Komplementäre und
Integrative Medizin
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Leitartikel Mitgliederzeitschrift: Homöopathie in Zeiten seelischer Belastung
Gesundheitstipps kompakt

Homöopathie in Zeiten seelischer Belastung

Von Dr. Markus Wiesenauer

Psyche Homöopathie

Jeden Tag sind unsere Psyche und unser Nervensystem zahlreichen Belastungen ausgesetzt. Wir sind immer und überall erreichbar – sprich "auf Empfang" – und haben ständig das Gefühl, auf eingegangene Nachrichten reagieren zu müssen. Anstatt einen Moment der Stille auszukosten, surfen wir im Internet oder schalten den Fernseher an – Geräusche, Bilder, Werbebotschaften und überall verlockende Angebote – das alles kann unsere Psyche auf Dauer überfordern und zu seelischen und psychosomatischen Beschwerden führen. In diesen Fällen ist die Homöopathie eine sanfte, nebenwirkungsfreie Heilmethode, die die Selbstheilungskräfte anregt. Das richtig gewählte Homöopathikum vermag wie ein schützender Mantel das strapazierte Nervenkostüm einzuhüllen und zu helfen, die täglichen Anstrengungen zu bewältigen.

Der alltägliche Wahnsinn mit all seinen Herausforderungen und Überangeboten kann unseren Körper negativ belasten, vor allem dann, wenn kein Ausgleich, keine Ruhe und keine Pausen folgen. Denn unsere Psyche ist eng mit dem "vegetativen Nervensystem" verbunden, das alle unbewusst ablaufenden Körperfunktionen steuert. Je nachdem, ob wir uns in "Alarmstimmung" oder in "Ruhe" befinden, werden Körperorgane unterschiedlich durchblutet und Körperfunktionen aktiviert. Da wundert es nicht, dass heutzutage Herz-Kreislauferkrankungen und vegetative Beschwerden wie Schlafstörungen, nervöse Kopfschmerzen, Reizmagen, Reizdarm und Reizblase zunehmen. Gerade bei sensibleren Menschen kommt der Körper ganz schwer in einen Entspannungszustand.

Psyche und vegetatives Nervensystem stehen in einem engen Zusammenhang, damit letztendlich auch Psyche und Verdauungssystem, Psyche und Hormonsystem, Psyche und ableitende Harnwege, Psyche und Haut. Das psychische Wohlbefinden entscheidet demnach über die Gesundheit dieser Organe mit, ebenso wie die Ernährung, die Bewegung, der "Vergiftungszustand" einen entscheidenden Einfluss auf die Befindlichkeit der Psyche haben.

Die Psyche schützen

Wer heutzutage psychisch gesund und stabil sein möchte, der muss sich mit der Umwelt, den Anforderungen des modernen Lebens auseinandersetzen, bewusst auf Manches verzichten, bewusst "Nein sagen", bewusst andere Elemente, vor allem Bewegung und Entspannung in das alltägliche Leben integrieren und bewusst Denkmuster entwickeln, die den gedanklichen Stress reduzieren.

Wir kennen zahlreiche Verfahren aus dem großen Bereich der Komplementärmedizin, die dazu beitragen, die Psyche zu stabilisieren: Bewegungs- und Entspannungstherapien helfen dabei, den Stress abzubauen und ihm besser zu begegnen. Psychotherapien, auch wenn sie nicht im engeren Sinne zur Komplementärmedizin zu rechnen sind, stellen einen wichtigen Baustein dar. Kein Mensch, gerade wenn er Bedrückendes erlebt hat oder unter Ängsten und Sorgen leidet, sollte sich scheuen, um professionelle Hilfe zu bitten oder sie in Anspruch zu nehmen. Und auch die Ernährung besitzt einen enormen Einfluss auf
unser psychisches Befinden. Manche Substanzen wirken direkt auf das Nervensystem, bei anderen wird dies vermutet. Fest steht jedoch, dass qualitativ hochwertige Lebensmittel und das Meiden von Zusatzstoffen und industriell vorgefertigten Produkten das Beste sind, was wir hinsichtlich der Ernährung für unseren Körper und unsere Psyche tun können.

Die Pflanzenheilkunde hat verschiedene Heilpflanzen zu bieten, die sich günstig auf die Nerven auswirken. Unter den Pflanzen sei hier der Hafer als Getreide hervorgehoben – unter dem Stichwort "Schlafstörungen" finden Sie ihn auch als homöopathisch potenziertes Arzneimittel. Beruhigende Pflanzen sind die Baldrianwurzel, gegen Schlafstörungen sind Hopfenzapfen, Passionsblumenkraut und Melissenblätter geeignet.

