Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Schmerz lass nach – Gua Sha konkurriert mit Wärmetherapie bei Rückenschmerzen
Studien kurz und knapp

Schmerz lass nach – Gua Sha konkurriert mit Wärmetherapie bei Rückenschmerzen

Von Daniela Hacke M.A.

Rückenschmerzen

Die in der chinesischen Volksmedizin verwendete Schabetechnik Gua Sha erweist sich in einer aktuellen Pilotstudie bei unspezifischen Schmerzen im unteren Rückenbereich als ebenso wirksam wie Wärmeauflagen – allerdings mit länger anhaltendem anti-entzündlichem Effekt.

Gua Sha, eine in Asien weit verbreitete Behandlungsmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin, ist eine sowohl einfache als auch effiziente Technik, die im asiatischen Raum zur Behandlung einer ganzen Bandbreite von Krankheiten sowohl im klinischen als auch häuslichen Gebrauch Anwendung findet. Sie gewinnt gegenwärtig auch in der westlichen Welt zunehmend – vor allem im klinischen Bereich – an Beachtung. Bei der Ausübung dieser Therapiemethode (Gua Sha = chinesisch: Kratzen und Krankheit/Rötung) werden mithilfe eines chinesischen Suppenlöffels, eines speziellen Schabers oder aber eines Schraubglasdeckels mittels streichender Bewegungen über die Haut der betroffenen Partien der Blutfluss zu Haut-, Muskel- und Bindegewebe sowie metabolische Prozesse angeregt. Die entstehenden Hautpetechien (Blutungen unter der Haut) sind in der Regel nicht schmerzhaft und bilden sich nach wenigen Tagen wieder zurück.
Nach Erfahrungen aus der klinischen Praxis bewegen sich die Einsatzgebiete dieser Therapieform zwischen Spannungskopfschmerz, Migräne, Myogelosen, Schwindel und Asthma bronchiale. Im Fokus der Gua-Sha-Forschung der letzten Jahre standen jedoch insbesondere Rückenbeschwerden im oberen und unteren Lendenwirbelbereich, deren kurzfristige Linderung in zwei Studien durch Einsatz der chinesischen Schabetechnik erreicht werden konnte. [1,2]
Im Rahmen einer aktuellen, vorläufigen Studie untersuchten chinesische Wissenschaftler nun die Effekte einer Gua Sha-Behandlung im Vergleich mit einer Wärmetherapie unter Verwendung einer Heißkompresse (mit getrocknetem Ingwer als pharmakologisch wirksame Komponente) auf die Symptomatik und die Entwicklung relevanter Entzündungsmarker bei älteren Patienten mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich. [3] Die zwölf Studienteilnehmer im Alter zwischen 60 und 87 Jahren bekamen per Zufallsprinzip in der ersten Therapiephase der im Crossover-Design konzipierten Studie entweder eine einmalige Gua-Sha-Anwendung mittels eines chinesischen Suppenlöffels oder aber eine Wärmebehandlung unter Verwendung einer Hydrocollator-Heißkompresse.

Nach einer Phase von 28 Tagen zur Gewährleistung eines ausreichend großen Abstands zwischen den Therapiephasen erhielten die Patienten in der zweiten Therapiephase die jeweils andere Therapie. Am jeweils ersten sowie siebten Tag der beiden Therapiephasen wurden per Fragebögen subjektive Daten zu Parametern wie beispielsweise Schmerzintensität, Funktionseinschränkungen, dem Auftreten depressiver Verstimmungen in Folge der Erkrankungssituation, der Schlafqualität und der Lebensqualität abgefragt. Zudem wurden Speichelproben der Teilnehmer per Laboranalyse auf den Gehalt entzündungsrelevanter Marker (Tumornekrosefaktor (TNF-alpha) und Hämoxygenase (HO-1)) untersucht.

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In der Auswertung der vorhandenen Daten zeigten sich beide Interventionen hinsichtlich der gemessenen Zielparameter als gleichermaßen effektiv, jedoch konnte bei den Patienten infolge der Gua-Sha-Behandlung eine etwas höhere Schmerzreduktion (21-25 Prozent gegenüber 16-18 Prozent unter Anwendung der Heißkompresse) beobachtet werden. Ebenso wurde mit der Schabetechnik eine größere Beweglichkeit (45-52 Prozent gegenüber 39-42 Prozent) erzielt, unter der Einschränkung, dass die Überlegenheit der Gua-Sha-Therapie hinsichtlich der besseren Beweglichkeit in allen drei Rückenregionen (T1, T12, S1) nur am Tag 1, also direkt in Folge der Behandlung, festzustellen war. Bei der Messung am siebten Tag der Nachbeobachtungsphase zeigte sich, dass durch Gua Sha langfristig eine Verbesserung der Beweglichkeit beim seitlichen Beugen der Region T1 erzielt werden konnte, während die Heißkompressen-Anwendung den Patienten eine verbesserte Beweglichkeit in der Region S1 ermöglichte.

