Komplementäre und
Integrative Medizin
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Musik gegen Schmerzen

Musik gegen Schmerzen

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Schmerz Integrative Medizin

Starke oder anhaltende Schmerzen können belastend sein – auch psychisch. Schmerzmittel sind wertvoll; angesichts möglicher Nebenwirkungen, etwa von Opioiden, ist ihr Einsatz aber nicht unkritisch. Deshalb sind wirksame nicht-medikamentöse Verfahren gefragt. Könnte die Musiktherapie ein solches Verfahren sein?

Datenbasis

Eine aktuelle Studie (1) nahm die Daten von 1056 Patient*innen unter die Lupe. Diese waren zwischen Januar 2017 und Juli 2020 in einem von acht Standorten einer Krankenhauskette aufgenommen worden, wobei der Aufenthalt mindestens 24 Stunden andauerte. Das Durchschnittsalter lag bei knapp 64 Jahren, gut drei Viertel der Personen waren weiblich. Alle eingeschlossenen Proband*innen litten an mittelstarken bis schweren Schmerzen, Angstzuständen und/oder Stress, d.h. auf einer Skala von 1-10 erreichten sie hinsichtlich des Schweregrades in mindestens einer dieser Kategorien mindestens eine 4. Eine weitere Gemeinsamkeit: alle nahmen während ihres Aufenthaltes mindestens eine Sitzung Musiktherapie in Anspruch.

Art der Musiktherapie

Die als vorrangig angegebenen Ziele der jeweiligen Musiktherapie waren dabei unterschiedlich: hauptsächlich diente sie explizit als Schmerztherapie (73,4% der Fälle), gefolgt vom sogenannten Coping, also als Ermächtigung zur Krankheitsbewältigung (24,5%), der Stressreduktion (22,3%), Entspannung (15,5%), Angstlinderung (14,7%) und Stimmungsaufhellung (9,8%). Während der im Mittel rund halbstündigen Sitzungen wurde das Hören von live gespielter oder aufgezeichneter Musik eingesetzt (86,0% der Fälle), MARI (music-assisted relaxation and imagery), d.h. eine Kombination aus Musikhören, Entspannung und Imagination (17,5%) sowie aktives Musikmachen (8,7%).

Schmerzen

Schmerzen

Maßnahmen zur Selbsthilfe bei Schmerzen von Kopf bis Fuß Homöopathie

Michael Elies · Annette Kerckhoff

ISBN: 978-3-96562-002-5
Erscheinungsjahr: 2019

6,90 EUR

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Ergebnisse

Die Patient*innen gaben im Vergleich zu vorher eine signifikante Verbesserung ihrer Beschwerden nach nur einer Musiktherapie-Sitzung an. Konkret verringerten sich auf der zehnteiligen Skala im Mittel der Schweregrad der Schmerzen um 2,04, Angst um 2,80 und Stress um 3,48 Punkte. Eine klinisch signifikante Reduktion der Symptome gaben für Schmerzen 76,3%, für Angst 91,9% und für Stress 95,4% der Patient*innen an.

Ein interessantes Ergebnis zeigt sich im Hinblick auf die Schmerz-Patient*innen. Von den 1056 Proband*innen litten vor der Musiktherapie 847 an Schmerzen größer-gleich 4 auf der 10er-Skala. Von diesen schliefen 118 (13,9%) während der Sitzung ein, wobei 70 (8,3%) auch nach der Musiktherapie noch schliefen und 48 (5,7%) vor Ende der Sitzung erwachten. Interessant ist dies deshalb, weil gerade Schmerzen – insbesondere noch im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes – in zahlreichen Fällen eigentlich Schlafprobleme verursachen. (2, 3)

Einschätzung

Die von den Patient*innen angegebene Schmerzreduktion von 2,04 Punkten nach der Musiktherapie ist vergleichbar mit Werten, die in anderen Studien nach anderen integrativen Verfahren wie der Akupunktur berichtet wurden. (4, 5) Insofern kommt die Musiktherapie durchaus als (ergänzendes) nicht-pharmakologisches Verfahren in der Schmerzbehandlung in Frage.

Dennoch hat die Studie auch Schwächen. Die gravierendste ist sicher das Fehlen mindestens einer Kontrollgruppe. So bietet sich vor allem ein Vergleich mit Proband*innen an, die Schmerzmedikamente einnehmen. So ließe sich auch besser schlussfolgern, ob und in welchem Grad Medikamente eingespart werden könnten. Eine weitere Schwäche ist die Heterogenität der eigentlichen Intervention: die Musiktherapie war unterschiedlich ausgelegt hinsichtlich ihres Zieles und ihrer Methoden. So fällt es schwer vorauszusagen, welche Elemente sich besonders zur Schmerzlinderung eignen, bzw. wie eine optimale Musiktherapie mit dem Ziel einer Schmerzreduktion aufgebaut sein sollte. Zukünftige Studien sollten diese Aspekte berücksichtigen.

Literatur zu "Musik gegen Schmerzen"

1) Rodgers-Melnick SN, Rivard RL, Block S, Dusek JA. Effectiveness of music therapy within community hospitals: an EMMPIRE retrospective study. Pain Rep. 2023 Apr 13;8(3):e1074. doi: 10.1097/PR9.0000000000001074. PMID: 37731473; PMCID: PMC10508459. Link

2) Altman MT, Knauert MP, Pisani MA. Sleep Disturbance after Hospitalization and Critical Illness: A Systematic Review. Ann Am Thorac Soc. 2017 Sep;14(9):1457-1468. doi: 10.1513/AnnalsATS.201702-148SR. PMID: 28644698; PMCID: PMC5711402. Link

3) Herscher M, Mikhaylov D, Barazani S, Sastow D, Yeo I, Dunn AS, Cho HJ. A Sleep Hygiene Intervention to Improve Sleep Quality for Hospitalized Patients. Jt Comm J Qual Patient Saf. 2021 Jun;47(6):343-346. doi: 10.1016/j.jcjq.2021.02.003. Epub 2021 Feb 11. PMID: 33744173. Link

4) Crespin DJ, Griffin KH, Johnson JR, Miller C, Finch MD, Rivard RL, Anseth S, Dusek JA. Acupuncture provides short-term pain relief for patients in a total joint replacement program. Pain Med. 2015 Jun;16(6):1195-203. doi: 10.1111/pme.12685. Epub 2015 Jan 13. PMID: 25586769; PMCID: PMC4478153. Link

5) Dusek JA, Griffin KH, Finch MD, Rivard RL, Watson D. Cost Savings from Reducing Pain Through the Delivery of Integrative Medicine Program to Hospitalized Patients. J Altern Complement Med. 2018 Jun;24(6):557-563. doi: 10.1089/acm.2017.0203. Epub 2018 Feb 23. PMID: 29474095; PMCID: PMC6006422. Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61