Komplementäre und
Integrative Medizin
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Alois Schnaubelt Habilitationsprogramm der Carstens-Stiftung
Unsere Projekte

Akupunktur bei diabetischer Polyneuropathie

Von Redaktion Carstens-Stiftung

Komplementärmedizin

Polyneuropathie ist eine häufige Begleiterkrankung bei Diabetes, die mit Schmerzen und Missempfindungen in den Füßen einhergeht. Im Rahmen des Alois Schnaubelt-Habilitationsprogramms wird überprüft, ob Akupunktur dabei helfen kann, die Beschwerden zu lindern.

Der Begriff der diabetischen Polyneuropathie umfasst eine Erkrankung mit unterschiedlicher Ausprägung, die verschiedene Regionen des peripheren Nervensystems betreffen kann. Chronisch erhöhte Blutzuckerwerte im Rahmen eines Diabetes mellitus führen zu einer Schädigung der haarfeinen Blutgefäße, welche die Nerven selbst mit Sauerstoff versorgen, so lautet eine Hypothese. Die häufigste Form der diabetischen Nervenschädigung betrifft vorwiegend die feinen Nervenenden in den Füßen und Unterschenkeln (sensomotorische Form), dies führt zu Gefühlsstörungen und sogar Lähmungserscheinungen. Wenn vorwiegend diejenigen Nerven, welche Herz, Darm, Blase, insgesamt die inneren Organe versorgen, betroffen sind, spricht man von einer autonomen Neuropathie.

In der hier vorgestellten Studie wird es um die sensomotorische Polyneuropathie gehen, welche die Nerven in Füßen und Unterschenkeln betrifft. Die Erkrankung führt zum Verlust für Druck-, Schmerz- und Temperaturgefühl. Verletzungen der Fußsohle werden nicht rechtzeitig erkannt und versorgt; durch die mangelnde Funktion der feinen Blutgefäße verheilen die Wunden schlecht; entzündete Fußgeschwüre sind Teil des diabetischen Fußsyndroms. Eine sensomotorische Polyneuropathie ist in 85-90 Prozent an der Entstehung des diabetischen Fußsyndroms beteiligt, und hat damit einen hochrangigen Stellenwert in der Risikokonstellation für Fußgeschwür und sogar Amputation. Die diabetische Polyneuropathie stellt damit ein relevantes Gesundheitsproblem dar.

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Eine ursächliche Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung

Etwa 14-30 Prozent aller diabetischen Patienten im Erwachsenenalter sind durch eine sensomotorische diabetische Polyneuropathie betroffen. Im Zuge der demografischen Entwicklung in Deutschland wird die Zahl der Diabetes mellitus Typ 2-Betroffenen auf einem hohen Niveau bleiben oder sogar weiter zunehmen. Bereits Menschen mit gestörter Zuckerverwertung und noch ohne manifesten Diabetes mellitus können von den Symptomen einer Polyneuropathie betroffen sein.

Im Rahmen der Routineversorgung wird durch eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung bei Diabetes mellitus Typ 2 versucht, eine Polyneuropathie zu vermeiden bzw. das Fortschreiten zu verlangsamen. Eine andere ursächliche Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung. Auch die rein symptomatische Therapie mit Schmerzmitteln aus dem Antiepileptika-Spektrum kann das Fortschreiten der Erkrankung nicht aufhalten.

Nach Einnahme der konventionellen medikamentösen Therapie kann es zum Teil erhebliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten geben. Zudem werden die Beschwerden, insbesondere die Taubheitsgefühle, häufig nicht beseitigt. Komplementärmedizin und insbesondere Akupunktur werden von Patienten als zusätzliche Therapieoption in Anspruch genommen, ohne dass die Wirksamkeit bisher klar belegt werden konnte.

Es liegen bereits Pilotstudien zur Wirksamkeit von Akupunktur vor, die auf eine mögliche Wirksamkeit bei diabetischer Polyneuropathie hinweisen.

Mit Hilfe von neurophysiologischen Untersuchungen konnte in diesen Studien gezeigt werden, dass Akupunktur zur Reduktion der Symptome und zu einer Verbesserung der Nervenleitgeschwindigkeit der Fußnerven führt. Es wird angenommen, dass Akupunktur über die Stärkung der Selbstheilungskräfte und die Aktivierung der gestörten Feindurchblutung (Mikrovaskularisation) zu einer Verbesserung der Beschwerden und zu messbarer Regeneration von peripheren Nerven führt.

