Komplementäre und
Integrative Medizin
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KI in der KIM

KI in der KIM

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Integrative Medizin Komplementärmedizin

Die Leistungsfähigkeit und die Anwendungsbereiche Künstlicher Intelligenz (KI) nehmen stetig zu. Da liegt die Frage nahe, welches Potenzial der Einsatz von KI in der Komplementären und Integrativen Medizin (KIM) entfalten könnte?

Ein aktueller Artikel setzt sich mit neuen Möglichkeiten, denkbaren Anwendungsszenarien, aber auch potenziellen Problemen auseinander. (1)

KI ist bereits im Einsatz

Im Jahre 2024 wird in manchen Bereichen der Medizin durchaus bereits auf KI-Unterstützung zurückgegriffen. Zur Verbesserung der Diagnose kann KI Patientendaten, etwa Krankenakten oder tomographische Befunde, analysieren und damit dem Mediziner einen umfassenderen Blick bzw. eine genauere Einschätzung ermöglichen. (2-4) Dadurch wird die Erstellung eines individuellen Gesundheitsprofils ebenso erleichtert (4,5), wie das Antizipieren von Gesundheitsrisiken (6-8). Auch virtuelle Assistenten, die auf den Patienten zugeschnittene Informationen liefern, Fragen beantworten und sogar Handlungsvorschläge geben, sind KI-unterstützt. (9,10)

Weitergedacht: KIM-spezifische Anwendungen von KI

Bezogen auf die Besonderheiten der KIM sind – als eine Auswahl – folgende Anwendungsszenarien denkbar:

Bildgebung
Vor der Akupunktur wird teilweise Ultraschall verwendet, um tiefe Strukturen sichtbar zu machen. Mittels KI könnte in Echtzeit identifiziert werden, ob es sich bei diesen Strukturen um Muskeln, Nerven, Sehnen oder Blutgefäße handelt. (11)

Diagnose
In der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt es manchmal Diskrepanzen zwischen der Zungen- und der Pulsdiagnose. KI könnte hier die Präzision erhöhen und das Auftauchen solcher Diskrepanzen minimieren. (12)

Behandlungspläne, Therapiewahl und -revision
Anstelle sich allein auf die Symptome des einzelnen Patienten zu beziehen, um einen passenden Behandlungsplan für ihn zu erstellen, könnte KI auf ganze Datensammlungen mehrerer Patienten (Wie waren die Symptome bei ihnen ausgeprägt? Welche Therapien waren erfolgreich?) sowie genetische Daten zurückgreifen. Dies käme dem Anspruch einer personalisierten Medizin in der KIM entgegen (13,14) und würde die Präzision in der Therapie erhöhen, etwa die Auswahl des geeigneten Phytopharmakons erleichtern (15-17).
In der Onkologie wäre es denkbar, dass KI das Ansprechen auf komplementäre Therapien wie Akupunktur oder Ernährungsumstellungen erfasst, sodass diese besser auf die konventionellen Maßnahmen abgestimmt werden können. (18-20)

Vorhersagemodelle
Eine Domäne der KIM ist die Behandlung von chronischen Erkrankungen durch Lebensstilmodifikationen. KI könnte das Fortschreiten einer solchen Erkrankung vorhersagen und entsprechend frühzeitige Interventionszeitpunkte identifizieren, um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten oder zu erhöhen. (21-24)

Virtuelle Assistenz
In der KIM gibt es mehrere Verfahren, die eine Anleitung oder Erklärung nötig machen, darunter etwa Meditation, Yoga und Ernährungsempfehlungen. KI-basierte virtuelle Assistenten, z.B. in Form einer App, könnten hier eine kontinuierliche Begleitung für den Patienten sein und ihn in seiner Selbstwirksamkeit unterstützen. (25-27)

Herausforderungen und potenzielle Probleme

Diese und weitere Einsätze von KI in der KIM bergen allerdings nicht nur Potenzial im positiven Sinne. Folgende Probleme gilt es, zu berücksichtigen:

