinischen Studie einem Spiel; einem Spiel, das man mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit gewinnt oder verliert. Teil des Spiels ist es, sich vor Spielbeginn auf einen Parameter festzulegen (das sogenannte Hauptzielkriterium), anhand dessen entschieden werden soll, ob man gewonnen oder verloren hat. Diese Entscheidung fällt nicht immer leicht, oft genug hat man gerade in der Homöopathie (aber auch in vielen anderen Bereichen der Forschung) nicht genug Vorinformationen, um sich bei der Wahl des Parameters sicher zu sein. Und so kommt es, dass man häufiger verliert als man ursprünglich kalkuliert hat, nicht nur weil die Würfel schlecht fallen, sondern auch weil man sich bei der Wahl des Hauptzielkriteriums vertan hat. Dennoch ist es statistisch äußerst sinnvoll, sich auf ein einzelnes Hauptzielkriterium festzulegen. Andernfalls würde sich nämlich die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen unkalkulierbar erhöhen und das widerspricht natürlich den Interessen des (imaginären) Gegenspielers.

Befürworter und Skeptiker der Homöopathie spielen dieses Wissenschaftsspiel seit mehreren Jahren. Wann immer eine Studie zur Homöopathie negativ ausgeht (das heißt, die Signifikanzgrenze wird nicht unterschritten), verweisen die Skeptiker der Homöo-pathie darauf, dass damit das Spiel verloren sei, selbst wenn es andere Parameter gibt, in denen die Homöopathie das Spiel gewonnen hätte. Diese Haltung impliziert, dass man bei positiv verlaufenden Studien (mit signifikantem Ergebnis) zugeben muss, dass der Wissenschaftler das Spiel gewonnen hat.

Robertson und Kollegen haben mit ihrer Studie ein solches Spiel gewonnen. Sie haben sich a priori einen Zielparameter herausgesucht (die von den Patienten erlittenen Schmerzen 2 Wochen nach der Tonsillektomie), der sich im Vergleich zu Placebo als signifikant besser herausstellte. Aus Sicht der Spieler ist es daher unbedeutend, dass die Arnicapatienten in der ersten Woche nach der Tonsillektomie sogar etwas höhere Schmerzen erleiden mussten als die Placebopatienten und dass die Schmerzmitteleinnahme in der Arnicagruppe ebenfalls leicht erhöht war.
Dennoch ist zu erwarten, dass die Kritiker der Homöopathie genau diese Ergebnisse der Nebenzielkriterien zum Anlass nehmen werden und der Homöopathie ihre Wirksamkeit absprechen – womit sie die Spielregeln brechen würden.
Was andererseits nicht bedeutet, dass sie in diesem Fall im Unrecht sind. Tatsächlich dürfte es in der Gesamtschau aller Ergebnisse selbst einem Homöopathiebefürworter nicht leicht fallen, die Wirksamkeit einer Arnicabehandlung nach Tonsillektomie uneingeschränkt zu bejahen.

Der entscheidende Punkt jedoch ist: als Kommentator sollte man sich a priori festgelegt haben, ob man den formal statistischen Standpunkt einnimmt (also am Spiel teilnimmt) oder nicht. In der Reihe „Forschung kommentiert“ sind wir immer von dieser formalen Sichtweise abgewichen und haben uns erlaubt, auch für die Homöopathie nicht-signifikante Ergebnissen durchaus positiv zu bewerten. In diesem Fall gehen wir einen umgekehrten Weg: trotz eines formal positiven Ergebnisses sehen wir wenig Hinweise darauf, das Arnica C30 nach Tonsillektomien die postoperativen Schmerzen lindern kann.

Was auch damit zu tun hat, dass lediglich 111 der 190 randomisierten Patienten überhaupt ihr Schmerztagebuch zurückgegeben haben. Ob die anderen 69 Patienten vielleicht gerade deshalb ihr Interesse an der Studie verloren, weil sie zu starke Schmerzen hatten, ist ungeklärt. Ein solches Verhalten würde die Interpretation der Studie aber maßgeblich beeinflussen.

Die Meinung anderer:
Die Münchner Medizinische Wochenschrift hat zu dieser Studie einen Kommentar von E. Ernst, Exeter, UK veröffentlicht.
„[…] Ich möchte nicht behaupten, dass Arnika die Schmerzen vermehrt. Sicher bin ich mir jedoch, dass man mit schlecht gemachten Studien fast alles belegen kann.“

Literatur zu "Arnica C30 nach Mandeloperation"

Robertson A, Suryanarayanan R, Banerjee A: Homeopathic Arnica montana for post-tonsillectomy analgesia: a randomised placebo control trial. Homeopathy 2007;9:17-21 Abstract