Komplementäre und
Integrative Medizin
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Das klassische Setting: Die berühmte Fee und der berühmte Wunsch; in unserem Fall bezieht sich der Wunsch auf das Gesundheitssystem. Was wünschen Sie sich?

Dr. Saha:
Wie immer nur das Eine: Ein gleichberechtigtes Miteinander von Schulmedizin und Naturheilkunde. Angefangen bei der Ausbildung im Medizinstudium über die Patientenversorgung bis zur Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen.

 

Während weite Teile der Bevölkerung Homöopathie sehr gerne in Anspruch nehmen, steht die Wissenschaft der Homöopathie tendenziell skeptisch gegenüber. Halten Sie Homöopathie-Forschung für sinnvoll?

Dr. Saha:
Weltweit werden mehrere hundert Millionen Menschen jährlich homöopathisch behandelt. In Deutschland hat die Mehrheit der Bevölkerung Erfahrung mit Homöopathie. Dies geschieht, weil die Patienten einen positiven Effekt bemerken. Es gibt auch einige Studien, die eine Wirksamkeit der Homöopathie zeigen. Der Wirkmechanismus lässt sich mit unserem gängigen naturwissenschaftlichen Verständnis noch nicht erklären. Genau hier fängt Forschung an. Für mich bedeutet Wissenschaft, eine Beobachtung zu machen, die man nicht versteht. Aus diesem Grunde werden Studien durchgeführt, um die Beobachtungen zu reproduzieren, zu verifizieren und ein zunehmendes Verständnis über die Wirkungsweise zu erlangen. Also eigentlich ein gewichtiger Grund, mehr in die homöopathische Forschung zu investieren. Es wäre schön, die Diskussion über Homöopathie von der aktuell sehr kontroversen, emotionalen Ebene auf ein vorurteilsfreies, wissenschaftliches Niveau zu heben.

Foto Professor Andreas Michalsen | © Anja Lehmann
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Schon seit mehreren Tagen fühlen Sie sich schlapp. Sie spüren, ein bisschen fehlt die Energie. Was tun Sie?

Dr. Saha:
Der Körper lügt nie! Meist fehlt einfach die Ruhe. Ich sorge für ausreichend langen Schlaf. Aber nicht zu lange, das macht auch wieder träge. Ich bewege mich täglich mindestens eine halbe Stunde an der frischen Luft. Ich führe mir vollwertige, biologisch angebaute Nahrungsmittel zu und verzichte auf „Energieräuber“ wie Zucker, Alkohol oder Fast Food. Und ich spüre in mich hinein. Dann gibt mir mein Organismus oft die Antwort, was zu tun ist.

 

Die deutsche Forschungslandschaft Medizin: Was ist verbesserungswürdig?

Dr. Saha:
Der Großteil der Forschung wird von der Industrie finanziert und folgt daher in erster Linie dem Konzerninteresse. Wichtig wäre eine unabhängige Forschung, bei der die Forschungsgelder ohne wirtschaftliche Interessen und „Hintergedanken“ vergeben werden. Gerade bei den vielfach bewährten Naturheilverfahren steht keine große Firma dahinter, die mit den zu erforschenden Verfahren reich werden könnte. So unterbleibt die Forschung und damit die Möglichkeit, eine Evidenz für die Wirksamkeit der Naturheilkunde zu schaffen. Es ist also dringend nötig, dass von der öffentlichen Hand explizit die Erforschung von naturheilkundlichen Therapieverfahren finanziert wird, die ausschließlich das Patientenwohl im Sinn haben.

 

Welche drei Attribute beschreiben das optimale Arzt-Patienten-Verhältnis? 

Dr. Saha:
Augenhöhe, Mitgefühl, Achtsamkeit

 

Omas bestes Hausmittel war …?

Dr. Saha:
Wadenwickel und Zwiebelsaft bei fieberhaften Atemwegsinfekten.

 

Evidenzbasierte Medizin mit ihrer Forderung nach randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Studien und viele Verfahren der Komplementärmedizin stehen ja sozusagen auf dem Kriegsfuß. Haben Sie einen Lösungsvorschlag?