Zielsetzung

Ziel der hier vorgestellten Studie ACUDPN (Acupuncture in Diabetic Peripheral Neuropathy) ist es, bei Patienten mit manifestem Diabetes mellitus Typ 2 und Beschwerden durch diabetische Polyneuropathie an Füßen und Unterschenkeln, die Effekte von Akupunktur plus Routineversorgung zu untersuchen. Diese Untersuchung erfolgt sowohl hinsichtlich subjektiver Parameter, wie z. B. Schmerzen, Funktion und Lebensqualität, als auch objektiver Parameter, wie die gemessene Nervenleitgeschwindigkeit der Nerven im Fuß.

Dafür wurde eine Studie konzipiert, die mit den Mitteln des Alois-Schnaubelt-Habilitationsstipendiums der Karl und Veronica Carstens-Stiftung finanziert wird und die Akupunktur plus Routineversorgung im Vergleich mit Routineversorgung alleine untersucht.

Die Studie wird in mehreren klinischen Zentren durchgeführt. Das Hauptzentrum ist die Hochschulambulanz für Naturheilkunde der Charité Berlin – hier arbeiten Prof. Dr. Benno Brinkhaus als Projektleiter zusammen mit der Autorin an der Studie – sowie einem weiteren Zentrum in Hamburg, dem HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – der dortige Studienleiter ist PD Dr. Sven Schröder.

Studienverlauf

Während der Studie werden alle Teilnehmer zeitlich versetzt mit Akupunktur behandelt. Die Hälfte der insgesamt 110 Studienpatienten wird gleich zu Studienbeginn über acht Wochen verteilt zwölf Sitzungen Akupunktur erhalten, die andere weiterhin ihre bisherige Routineversorgung. Alle Studienteilnehmer notieren über die ersten acht Wochen in Tagebüchern die Stärke ihrer Beschwerden und den Verbrauch an schmerzlindernder Medikation.

Alle Patienten verbleiben nach Abschluss der ersten acht Wochen über weitere 16 Wochen in der Studie und erhalten weitere Fragebögen und körperliche Untersuchungen sowie Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit. Zum ersten Mal werden in dieser Studie für die Erfassung der subjektiven Parameter validierte Fragebögen zu Nervenschmerzen und weitere die Lebensqualität von Patienten mit diabetischer Polyneuropathie betreffende Fragebögen verwendet.

Die Patienten der Kontrollgruppe können nach der Beobachtungsphase ab Woche 16 ebenfalls eine kostenlose Akupunkturserie erhalten.

Die hier beschriebene den höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Studie (prospektiv, kontrolliert und randomisiert) ist notwendig, um die für die Versorgung neurologischer Patienten relevante Frage zu beantworten, ob Akupunktur – wie in den Vorstudien angedeutet – eine Option zur Behandlung der diabetischen Polyneuropathie darstellt und dabei helfen kann, die medikamentöse Behandlung der Symptome zu reduzieren.

Das Alois-Schnaubelt-Habilitationsprogramm

Im Rahmen des Alois-Schnaubelt-Habilitationsprogramms ermöglicht die Carstens-Stiftung vier ÄrztInnen die Habilitation. "Damit reagieren wir gleich auf zwei aktuelle epidemiologische bzw. gesundheitsökonomische Herausforderungen", sagt Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. med. Andreas Michalsen. "Denn zum einen schließen wir die wissenschaftliche Nachwuchslücke im Bereich der universitären Naturheilkunde und Komplementärmedizin. Zum anderen werden die geförderten Projekte wichtige Erkenntnisse zur integrativen Behandlung und Prävention von Erkrankungen liefern, unter denen in der heutigen Zeit immer mehr Menschen leiden: Stress-Syndrome, psychische Erkrankungen und Nervenerkrankungen, Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Krebs. Damit leistet die Carstens-Stiftung einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung."

Mit einer Gesamtfördersumme von bis zu 1,2 Millionen Euro ist das Alois-Schnaubelt-Habilitationsprogramm eines der größten Projekte der Carstens-Stiftung. Über einen Zeitraum von drei Jahren erhalten vier Habilitanden jeweils bis zu 300.000 Euro.

Dr. med. Joanna Dietzel

Dr. med. Joanna Dietzel ist Fachärztin für Neurologie im Fachbereich integrative und komplementäre Medizin des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité Berlin. Sie ist eine Habilitandin des Alois-Schnaubelt-Habilitationsprogramms.