Gerade die Melisse, insbesondere die Zitronenmelisse, ist ein sehr wohlschmeckender Tee, der bei allen nervösen Beschwerden eingesetzt werden kann. Lavendel ist eine sehr entspannende Pflanze, insbesondere für die äußerliche Anwendung: als Körperöl, Eau de Toilette, Badezusatz oder Raumspray. Allgemein stärkend – auch auf die Psyche – wirken Bitterstoffe über die Verdauung. So ist jedem, der psychisch ein wenig "außer sich" ist, zu raten, vermehrt Bittermittel in die eigene Ernährung zu integrieren, wie z. B. Chicoree, Endiviensalat, Radicchio, Artischocken. Als aromatische Tees aus Bitterstoffen bieten sich
Schafgarbentee oder Engelwurztee, vielleicht mit ein klein wenig Wermut (sehr bitter!) an, um durch diesen Bitterreiz wieder Bodenhaftung zu gewinnen und "in sich selbst hineinzurutschen". Probieren Sie es aus – wachmachende, belebende energetische Verfahren wie die Akupunktur können ebenfalls helfen, Blockaden im Energiefluss zu beheben und damit auch günstig auf die Psyche zu wirken. Letztendlich ist in diesem gesamten Bereich entscheidend, welche Strategie Ihnen persönlich gut hilft und Ihrem Naturell entgegenkommt.

Homöopathie bei psychischen Beschwerden

Gezielte Entspannung und eine typgerechte, gesunde Lebensweise sind wichtige Voraussetzungen, um die innere Balance zu erhalten beziehungsweise wiederzuerlangen. Daneben bietet die Homöopathie sanfte, aber wirksame Unterstützung für das Gleichgewicht von Körper und Seele. Sie kann bei leichten Verstimmungen in der Selbsthilfe angewendet werden, ist aber auch bei schweren psychischen Erkrankungen als unterstützende Therapie durch einen erfahrenen Therapeuten auf jeden Fall anzuraten. Tipp: Je früher Sie auf die Signale Ihres Körpers und Ihrer Seele reagieren, desto größer ist die Chance, mit homöopathischen Mitteln eine Besserung zu erzielen. Deshalb empfehle ich sowohl zur Selbstmedikation als auch zusätzlich zu einer schulmedizinischen Behandlung homöopathische Arzneien. Es gibt wichtige homöopathische Arzneien, die sich bei der Behandlung von psychischen Beschwerden bewährt haben.

Aconitum D12 (der Sturmhut) ist das wichtigste Mittel nach Erleben eines Schocks mit Todesangst, zum Beispiel das Ansehen eines schweren Unfalls oder die Verwicklung darin. Es tritt eine ängstliche Unruhe auf mit Herzklopfen, angsterfülltem Blick und Blässe. Es ist das Mittel der Wahl, wenn nach schrecklichen Erlebnissen den Betroffenen die Bilder nicht aus dem Kopf gehen und im schlimmsten Fall auch Panikattacken auslösen.

Ist jemand nach einem Schrecken "wie gelähmt", kraftlos und völlig überfordert, kann Gelsemium D12 (der Gelbe oder Wilde Jasmin) ihn wiederaufrichten. Die Erwartungsangst führt zu einer zittrigen Lähmung, man ist zu schwach, um noch irgendetwas vorzubereiten. Die Knie zittern, die Lider werden schwer. Durchfall kann auftreten, ebenso Schwindel und Benommenheit. Besser wird es in frischer Luft und nach Entleerung der Blase.

Bei Unruhe und Aufregung vor besonderen Ereignissen, Lampenfieber, Herzjagen und Durchfällen kann Argentum nitricum D12 (das Silbernitrat) die Lage entspannen. Eines der besten Mittel bei Erwartungsangst, vor einer Prüfung oder einem gefürchteten Ereignis (Flugreise, öffentlicher Auftritt u. a.). Es treten Zittern und Durchfall auf, Druck im Magen, Aufstoßen, Schwindel. Die innere Unruhe führt zu hastigem Handeln, man hat das Gefühl, die Zeit vergeht zu langsam und kommt zu jedem Termin zu früh.

Trennungsschmerzen – wie zum Beispiel Heimweh, enttäuschte Liebe, Verlust eines geliebten Menschen – können einen Menschen depressiv machen. Bei der Bewältigung der "Trauerarbeit" oder der "Kummersituation" unterstützt Ignatia D12 (die Ignatiusbohne) den Leidenden. Leitsymptome sind ausgesprochene Traurigkeit und der Hang zum stillen Kummer, man möchte mit seinem Kummer alleine sein. Er hat das Gefühl, einen "Kloß im Hals" zu haben. Typisch ist auch der Hang zum stillen Seufzen.

