Komplementäre und
Integrative Medizin
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Carstens-Stiftung: Über die Wirksamkeit naturheilkundlicher Verfahren bei Bandscheibenvorfall.
Carstens-Stiftung: Über die Wirksamkeit naturheilkundlicher Verfahren bei Bandscheibenvorfall.
Studien kurz und knapp

Bandscheibenvorfall: Nicht immer muss man unters Messer

Von Daniela Hacke M.A.

Bewegungsapparat Komplementärmedizin

Studien zeigen, dass sich Operationen an der Bandscheibe durch ein integratives Therapiekonzept vermeiden lassen.

Obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse existieren, dass konservative Behandlungsformen (Schmerzmittel, Physiotherapie) und operative Eingriffe nach vier Jahren zu einem ähnlich guten Ergebnis führen, werden noch viel zu viele Patienten mit der Diagnose Bandscheibenvorfall unter das Messer geschickt. Eine Operation sollte eigentlich nur dann erstes Mittel der Wahl sein, wenn z.B. die Gefahr einer Nervenschädigung droht, Lähmungserscheinungen auftreten und Körperfunktionen wie Wasserlassen etc. beeinträchtigt sind. Eine Bandscheiben-OP birgt auch immer ein gewisses Risiko (Narkose, Komplikationen, Beschwerden durch Narbengewebe), zum Teil auch die Gefahr immer wiederkehrender Beschwerden.

Komplementäre Verfahren wie Bewegungstherapie (Walken, Skilanglauf, Radfahren, Schwimmen), Maßnahmen zur Muskelkräftigung, pflanzliche Mittel, manuelle Therapien und Akupunktur können helfen, die Beschwerden auch ohne operativen Eingriff in den Griff zu bekommen.

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Dies dachte sich auch ein koreanisches Wissenschaftlerteam und untersuchte in zwei prospektiven Studien die Langzeiteffekte eines integrativen Therapiekonzepts bei Patienten mit einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbel- bzw. Halswirbelbereich mit daraus resultierenden ausstrahlenden Schmerzen. [1,2] Beide Patientengruppen, die in verschiedenen Zeiträumen an ein und demselben Krankhaus einer Behandlung mit Akupunktur, Heilkräutern nach dem Prinzip der traditionellen chinesischen oder koreanischen Medizin, Bienengift-Akupunktur und Chuna-Therapie, einer koreanischen Massagemethode, unterzogen wurden, konnten von den angewandten Verfahren sowohl kurz- als auch langfristig profitieren, was die Schmerzreduktion und Verbesserung der Beweglichkeit betrifft. Die Patienten mit einem Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich wurden im Schnitt drei Wochen lang behandelt, die von einem Vorfall im Lendenwirbelbereich betroffenen Patienten wurden über ein halbes Jahr lang behandelt. Die Studienteilnehmer beider Gruppen wurden während einer Nachbeobachtungszeit von fünf Jahren einmal pro Jahr nach ihrem Befinden bzw. der Notwendigkeit einer Operation befragt.

In der Lendenwirbel-Gruppe wurden acht von 150 Patienten letztendlich doch in der Behandlungsphase operiert, weitere acht Patienten unterzogen sich in der fünfjährigen Nachbeobachtungsphase einer Operation. Dagegen waren es in der Halswirbel-Gruppe neun von 117 Patienten in der Nachbeobachtungsphase, die sich einer Operation unterzogen. Um die 80 Prozent der Patienten zeigten sich mit ihrem Zustand nach Entlassung aus dem Krankenhaus zufrieden oder mehr als zufrieden.

Einschätzung

Einschätzung: Auf längere Sicht lohnt sich für Patienten mit ausstrahlenden Schmerzen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls eine Therapie im Rahmen eines integrativen Therapiekonzepts, das Verfahren aus der Komplementärmedizin einbezieht, um einen chirurgischen Eingriff zu vermeiden. Da es jedoch in beiden Studien keine Kontrollgruppe gab, wäre ein Vergleich mit konservativen Behandlungsmaßnahmen in zukünftigen Studien wünschenswert, um Wirkungsgrad und Kosteneffizienz einer komplementärmedizinischen Behandlung zu ermitteln.

Bevor man einer potenziellen Empfehlung zu einer Bandscheibenoperation folgt, wäre es ratsam, sich zuvor eine zweite ärztliche Meinung einzuholen, ggf. den kritischen Zeitraum von sechs Wochen nach dem Vorfall abzuwarten, sofern medizinisch vertretbar, da die Entzündung sowie Schwellung in dem betroffenen Areal nach dieser Zeit abgeklungen sein sollte und sich das Beschwerdebild somit durchaus verbessern kann.
Grundsätzlich gilt: Wer rastet, der rostet. Rückenschule, Bewegungstherapien wie Yoga, Qigong und Tai Chi sowie die Stärkung des Muskelkorsetts bilden das A und O in der langfristigen Erhaltung der Rückengesundheit. Auch Entspannungsverfahren wie Achtsamkeitsmeditation, Muskelentspannung nach Jacobson etc. bieten sich als Selbsthilfemaßnahmen an.

Aber: Eine Behandlung sollte zumindest in den ersten Monaten nach dem Vorfall bzw. bei länger anhaltenden Beschwerden unter Beobachtung eines Arztes/Therapeuten erfolgen.

Literatur

Shin J-S, Lee J, Lee YJ, Kim M-R, Ahn Y-J, Park KB, Shin BC, Lee MS, Ha I-H. Long-term course of alternative and integrative therapy for lumbar disc herniation and risk factors for surgery: a prospective observational 5-year follow-up study. Spine 2016; epub ahead of print. Doi:10.1097/BRS.0000000000001494 Abstract

Baek SH, Oh JW, Shin J-S, Lee J, Lee YJ, Kim M-R, Ahn Y-J, Choi A, Park KB, Shin B-C, Lee MS, Ha I-H. Long term follow-up of cervical intervertebral disc herniation inpatients treated with integrated complementary and alternative medicine: a prospective case series observational study. BMC Complement Altern Med 2016; 16: 52 Abstract