Dr. Saha:
Ich rate dazu, das Kriegsbeil zu begraben. Diese Studien haben einen gewichtigen Stellenwert und sind aus dem ärztlichen Alltag nicht wegzudenken. Durch sie wird eine sogenannte externe Evidenz geschaffen. Ich habe belegbare Aussagen, welche Therapie funktioniert und welche nicht. Aus der Vielzahl an Studien entstehen Leitlinien. Diese wiederum sind für die Ärzte eine gute Stütze im klinischen Alltag und eine Möglichkeit, sich Ratschlag von außen (extern) zu holen, wenn die eigene Expertise (interne Evidenz) nicht ausreicht. Mit zunehmender Berufserfahrung steigt die interne Evidenz, die Fähigkeit des Arztes, der im Laufe von Jahrzehnten tausende Patienten behandelt und deren Therapieverläufe gesehen hat. In der Medizin sind entscheidende Fähigkeiten oftmals nicht über das starre Gerüst „harter Fakten“ zu erfassen. Das sind Akzeptanz (auch von Symptomen, die sich ärztlicherseits nicht erklären lassen), liebevolle Zuwendung, Mitgefühl, die Intuition und Erfahrung des Arztes. In Studien kann immer nur ein Messwert oder eine Krankheit angesehen werden, nie der ganze Mensch. Diese im Vorfeld vorgenommene Eingrenzung widerspricht der menschlichen Natur. Unsere Patienten sind viel komplexer, haben viele Krankheiten und die Empfehlungen der Leitlinien sind dadurch in der Kombination oft widersprüchlich. Daher mein Vorschlag: Die integrative Kombination der externen und internen Evidenz.

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Welche Maßnahme reißt Sie aus dem Stimmungstief?

Dr. Saha:
Ein Stimmungstief ist ein Gefühl, eine Emotion, die wir als unangenehm erleben oder interpretieren. Gefühle brauchen Raum und Zeit um zu kommen, sich auszubreiten und wieder zu gehen. Dieser Vorgang würde genau so ablaufen, wenn wir nicht eingreifen würden. Da wir die „unangenehmen Sachen“ loswerden wollen, versuchen wir ihnen etwas entgegenzusetzen, sie zu verdrängen. Dadurch kehren wir sie allerdings nur unter den Teppich, über den wir dann in Zukunft immer wieder stolpern. Das was stört, ist ein Teil von uns, den wir nicht verdrängen sollten. Vielmehr möchte dieser, uns im Moment störende Teil, liebevoll gehalten und versorgt werden, er braucht unsere Zuwendung. Dann kann er sich transformieren und wieder integriert werden. Konkret: Bin ich im Stimmungstief, dann versuche ich, mit dem Gefühl zu sein, es zu halten, zu versorgen, die Ursachen und Bedingungen für sein Entstehen zu ergründen. Dies kann in Stille geschehen, in der Meditation, bei einem Spaziergang in der Natur oder im Teilen meines Erlebens mit einem verständnisvollen, mitfühlenden Menschen. In vielen Fällen reicht einfach schon ein achtsames Wahrnehmen von dem, was gerade stört und es transformiert sich.

 

Kennen Sie eine humorige Anekdote aus dem Ärztestand oder der Medizinwelt?

Dr. Saha:
Ich kenne da einen Witz, aber das würde den Platz wohl sprengen … [Für Humor ist bei uns immer genügend Platz, Anmerk. der Redaktion]

Ein Chirurg, ein Psychologe, ein Anästhesist, ein Internist und ein Pathologe machen zusammen Jagdurlaub. Es soll auf Enten gehen. Am Himmel kommt ein Schwarm vorbei.

Der Anästhesist: Langer dünner Hals, schwer zu intubieren.
Der Internist: Das könnten Enten sein, aber ohne Differentialdiagnose?
Der Psychologe: Na ja, sie sehen aus wie Enten, aber ob sie sich auch wie Enten fühlen?
Der Chirurg lädt durch, holt ein paar Tiere vom Himmel, reicht sie dem Pathologen und fragt: Schau mal, ob eine Ente dabei ist!

 

Sind Sie Mitglied von Natur und Medizin und wenn ja, warum?

Dr. Saha:
Selbstverständlich! Der Verein gibt mit seiner Mitgliederzeitschrift und den vielen bisher publizierten Büchern und Schriften, Veranstaltungen etc. unglaublich viele, wertvolle Tipps zur Selbsthilfe. Damit werden viele Patienten aus ihrer Hoffnungs-, Hilflosigkeit und Abhängigkeit von Ärzten und Therapeuten herausgeholt. Sie bekommen Möglichkeiten aufgezeigt, wie man sich bei vielen Beschwerden selber helfen kann. Zum anderen unterstützt der Verein die Forschung der Medizin an der Stelle, die ich oben angesprochen habe.

 

Lieber Herr. Dr. Saha, haben Sie vielen Dank für das Interview!

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Dr. med. Felix J. Saha

Dr. med. Felix J. Saha, Allgemeinarzt, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Zusatzbezeichnungen: Naturheilverfahren, Akupunktur, Chirotherapie, Homöopathie, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie (DGfAN), 1. Vorsitzender der akademischen Fachgesellschaft Indische Medizin (AFGIM).