Natrium chloratum D12 (= muriaticum) (das Kochsalz) ist das Kummermittel schlechthin. Es wird eingesetzt bei Depressionen als Folge von Kummer und Ärger; bei Ängsten, die durch Stress und Überlastung hervorgerufen werden. Es kann auch bei Trennungsschmerzen indiziert sein. Das Leitsymptom der Betroffenen ist allerdings, dass sie sich freiwillig zurückziehen. Sie wollen sich in ihrem Kummer, der verschiedene Gründe haben kann, nicht trösten lassen, sondern nur noch in Ruhe gelassen werden ("Regression").

Nach dem homöopathischen Ähnlichkeitsprinzip sind Beschwerden, die mit Opium behandelt werden, von großer Benommenheit gekennzeichnet. Der Schreck ist in die Glieder gefahren, aber Bewusstsein und Gefühl sind eingeschränkt, Schmerzen werden nicht mehr empfunden, die Situation nicht verstanden. Die Glieder sind taub, heißer Schweiß und Muskelzucken können auftreten, selbst ein zeitweiliges Aussetzen der Atmung. Der Bauch ist hart und gebläht mit Stuhlverstopfung.

Streitbare, jähzornige Menschen mit cholerischem und hypochondrischem Temperament brauchen Nux vomica D12 (die Brechnuss). Der Nux vomica-Typ hat eine geringe Reizschwelle, fühlt alles zu stark. Er arbeitet zu viel (meist im Sitzen); chronische Überlastung macht ihn unzufrieden und gereizt. Das Mittel wirkt bei Beschwerden, die durch einen zu hohen Genussmittelkonsum, Überreizung des Nervensystems oder Überforderung verursacht werden. Dazu gehören Nervosität, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Magen-Darmbeschwerden.

Zur Dosierung:
Erwachsene nehmen 2-mal täglich 5 Globuli, nach einer dreiwöchigen Einnahme sollte eine einwöchige Pause eingelegt werden, um danach die Einnahme fortzusetzen; bei Besserung des Befindens kann das Arzneimittel abgesetzt werden.

Dr. Markus Wiesenauer: "Eine Standardbehandlung gibt es nicht."

"Eine homöopathische Behandlung richtet sich nie allein nach den Beschwerden. Das bedeutet, dass es kein Standardmittel gegen Kopfschmerzen, nervöse Magenschmerzen oder Schlafstörungen gibt. Denn vielmehr spielen Konstitution und Persönlichkeit eines Menschen eine große Rolle bei der Wahl des richtigen Mittels. Zum Beispiel werden Magenschmerzen, unter den ein nervöser, gereizter und cholerischer Mensch leidet, homöopathisch anders behandelt als Magenschmerzen, die in Folge von Kummer und Kränkung auftreten. Wichtig ist hier das Ähnlichkeitsprinzip – die Grundlage der Homöopathie. Ähnliches wird mit Ähnlichem behandelt. Bei diesem Grundprinzip geht es darum, die Ähnlichkeit, die möglichst genaue Übereinstimmung zwischen einem Krankheitsbild einerseits und dem Arzneimittelbild der entsprechenden Substanz andererseits zu finden. Dabei werden unter einem Krankheitsbild alle Zeichen eines Krankheits- oder Beschwerdezustandes verstanden. Dazu gehören sowohl körperliche Symptome wie auch emotionales Befinden. In der Homöopathie ist es daher von besonderer Bedeutung, charakteristische Symptome herauszufinden, sie nach ihrer Bedeutung zu hierarchisieren und dann mit den jeweiligen Stichworten in Frage kommende Mittel zu suchen. Dabei kommt dasjenige Mittel, das die charakteristischen und auffallenden Symptome am besten abdeckt, am ehesten als Arzneimittel in Betracht. Die Frage, welche Symptome besonders typisch für den jeweiligen Fall sind, ist manchmal schwierig zu beantworten und bedarf auch gewisser Erfahrung. Daher rate ich in schweren oder chronischen Fällen von einer Selbstbehandlung ab und verweise auf eine Behandlung durch einen homöopathischen Arzt."

Autor des Artikels »Homöopathie in Zeiten seelischer Belastung«:

Dr. med. Markus Wiesenauer

Dr. med. Markus Wiesenauer
Vorstandsmitglied der Carstens-Stiftung

Telefon: 0201 56 305 0
E-Mail: info@carstens-stiftung.de