Datenknappheit und -qualität
Damit KI-Algorithmen im diagnostischen und therapeutischen Sinne „richtige“ Entscheidungen treffen bzw. vorschlagen können, muss die Grundlage dieser Entscheidungen, d.h. die Datenbasis, ausreichend sein. KIM umfasst allerdings eine große Zahl an Therapien unterschiedlichen Ursprungs. Einen allgemeingültigen Standard, der alle Aspekte von KIM berücksichtigt, gibt es (noch) ebensowenig, wie eine einheitliche Terminologie. (28) Das Erstellen standardisierter elektronischer Patientenakten wird dadurch erschwert.
Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Qualität der Daten dar, die zum Training von KI-Algorithmen genutzt werden. Hier müsste auf bestmögliche Objektivität und homogene Verteilung geachtet werden, um einen (inhärenten) Bias zu vermeiden. (29,30)

Datensicherheit
Wie bei allen KI-Anwendungen muss die Datensicherheit eine hohe Priorität einnehmen. Im medizinischen Kontext gilt dies in besonderem Maße: Zum einen, weil hier hochsensible Daten erhoben werden, zum anderen aber auch, weil das Vertrauen des Patienten, sein Verhältnis zum Therapeuten und seine informierte Einwilligung in die Therapie, in der KIM ganz zentrale Rollen spielen. (31-34)

Rechtliche Sicherheit
Verknüpft mit dem vorangegangenen Aspekt ist derjenige der Rechtssicherheit. Der Datenschutz, insbesondere in der Gesundheitsversorgung, wird international unterschiedlich reguliert. In einer KI-unterstützten KIM müssten diese gesetzlichen Vorgaben Berücksichtigung finden. Außerdem muss geklärt sein, wie mit Fehlern der KI oder unerwünschten Therapieausgängen umgegangen wird. Die Zurechnungsfrage gestaltet sich hier bisweilen hochkomplex, es wären Richtlinien notwendig, nach welchen entsprechende Situationen bewertet werden könnten. (35,36)

Die menschliche Note
Gerade die KIM zeichnet sich durch eine menschliche Note, durch Einfühlsamkeit, in der Therapie aus. Wenn KI Einzug in die KIM erhält, ist es wichtig, die Bedeutung menschlicher Interaktion nicht zu verkennen. KI sollte das Wissen und das Vermögen des Therapeuten nicht untergraben oder obsolet machen, sondern stattdessen seine Arbeit unterstützen. Im Idealfall wird auf diese Weise dann sogar noch mehr Raum für Empathie frei. (37-39)

Zukünftige Forschungsfelder

Zum einen könnte KI dabei helfen, bislang noch nicht vollständig verstandene Mechanismen bestimmter KIM-Therapien, z.B. der Akupunktur, zu verstehen (40) oder das vorhandene Wissen zu sichten und zu kategorisieren, z.B. einen umfassenden Einblick in Wirkungen und Nebenwirkungen von Phytopharmaka ermöglichen (13).
Zum anderen könnte KI selbst zum Forschungsobjekt werden. Beispiele für forschungsleitende Fragen: Wie wirkt sich ihr Einsatz auf die Arzt-Patienten-Interaktion aus? (41) Wie wird KI von Patienten akzeptiert und welche Faktoren haben Einfluss auf ihr Vertrauen? (42) Entwickeln KI-Algorithmen einen Bias und wenn ja, welchen und warum? (43,44)

Literatur zu "KI in der KIM"

1) Ng JY, Cramer H, Lee MS, Moher D. Traditional, complementary, and integrative medicine and artificial intelligence: Novel opportunities in healthcare. Integr Med Res. 2024 Mar;13(1):101024. doi: 10.1016/j.imr.2024.101024. Epub 2024 Feb 9. PMID: 38384497; PMCID: PMC10879672. Link

2) Zhang H., Ni W., Li J., Zhang J. Artificial intelligence–based traditional Chinese medicine assistive diagnostic system: validation study. JMIR Med Inform. 2020;8(6):e17608. doi: 10.2196/17608. Jun 15. Link

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Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

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