Hinsichtlich der Laborparameter konstatierten die Wissenschaftler eine Überlegenheit der Gua-Sha-Behandlung gegenüber der Anwendung mittels Wärmeauflage, die sich in einer progressiven Reduktion der TNF-alpha- und Hämoxygenase-Werte von Tag 1 bis Tag 7 zeigte. Die außerdem zu beobachtende signifikante Verbesserung der Lebensqualität in der Gua-Sha-Gruppe nach einer Woche führen die Wissenschaftler folglich auf die gesenkten Entzündungsparameter zurück. Hinsichtlich der Entwicklung depressiver Symptome war zwischen beiden Gruppen kein Unterschied festzustellen, zumal die Studienteilnehmer bereits zu Studienbeginn nicht die erwartete Intensität an durch die Erkrankung ausgelösten psychischen Symptomen wie Depression und Schlafstörungen aufwiesen; diese bewegten sich mit einem Wert von zwei Punkten über den gesamten Studienverlauf im Minimalbereich der Skala von 0 bis 15 Punkten.
 

Einschätzung

Im Vergleich mit der Heißkompressen-Anwendung kann die Gua-Sha-Behandlung in dieser Studie zwar keine deutliche Überlegenheit aufweisen, allerdings zeigt sich, dass die Effekte auf der Ebene der Entzündungsmarker der chinesischen Schabetechnik länger anhalten als die der Wärmebehandlung. Den Vermutungen der Wissenschaftler zufolge bilden die beiden Entzündungsmarker TNF-alpha sowie Hämoxygenase die Schlüsselkomponenten für die zu beobachtende längere Phase der Schmerzlinderung und verbesserten Lebensqualität bei den Patienten in der Gua-Sha-Gruppe. Außerdem scheint eine Korrelation zwischen beiden Entzündungsmarkern zu bestehen, die laut Aussage der Wissenschaftler in zukünftigen Studien unter Berücksichtigung zusätzlicher Laborwerte aus dem Blutplasma näher betrachtet werden sollten. Da sich eine Verblindung sowohl von Therapeuten als auch Patienten bei der Einbeziehung einer Placebo-Kontrollgruppe wegen der invasiven Charakteristik der Gua-Sha-Behandlung als schwierig erweisen würde, kann auf der methodischen Ebene neben einer Kontrolle die Einbeziehung einer Kontrollgruppe, die keine Behandlung erhält, als Alternative dienen.

Je nach Zeitaufwand betragen die Kosten einer Gua-Sha-Behandlung zwischen 30 und 50 Euro. Leider werden die Kosten der Anwendungen in Deutschland üblicherweise nicht von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen, möglicherweise aber von manchen privaten Krankenversicherungen, je nach Versicherungsmodell und Krankenkasse ganz oder teilweise.
Bei Sonnenbrand, Hautausschlägen oder Hautverletzungen sollte von einer Gua-Sha-Behandlung abgesehen werden.

Literatur

1) Braun M, Schwickert M, Nielsen A, Brunnhuber S, Dobos G, Musial F, Lüdtke R, Michalsen A. Effectiveness of traditional Chinese „Gua Cha“ therapy in patients with chronic neck pain: a randomized controlled trial. Pain Medicine 2011; 12: 362-369 Abstract

2) Lauche R, Wübbeling K, Lüdtke R, Cramer H, Choi K-E, Rampp T, Michalsen A, Langhorst J, Dobos GJ. Randomized controlled pilot study: pain intensity and pressure pain thresholds in patients with neck and low back pain before and after traditional East Asian “Gua Sha” therapy. Am J Chin Med 2012; 40: 905-917 Abstract

3) Yuen JWM, Tsang WWN, Tse SHM, Loo WTY, Chan S-T, Wong DLY, Chung HHY, Tam JKK, Choi TKS, Chiang VCI. The effects of Gua sha on symptoms and inflammatory biomarkers associated with chronic low back pain: a randomized active-controlled crossover pilot study in elderly. Complement Ther Med 2017; 32: 25-32 Abstract